Wie es wirklich war, wird auch André Schollbach, Abgeordneter der Linken im Sächsischen Landtag, wohl nie erfahren. Es sei denn, Stanislaw Tillich schreibt in 20 Jahren mal drüber in seinen Tagebüchern, die die Sächsische Staatskanzlei ein bisschen bezuschussen wird, weil seine Tagebuchaufzeichnungen so eminent wichtig für die Forschung sind. So wie die Tagebücher von Kurt Biedenkopf eben.

Die sorgen ja bekanntlich seit Oktober für ein bisschen Aufregung, seit der “Spiegel” über die ungewöhnliche Finanzierung der Bücher berichtete. Der Inhalt selbst scheint – anders als bei den Kohl-Tagebüchern – niemanden groß aufzuregen. Es sind keine Überraschungen drin. Oder vielleicht liest auch gar keiner die Bücher, weil niemand Überraschungen erwartet. Vielleicht haben sich ein paar Forscher die Bände gesichert, um zu analysieren, welche Rolle Kurt Biedenkopf tatsächlich gespielt hat, als das besondere sächsische Politikmodell Anfang der 1990er entwickelt wurde, das im Jahr 2015 so befremdlich wirkt.

Aber ob die Tagebuchseiten, die eher nach umformulierten Reden aus dem politischen Alltagsgeschäft der frühen 1990er Jahre klingen, diese Analysen überhaupt ermöglichen, darf wohl bezweifelt werden. Dazu ist der Stoff zu dröge.

Was erst recht die Frage aufwirft: Warum wird so eine Publikation dann mit über 300.000 Euro bezuschusst, wenn nicht mal ein kleiner Funke drinsteckt, der die sächsischen Leser im Jahr 2015 noch einmal vom Hocker reißen könnte?

Eine Frage, die sich André Schollbach nun seit zwei Monaten stellt und die er in immer neuen Anfragen an die Staatsregierung formuliert. Er will unbedingt herausbekommen, wer die Gelder für das Buchprojekt bewilligt hat – deutlich mehr Geld übrigens, als die anderen sächsischen Projekte zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution und zu 25 Jahre deutsche Einheit bekommen haben.

Aber auch nach der jüngsten Antwort ist er der Sache nicht näher gekommen, stellt er nun fest.

“Die Antwort auf die Fragen zur Rolle von Ministerpräsident Tillich bei der Finanzierung der Biedenkopf-Tagebücher mit staatlichen Geldern ist an Dürftigkeit kaum zu überbieten. Wer auf diese Art antwortet, hat offenbar etwas zu verbergen”, zieht Schollbach seine eigenen Schlüsse aus der Antwort. “Die Staatsregierung mauert in aufreizend-provokativer Weise. Da ist sie jedoch bei mir an den Falschen geraten. Diese Antwort fordert zu weiteren Fragen heraus. Notfalls kann eine ordnungsgemäße Beantwortung Kleiner Anfragen auch auf anderem Weg durchgesetzt werden. Der Rolle von Ministerpräsident Tillich bei der Förderung des Buches seines CDU-Parteifreundes Kurt Biedenkopf mit staatlichen Geldern werde ich jedenfalls weiter auf den Grund gehen.“

Im Oktober war bekannt geworden, dass der Freistaat Sachsen Steuergeld im Umfang von mehr als 300.000 Euro für zwei der drei Bände von Kurt Biedenkopfs Tagebüchern ausgab. Die Staatskanzlei bedachte dazu die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung.

Dieser Vorgang rieche nach parteipolitischer Korruption, fand Schollbach und richtete im Oktober extra eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung. Aus der Antwort ergab sich, dass die Staatsregierung vom 18. November 2013 bis zum 30. September 2015 insgesamt 307.900 Euro in sieben Raten an die Konrad-Adenauer-Stiftung für die Biedenkopf-Tagebücher überwies. Aber auf die Frage nach den für die Entscheidung Verantwortlichen antwortete die Staatsregierung nur: “Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Entscheidung Anfang Juli 2013 durch den damaligen Chef der Staatskanzlei getroffen wurde.”

Daraufhin hakte Schollbach mit weiteren Kleinen Anfragen zur konkreten Rolle von Ministerpräsident Stanislaw Tillich bei der Förderung der Biedenkopf-Bücher nach. Die nun von Staatskanzleichef Fritz Jaeckel erteilte Antwort: “Der Wunsch des ehemaligen Ministerpräsidenten, Prof. Kurt Biedenkopf, dessen persönliche Aufzeichnungen nach wissenschaftlicher Aufbereitung für eine Publikation vorzubereiten, war Herrn Ministerpräsidenten Tillich bekannt.”

Aus einer anderen aktuellen Antwort auf eine Schollbach-Anfrage ergibt sich, dass mehrere hochrangige Ministerialbeamte mit der staatlichen Finanzierung der Biedenkopf-Tagebücher befasst waren. Diese Thematik war in der Hierarchie der sächsischen Ministerialbürokratie weit oben angebunden.

Insofern stelle sich umso mehr die Frage nach der Rolle von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, ist Schollbachs Fazit aus der Sache.

Antwort vom 31. Oktober 2015.

Antwort vom 10. Dezember 2015.

Weitere Antwort vom 10. Dezember 2015.

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