Als Valentin Lippmann, der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, am 17. Dezember im Landtag seine Rede zu Waffenbesitz und Kontrolle in Sachsen hielt, hatte er noch gar nicht alle Zahlen. Die bekam er erst am Folgetag, dem 18. Dezember. Und die Zahlen bestätigten alles, was er am Vortag am Rednerpult des Landtages gesagt hatte.
Die Zahl der Waffenbesitzer in Sachsen steigt. Die Zahl der registrierten Schusswaffen nimmt zu. Die Kontrollbehörden aber sind noch immer genauso spärlich besetzt wie 2013, das Jahr, für das damals die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen die Zahlen abgefragt hatte. Und im Landkreis Sächsische-Schweiz/Osterzgebirge fällt einfach mal das Computersystem aus, wenn das Innenministerium nach den neuesten Zahlen fragt.
Deswegen sind die Zahlen auch nicht ganz vollständig. 2013 hatte die Staatsregierung noch die Zahl von 134.786 offiziell registrierten Schusswaffen in Sachsen angeben können. Für 2014 und 2015 hat zwar Innenminister Markus Ulbig für fast alle Kreise genaue Zahlen – nur halt für die Sächsische Schweiz/Osterzgebirge nicht. Da aber zu vermuten steht, dass hier die Entwicklung ganz ähnlich verlief wie in Mittelsachsen oder in Nordsachsen, setzen wir einfach 250 neue Schusswaffen pro Jahr als mutmaßliche Größe ein.
Dann kommt man für 2014 auf einen offiziellen Schusswaffenbesitz in Sachsen von rund 137.000 und für 2015 (Stand Oktober) auf rund 140.300.
Die Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Ostsachsen besonders eifrig mit neuen Schusswaffen versorgen. Steigerungsraten von 400 bis 500 neuen Schusswaffen gab es vor allem im Vogtlandkreis, im Landkreis Meißen und im Landkreis Bautzen.
Das bedeutet auch für die Stadt Leipzig eine wachsende Anzahl von Schusswaffen. 7.800 waren 2014 registriert, im Oktober waren es dann schon 8.013, die sich auf 1.565 Waffenbesitzer verteilten.
Das Problem aber sind die schlecht besetzten Waffenbehörden. Im Landkreis Meißen, wo ja augenscheinlich einige Leute regelrecht für Panik sorgen, gibt es nur einen einzigen Mitarbeiter in der Waffenbehörde, der für 1.729 Schusswaffenbesitzer zuständig ist. Auch im Landkreis Sächsische-Schweiz/Osterzgebirge ist das so. Es sind tatsächlich die Stadt Leipzig, der Landkreis Leipzig und der Vogtlandkreis, die mit drei Mitarbeitern deutlich besser ausgestattet sind.
Aber Lippmann hatte ja auch konkret nach der Kontrolltätigkeit gefragt. Und da wird eigentlich erst sichtbar, dass von einer regelmäßigen oder gar systematischen Kontrolle nicht die Rede sein kann. Am fleißigsten war 2014 tatsächlich der eine tapfere Kontrolleur im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge: 252 Mal zog er los, seine Waffenfreunde im Revier zu kontrollieren. Wenn er das Tempo durchhalten würde, würde er ungefähr 10 Jahre brauchen, bis er alle Waffenbesitzer einmal besucht hat.
Aber er hat es ja nicht durchgehalten. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2015 war er nur 7 Mal unterwegs. Da ist er wohl einigen Jagdfreunden zu unverhofft auf die Pelle gerückt.
In der Vergangenheit war es sogar die Stadt Leipzig, die nach einigen medial aufregenden Ereignissen am häufigsten kontrollierte. Im Spitzenjahr 2011 sogar über 800 Mal. Aber auch das hat nachgelassen, 2014 gab es nur noch 48 Kontrollen. In den ersten zehn Monaten 2015 waren es dann 55. Die Statistik erinnert schon stark an ein Fieberthermometer: Wenn eine Straftat mit Schusswaffen medial für Aufregung sorgt, bricht auch in den Kontrollbehörden kurzzeitig mal etwas hektische Betriebsamkeit aus – und wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, wird auch die Kontrolltätigkeit wieder zurückgefahren.
Nur im Landkreis Leipzig scheint man, nachdem man die dortige Kontrollstelle personell von 2,2 auf 3,2 Stellen aufgestockt hat, etwas mehr Aktivität entfaltet zu haben. Da schnellte die Zahl der Kontrollen von 63 im Jahr 2014 auf 335 in den ersten zehn Monaten 2015 hoch.
Wenn man das aber dann mit mageren 7 Kontrollen etwa in Mittelsachsen, 5 im Landkreis Görlitz oder gar nur 3 in Meißen vergleicht, werden die Missverhältnisse deutlicher. Dann gibt es ganze Landstriche, wo sich die Kontrolleure nicht nur auf Monate, sondern auf Jahre nicht blicken lassen. Was für Meißen verblüfft, wo ja nun gerade dort diverse konservative Politiker massive Ängste schüren. Aber wenn so selten Kontrollen (egal, ob angekündigt oder nicht angekündigt) stattfinden, können die meisten Waffenbesitzer dort damit rechnen, dass sie nie kontrolliert werden. Oder rechnerisch einmal in 570 Jahren.
Das passt alles hinten und vorne nicht zusammen. Es gibt keine Kontrollsystematik und damit auch kein verlässliches Zahlenwerk, auf das sich der Innenminister berufen könnte, wenn er behaupten wollte, in Sachsen sei alles in Ordnung.
Die Anfrage von Eva Jähnigen zum Waffenbesitz in Sachsen 2013.
Die Anfrage von Valentin Lippmann zum Waffenbesitz in Sachsen 2014 und 2015.
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