Am 5. Januar hat der MDR mal wieder ein neues Umfrageergebnis veröffentlicht: "Weniger Angst vor Flüchtlingszuzug, Sorgen bleiben". Mit dem durchaus überraschenden Ergebnis: Nur noch 45 Prozent der befragten Sachsen stimmten der Aussage zu "Es macht mir Angst, dass viele Flüchtlinge zu uns kommen". Das waren 15 Prozent weniger als im September. Was ist da passiert? Ist da überhaupt etwas passiert?

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, interpretiert es für sich so: “Anders als im September hat die Mehrheit der Sächsinnen und Sachsen heute keine Angst vor ‘zu vielen Flüchtlingen’. Das ist eine gute Nachricht, die wohl darauf beruht, dass inzwischen immer mehr Menschen eigene Erfahrungen mit geflüchteten Menschen sammeln. Die wirken am besten gegen das Gift der Panikmache und Pauschalverdächtigung. – Dennoch gibt es weiter verbreitete Vorbehalte gegen Geflüchtete. Eine klare bis knappe Mehrheit der Bevölkerung befürchtet, dass die Fluchtbewegung zu höherer Staatsverschuldung, einem ‘zu starken Einfluss des Islam’, zu mehr Straftaten oder mehr Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt führen könnte. Die demokratischen Kräfte müssen Antworten darauf geben, irrationale Ängste entlarven und Vorbehalte abbauen. Das geht am besten durch Handeln.”

Ein wenig berührte die Umfrage auch das Grundproblem, warum noch im September rund 60 Prozent der befragten Sachsen meinten, Angst haben zu müssen. Denn seit dem Sommer brodelte die Gerüchteküche und auch einige Hardliner aus dem konservativen Lager in Sachsen gaben sich alle Mühe, die Ängste zu schüren, während die Behörden auf vielen Ebenen heillos überfordert zu sein schienen. Die große, bundesweite Bewegung des “Wir schaffen das” kam erst im September so richtig in die Gänge.

Und auch erst im Herbst wagten die ersten Politiker, dem anhaltenden Bocksgesang aus CSU, AfD und CDU kontra zu geben und auch öffentlich zu widersprechen. Auch das ein Zeichen dafür, dass fast die komplette deutsche Politik bis zu den Sommerferien regelrecht abgetaucht war und das mediale Spielfeld den Scharfmachern und Angstmachern überließ.

Das kommt in der MDR-Auswertung nicht vor. Was verblüfft. Dadurch bleibt die Begründung, warum sich auch in Sachsen der Wind gedreht hat, sehr vage, als hätten viele Bürger ganz von allein ihre Angst verloren. Oder durch die Begegnung mit den Flüchtlingen ein anderes Bild gewonnen, wie Gebhardt meint.

Doch gerade die behördliche Aufnahme der Flüchtlinge war bis zum Dezember, als die zweite Umfrage stattfand unter 1.000 repräsentativ ausgewählten Sachsen, ein mediales Thema. Die Bürger des Freistaats haben sehr wohl beobachtet, wie hilflos, verspätet und hektisch teilweise an die Unterbringung der Zufluchtsuchenden gegangen wurde.

Wie der MDR die Tatsache wertet, dass nur 34 Prozent der Befragten der Regierung attestiert, “die Sache gut im Griff” zu haben, ist schon eine gewisse Unverschämtheit: “Über alle Altersgruppen hinweg einig ist sich eine Mehrheit der Sachsen, dass Landesregierung und Verwaltung die Flüchtlingssituation nur schlecht im Griff haben. Nur rund ein Drittel der Befragten attestiert den sächsischen Behörden ein gutes Management in der Flüchtlingsfrage. Die schwarz-rote Regierungskoalition kann lediglich eine knappe Mehrheit der CDU- und SPD-Anhänger von ihrem Flüchtlingsmanagement überzeugen.”

Es ist das Dilemma der “schwarz-roten Regierungskoalition”, dass sie für das Gesamtthema in Verantwortung genommen wird, obwohl vor allem ein CDU-Minister für den kalten Spätstart verantwortlich ist.

“Wir müssen Ordnung bei Flüchtlingsaufnahme, -registrierung und -unterbringung schaffen sowie für geordnete Asylverfahren sorgen. Wir müssen Integration organisieren, am besten über die Vermittlung in Sprachkurse und Arbeit”, listet Gebhardt aus seiner Sicht auf, was eigentlich getan werden müsste. Zumindest skizziert er eine Art Politik, die in der Flüchtlingsproblematik von Anfang an ganz anders reagiert hätte. Denn dass sich die Ängste vieler Sachsen im Lauf des Sommers erst so aufschaukelten, hatte auch mit der manifesten Rat- und Wortlosigkeit der verantwortlichen Minister zu tun. Statt zu gestalten, schwadronierten sie über Kontingente, Grenzsicherung und Abschiebung. Und man durfte als Bürger rätseln: Meinen die das nun ernst und sind selbst von Panik besessen? Oder verfolgen sie damit ein politisches Kalkül, das auch so richtig in die Hose gehen kann?

Gebhardt: “Wir müssen dafür sorgen, dass hohe Einkommen und große Vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden, damit die öffentliche Hand ihre Aufgaben erfüllen kann – das war schon vor der Fluchtbewegung unabdingbar. Wir müssen darauf hinweisen, dass auch die Muslime unter den Geflüchteten vor islamistischem Terror fliehen und es in der Regel ablehnen, dass Staaten mit religiösen Begründungen Freiheit einschränken. Wir müssen dafür sorgen, dass stärker in bezahlbaren Wohnraum investiert wird, was die Regierenden schon lange Zeit vor der Fluchtbewegung vernachlässigt haben. Wir müssen dem Generalverdacht entgegentreten, Geflüchtete seien per se krimineller als Einheimische, und durch mehr Personal für Polizei und Justiz den Rechtsstaat erhalten.”

Denn eines macht die MDR-Umfrage deutlich: Viele Ängste sind noch immer da, ob vor zunehmenden Schulden (70 Prozent), vor einem “zu starken Einfluss des Islam” (61 Prozent), der Zunahme von Straftaten (59 Prozent) oder dem knapper werdenden Wohnraum (51 Prozent). Einige dieser Ängste wurden in zum Teil wilden Talkshows erst so richtig angeheizt. Man weiß auch in deutschen Rundfunksendern, wie man die Zuschauer mit “heißen Themen” vor die Bildschirme holt – aber wenn in diesen Shows nur Emotionen geschürt werden aber kaum sachliche Erklärungen zum Zuge kommen, dann heizt man ganz medial die Stimmung erst so richtig an. Und einige der wildesten Talkshows fanden damals auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk statt.

Dass man so ein Thema auch positiv annehmen und zeigen kann, was Handlungsfähigkeit in einem eigentlich reichen Land wie Deutschland bedeutet, formuliert Gebhardt so: “Wir brauchen Maßnahmen, von denen Einheimische wie Geflüchtete profitieren. PEGIDA und Co. können und wollen keine Probleme lösen, im Gegenteil. Auch für alle Sächsinnen und Sachsen gilt zudem: Wir sollten eigene Erfahrungen mit Geflüchteten machen, anstatt auf Hetzer und Angstmacher hereinzufallen. Und wir sollten unseren neuen Nachbarn Zeit geben, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, und ihnen dabei helfen.”

Und es überrascht nicht, dass sich die meisten Ängste auch in der deutschen Angst-Partei AfD versammeln: 78 Prozent der AfD-Anhänger bekunden noch immer ihre Angst vor “zu vielen Flüchtlingen”. Wesentlich ausgewogener ist das Bild schon bei CDU-Anhängern mit 44 Prozent oder SPD-Anhängern mit 34 Prozent. Bei den Anhängern der Linken sind es nur noch 19 Prozent, bei den Grünen-Anhängern 10 Prozent.

Augenscheinlich hängt das Angst-Potenzial aufs engste mit der Frage zusammen, ob man auch politisch eher zu den Lösungsorientierten gehört, oder sich das “Problem” lieber vom Halse halten möchte und sich lieber gar nicht erst mit den Ursachen der Phänomene beschäftigt, mit denen auf einmal auch die Bewohner der sächsischen Provinz konfrontiert sind. Verweigerung aber schafft erst den Raum für alle Ängste.

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Es gibt 5 Kommentare

Zusatz:
Solches Marktgeschreie wie ”
Wir müssen dafür sorgen, dass hohe Einkommen und große Vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden, damit die öffentliche Hand ihre Aufgaben erfüllen kann”
ist keine Lösung, sondern Ausdruck des eigenen Unvermögens. Hier der Linken in Sachsen. Vorwiegend deshalb, weil letztlich nur ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein.

Es gibt jedoch Lösungen in ganz anderen Dimensionen, die ich in meiner Serie noch aufzeigen werde.

“Das Geld ist da, nur nicht an den richtigen Stellen.”

Was haben Sie, Sabine, denn für Vorschläge um an diese, nach ihrer Ansicht richtigen Stellen, Geldquellen heran zu kommen?

Wenn Sie mir darauf eine plausible Antwort geben können, bin ich gewillt Ihren Gedanken zu folgen. Alles andere wäre Zeitverschwendung, weil absolut unrealistisch.

Gehen Sie davon aus, dass diese Entwicklung aufzuhalten ist und aufgehalten wird. Deutschland wird es nicht wagen, als Alleinunterhalter zu agieren. Daran würde die Bundeskanzlerin grandios scheitern. Mit Pauken und Trompeten. Die Orchester sind längst formiert und fleißig am Üben.

Ich kann nur wiederholen, was ich immer wieder betont habe und weiter hervorheben werde, es dreht sich alles ums Geld. Ob das nun jemand wahr haben will oder nicht!

Geld und Humanität vereinbaren sich nicht bzw. nur schwer! Nicht in dieser Gesellschaftsordnung, zu der es jedoch gegenwärtig keine Alternative gibt. Selbst gut gemeinte Versuche (z.B. Venezuela, nun auch Kuba) stoßen an Grenzen. Bei Kuba ist das nach meiner Ansicht besonders bitter, aber auch dort letztlich eine Frage des Geldes.

Doch mir liegt es fern, hier eine Diskussion über die Rolle des Geldes in der gegenwärtigen Welt auszulösen. Also Ende der Vorstellung.

Und der Rest darf nach erreichen der 200000 vor geschlossener Grenze erfrieren?
Dass alles finanziert werden muss ist schon klar, aber ich bin nicht bereit, für gesunde Zahlen die Gesundheit und das Leben von Menschen zu opfern.
Sie wissen als Experte doch am besten, wo Gelder unangetastet rumliegen, Klaus. Es gibt genug Beispiele (auch hier oft thematisiert), wie Grosskonzerne viel zu billig davonkommen, unnütze Subventionen unnötig Geld verbrennen. Auch sollten Waffenhersteller und Konzerne wie Nestlé in die Pflicht genommen werden, die einen sehr großen Anteil an den Fluchtursachen haben. Sie haben mit einem Recht: Es MUSS finanziert werden. Das ist Pflicht. (Ich weiß,sie meinen es anders).
Das Geld ist da, nur nicht an den richtigen Stellen. Angst muss nur haben, wer sich abschottet. Denn aufzuhalten ist die Entwicklung eh nicht.

“Der Staat als Diensleister „nationaler Sicherheit“ tritt als Monopolist auf und ist deshalb IMMER ineffizient, also für das was er leistet zu teuer.”

Auch wenn ich als Finanzrevisor im Ruhestand bin, aber an einer möglichst kurzen Begründung (kann auch länger sein) dafür wäre ich interessiert. Aber bitte nicht nur irgendwelche Schlagworte.

Ich stimme diesbezüglich zu, dass die BRD dann finanziell überfordert ist, wenn sie so weitermacht wie bisher. Es muss ein Obergrenze für Aufnahmen her!

Allein deshalb, weil alles andere nicht zu finanzieren ist. Wer das ignoriert, lebt im luftleeren Raum.

Die von Herrn Seehofer genannte Zahl von 200.000 Aufnahmen pro Jahr halte ich übrigens für optimal.

Der Staat als Diensleister “nationaler Sicherheit” tritt als Monopolist auf und ist deshalb IMMER ineffizient, also für das was er leistet zu teuer. Die Integration der Flüchtling MUSS schiefgehen. Leider werden wir erst wach, wenn wir unsere persönlichen Erfahrungen gemacht haben. #Köln #Lageso

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