Manchmal ist es im Sächsischen Landtag wie in einer Familie. Alle wissen, dass Papa im Lauf des Jahres eine Lohnerhöhung bekommen hat. Papa grinst - will aber vor Weihnachten nicht verraten, wie viel es mehr geworden ist. Könnte ja sein, da würde jetzt wieder jemand Extra-Wünsche anmelden. Und warum will ausgerechnet die Opposition die genauen Zahlen?
In diesem Fall ist es Franziska Schubert, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, die Papas Schweigen einfach ungehörig findet. Denn am 16. Dezember soll der Landtag schon über das 800-Millionen-Euro-Investitionspaket für die Kommunen beschließen. Aber aus welchem Topf nimmt Finanzminister Georg Unland eigentlich das Geld?
“Nächste Woche soll der Haushaltsausschuss über das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Investitions- und Finanzkraft entscheiden”, stellt Schubert fest. Aber das Paket hat so ein paar kleine Haken. “Im Gesetzentwurf der CDU/SPD-Koalition wird auf Steuermehreinnahmen verwiesen, mit denen der landeseigene Anteil am Kommunalinvestitionspaket, immerhin 322 Millionen Euro, finanziert werden soll. Wieso haben wir bis heute noch nichts vorliegen? Handelt es sich um eine seriöse Finanzierungsquelle?”
Gute Frage. Für gewöhnlich gab es aus dem Sächsischen Finanzministerium immer dann, wenn der Arbeitskreis “Steuerschätzungen” beim Bundesfinanzministerium seine neuen Zahlen veröffentlichte, eine kleine Meldung, in der der sächsische Finanzminister um Geduld bat, um dann drei, vier Wochen später seine eigenen Schätzungen vorzulegen, in denen er die Bundeszahlen dann jeweils noch einmal mit einem Abschlag versah. Was dabei herauskommt, ist dann in der “Mittelfristigen Finanzplanung des Ministers immer hübsch in einer Grafik zu sehen. Die zumeist für die Haushaltsplanung verwendeten Steuerschätzungen liegen seit Jahren im Schnitt um 500 Millionen Euro unter den tatsächlichen Ergebnissen.
Zwar hat Prof. Georg Unland im Herbst 2014 die Prognose angehoben, aber er betont auch immer wieder, dass er gern noch mehr Einnahmerisiken einrechnet als die Bundessteuerschätzer. Das klingt dann ungefähr so: “Diese Schätzergebnisse sind Grundlage der Veranschlagung. Ungeachtet der bereits berücksichtigten o. g. Anpassungen können u. a. auch unvorhergesehene Verhaltensänderungen der Wirtschaftssubjekte erhebliche Auswirkungen auf das Steueraufkommen haben.”
Aus 12,0 Milliarden Euro waren so in der 2014er Prognose für 2015 schon mal 12,3 Milliarden Euro geworden. Das war die Zahlengrundlage, mit der im Frühjahr der sächsische Doppelhaushalt beschlossen wurde, in dem das 800-Millionen-Investitionspaket noch nicht enthalten war.
Die Skepsis der Opposition ist also berechtigt. Im Mai gab es ja dann bekanntlich die erste Steuerschätzung für 2015. Mit dem bekannten Ergebnis: Sachsen wird wohl doch noch höhere Einnahmen haben als im Herbst 2014 angenommen. Wie hoch die sein werden, weiß wohl außer dem Finanzminister niemand. Denn der rechnete ja wieder seinen Sparsamkeitsbonus ein und meldete dann Anfang Juni: “Für den sächsischen Staatshaushalt ist im laufenden Jahr mit Steuereinnahmen von rund 12,44 Milliarden Euro zu rechnen. Die Prognose aus dem November 2014 würde damit um 165 Millionen Euro übertroffen werden. Im Jahr 2016 lässt die aktuelle Schätzung Mehreinnahmen von 104 Millionen Euro erwarten. In der mittleren Frist bis 2019 soll sich das Einnahmeniveau um circa 150 Millionen bis 200 Millionen Euro jährlich verbessern.”
Im November hat ja dann der Arbeitskreis “Steuerschätzungen” seine neue Prognose für 2015 vorgelegt mit dem Ergebnis: “Die Steuereinnahmen im Jahr 2015 werden im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai 2015 um insgesamt 5,2 Milliarden Euro höher ausfallen. Für den Bund ergeben sich dabei Mehreinnahmen von 1,1 Milliarden Euro und für die Länder von 5,1Milliarden Euro. Die Einnahmeerwartungen für die Gemeinden steigen um 0,6 Milliarden Euro.”
Das kann man nicht 1:1 auf Sachsen herunterbrechen, aber ein weiteres Plus zwischen 100 und 200 Millionen Euro wird es schon bedeuten, so dass Sachsen in diesem Jahr möglicherweise mit 12,6 Milliarden Euro Steuereinnahmen rechnen kann. Genaue Zahlen hat Unland aber nicht vorgelegt. Im November hat er lieber wieder beschwichtigt, es gäbe einfach zu viele Risiken außenherum.
“Die Risiken liegen vor allem außerhalb Deutschlands. Der drohende Abschwung im größten sächsischen Exportmarkt China steht dabei an erster Stelle“, warnte der Finanzminister. „Auch andere Schwellenländer haben wirtschaftliche und strukturelle Probleme. Der arabische Raum dürfte leider absehbar ein Krisenherd bleiben. Die sächsischen Unternehmen spüren nach wie vor die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts.“ Außerdem werde die Herbstprojektion weiterhin vom niedrigen Ölpreis und einem sehr geringen Zinsniveau gestützt. Daran hat sich aber bislang nichts geändert und es sieht auch nicht so aus, dass sich daran über den Jahreswechsel etwas ändert.
Aber vier Wochen sind rum. Da müssten jetzt eigentlich ein paar Zahlen kommen, findet Franziska Schubert.
“Ich habe grundsätzliche Zweifel, lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen. Wir brauchen dringend die regionalisierte Steuerschätzung als Entscheidungsgrundlage und ich will sie nicht am Tag der Entscheidung im Ausschuss als Tischvorlage erhalten!”, fordert die Grünen-Abgeordnete. “Steuermehreinnahmen müssen zuerst dazu genutzt werden, Schulden abzubauen und die Rücklage aufzufüllen. Was als Überschuss übrig bleibt, kann dann z.B. für das Kommunalinvestitionspaket verwendet werden. Das heißt, es müssen erhebliche Steuermehreinnahmen sein, wenn man alles zusammenrechnet. Bevor ich über ein Gesetz mit derart hohen finanziellen Auswirkungen entscheide, will ich darüber informiert werden. – Schon 2014 mussten wir die regionalisierte Steuerschätzung anmahnen. Es ist ärgerlich, allen Informationen, insbesondere finanzbezogenen, immer hinterher rennen zu müssen.”
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