Am Mittwoch, 16. Dezember, wurde im sächsischen Landtag über das "Gesetz zur Stärkung der kommunalen Investitions- und Finanzkraft" diskutiert - das ist das schöne 800-Millionen-Euro-Investitionspaket, das die sächsische Staatsregierung seit ein paar Wochen als Meisterstreich der höheren Finanzkunst anpreist. Die Großstädte des Landes werden dafür richtig bluten.
Aber auch für die neue Bevormundung der Kommunen gab es im Landtag deftige Kritik. Denn eigentlich hat sich der Freistaat damit, dass er 322 Millionen Euro, die eigentlich sowieso den Kommunen zustehen, einfach in sein Paket gesteckt hat, vergriffen.
“Aber es kommt noch besser: 322 Millionen Euro stammen aus dem kommunalen Vorsorgevermögen. D. h. dieses Geld wurde den Kommunen erst vom Freistaat weggenommen, nur damit es CDU & Co. jetzt der Öffentlichkeit mit viel Tamtam als Investitionspaket verkaufen können”, kritisierte der Abgeordnete der Linken, André Schollbach, das Paket. Statt die Kommunen selbst entscheiden zu lassen, was sie mit den 322 Millionen Euro anfangen wollen, wird es jetzt in einen Fonds gesteckt, der nur für (Bau-)Investitionen zur Verfügung steht.
“Wir wissen noch nicht, wie viel wohin wandern wird. Übrig bleibt trotzdem einiges. Und was passiert nun damit? Fließt es in Köpfe, in Talente, in Netzwerke, in Kreativität, in die Jugend? Nein. Es fließt zweckgebunden in die Sondervermögen, die mit dem vorliegenden Gesetz geschaffen werden. Irgendwie klingt das alles sehr 90er”, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Schubert. “Die Bundesregierung hat Sachsen 155,7 Millionen Euro für Investitionen in Kommunen zur Verfügung gestellt. Es gibt keinen Grund, warum Sie weitere 664,3 Millionen Euro in Beton ‘versenken’ wollen. Es enttäuscht mich, dass so wenig aus Sachsens politischen Entscheidungen in den 90er Jahren und den daraus folgenden Konsequenzen gelernt wurde.”
Das Problem der Kommunen in Sachsen ist schon lange: Das meiste Geld wird von Pflichtaufgaben gefressen. Für Investitionen bestehen immer kleinere Handlungsspielräume.
“Ich weiß, was Ergebnishaushalte und Finanzhaushalte be- und entlastet. Und ihr Gesetz drückt trotz Nachbesserungen auf den Ergebnishaushalt – und das langfristig. 85 Prozent der Mittel in den kommunalen Haushalten gehen für laufende Kosten drauf. Hier brauchen die Kommunen Unterstützung”, benannte Franziska Schubert ein Thema, das auch durch den jüngsten Bericht des Landesrechnungshofes wieder sichtbar wurde: Viele Kommunen tun sich schwer mit der doppischen Haushaltsführung, weil diese letztlich dazu zwingt, die Wertabschreibungen für in der Vergangenheit getätigte Bauten jetzt jährlich durch neue Investitionen auszugleichen. Hier wird die Besessenheit der sächsischen Staatsregierung von hohen Investitionsquoten sichtbar. Franziska Schubert: “Wir müssen uns dringend über gesunde Investitionsquoten unterhalten und ich weiß, dass der Finanzminister da ganz nah bei mir ist, wenn ich sage, dass eine überhöhte Investitionsquote ungesund ist.”
Nur: Gerade die Kommunen, die in den nächsten Jahren zwingend auf gewaltige Investitionen angewiesen sind, denen wird das dafür benötigte Geld jetzt einfach entzogen. Ein Thema, bei dem André Schollbach sehr deutlich wurde: “Soviel zum Thema Mogelpackung. Jetzt zum eigentlichen Problem. Im Windschatten des Investitionspakets soll eine massive dauerhaft wirkende strukturelle Umverteilung der kommunalen Finanzmittel weg von den eher linken Großstädten hin zu den konservativ geprägten Landkreisen und kleineren Kommunen organisiert werden.”
Der Protest gegen diesen Verschiebebahnhof aus dem Leipziger Rathaus war eher verhalten, während der neu gewählte Dresdner OBM sehr deutlich sagte, was er von diesem Mittelentzug hält: gar nichts. Als FDP-Mann ist er nicht so sehr dem typisch sächsischen Clinch zwischen einer CDU-Landesregierung mit den sozialdemokratisch regierten Großstädten ausgesetzt. Und Politik wird in Sachsen übers Geld gemacht. Wenn Leipzig nicht spurt, werden eben mal die Fördermittel gestrichen – zuletzt wieder erlebt beim Schulhausbau. Die Prügel dafür, dass das Bauprogramm in Leipzig nicht schnell genug voran geht, bekommt der Leipziger Oberbürgermeister, nicht die Landesregierung, die die Fördertöpfe kleingerechnet hat.
“Hier treten einmal mehr die Auswüchse und Deformierungen der Demokratie nach sächsischer Art zutage”, sagte André Schollbach am Mittwoch. “Denn anstatt diese grundlegende Frage der Kommunalfinanzierung, die zu weitreichenden Konsequenzen führt, transparent und öffentlich zu diskutieren, wurde eine heimliche Nebenabrede im Verborgenen ausgekungelt und dort wo nötig, massiver Druck ausgeübt. Ein Sachverständiger sprach in der Expertenanhörung angesichts dieses Vorgehens von einer ‘Blackbox’ im ‘vordemokratischen Raum’.”
Und was wird das heißen für drei Großstädte, die alle ein großes Wachstumsprogramm zu bewältigen haben?
“Den drei Großstädten werden ab 2017 über das sächsische Finanzausgleichsgesetz jährlich 40 bis 60 Millionen Euro entzogen”, benannte Schollbach die Zahlen. “Für die Städte Leipzig und Dresden bedeutet das für den Zeitraum von 2017 bis 2020 einen Verlust in Höhe von jeweils 80 Millionen Euro. Damit werden die positiven Effekte aus dem kommunalen Investitionspaket deutlich konterkariert. Was die genannten Städte vom Freistaat zusätzlich in die linke Tasche bekommen, wird ihnen im selben Atemzug wieder aus der rechten Tasche genommen.”
Aber dabei bleibt’s ja nicht. Die Nebenabsprache gilt auch nach 2020 weiter.
“Die wirkliche Dramatik dieser Weichenstellung wird aber erst 2021 spürbar. Denn dann gibt es kein Geld mehr aus dem kommunalen Investitionspaket, aber die strukturelle Umverteilung läuft unvermindert weiter”, so Schollbach. “Das bedeutet nach Lage der Dinge für die Städte Leipzig und Dresden allein für den Zeitraum von 2021 bis 2025 jeweils einen realen negativen Effekt von 100 Millionen Euro. Das würde die finanzielle Handlungsfähigkeit dieser Städte deutlich einschränken. Gleichzeitig sind sie aufgrund der stetig wachsenden Bevölkerung erheblichen finanziellen Belastungen und Investitionserfordernissen ausgesetzt. Und dennoch organisieren CDU & Co. sehenden Auges ein riesiges Problem und das aus rein parteipolitischem Kalkül. Das ist verantwortungslos.”
Oder um es einfach mal für Leipzig runterzurechnen: 90 Millionen Euro weniger. Rein rechnerisch sind das knapp vier Schulen. Oder drei bis vier Naturkundemuseen, je nachdem, wie modern sie werden sollen.
„Mit dem Investitionspakt ‚Brücken in die Zukunft‘ reagieren wir auf aktuelle Herausforderungen unserer Zeit“, verteidigte zumindest Mario Pecher, Haushaltssprecher der SPD, das Paket am Mittwoch im Landtag. “Wir haben nicht nur versprochen. Wir haben gearbeitet. Und letztendlich werden wir mit diesem Gesetz liefern. Hier und heute. – Das Ziel ist es, Investitionen und Instandhaltungen vor Ort zu befördern, in unserer Heimat. Und das über einen längeren Zeitraum. – Das alles, was wir hier tun, ist unbeschadet dessen, was wir politisch im nächsten Doppelhaushalt in Fachförderprogrammen verhandeln werden. Wir nehmen nichts im Vorgriff weg. Wir stellen echte zusätzliche Mittel bereit und tangieren nicht die politische Willensbildung der Fachpolitiker aller Fraktionen für die nächsten Doppelhaushalte. – Wir haben ein Gewinnerpakt geschnürt, von dem jeder partizipieren kann. Jeder, der einigermaßen einen Taschenrechner bedienen kann, wird das bestätigen können.“
Und auch von Jens Michel, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, gab es eine Tüte Selbstlob: “Mit der Verabschiedung des Gesetzes haben wir eine wirkliche Brücke in die Zukunft gebaut. Jedes Bauwerk benötigt ein stabiles Fundament. Das ist beim Freistaat Sachsen die solide Finanzpolitik seit 1990. Gleichzeitig können wir von der guten konjunkturellen Situation profitieren. – Mit der Zustimmung zum Gesetzentwurf werden aus 39 Euro investiv eng begrenzter Bundesmittel pro Bürger rund 200 Euro pro Bürger mit einer weiten investiven Verwendungsbreite. Gerade den Investitionsbegriff haben wir nach der Anhörung noch mal vereinheitlicht, so wie wir mehrere Anregungen aus der Anhörung aufgegriffen haben. – Wir reichen nicht nur Geld des Bundes an die Kommunen weiter, sondern veredeln diese Zuwendungen, die die Menschen vor Ort direkt zu spüren bekommen werden.“
Rein semantisch sind einfach zu viele “wir” in diesen Sätzen. Das klingt beinah königlich. Und sehr vormundschaftlich.
Es gibt 2 Kommentare
Klaus Richard Grün
Als Reverenz dafür, dass Sie auftreten wie Sie auftreten (penetrant, hochmütig, selbstherrlich, etc.), verweißen Sie beharrlich aber einzig, wie gefangen in einer Endlosschleife, auf Ihr Büchlein.
Dieses erreichte in drei Jahren bescheidene acht Rezesionen. Darüber hinaus heißt es in der Kurzbeschreibung, “Kein Fachbuch.”
Warum lassen Sie’s nicht einfach sein, sich als Wissender und Sehender zu überschätzen? Bekennen Sie sich zu Ihrer Kleinheit und finden Sie Frieden. Es ist Weihnachtszeit, ideal, probieren Sie es einfach mal aus.
Ode arbeiten Sie doch daran, Ihr festgefahrenes Muster aufzulösen. Ewig anderen vorwerfen, was Sie ggf. an sich selbst nicht mögen. Es wäre ein Gewinn, wenn Sie aufhörten, in lauten Tönen anderen Leuten vorzuwerfen, diese würden in lauten Tönen ….
So poltern Sie aktuell mit Ihrem Vorwurf, “…Eine miserable fachliche Vorstellung, auch bzw. besonders der sogenannten Finanzexperten der Parteien…”
Als was stellen denn Sie sich dar, treten Sie denn hier auf, wenn denn nicht als ein “sogenannter Finanzexperte”?
Merken Sie jetzt selbst wie sehr das stinkt?
Sie sind derart einfach gestrickt, dass müsste doch schon weh tun.
“Viele Kommunen tun sich schwer mit der doppischen Haushaltsführung, weil diese letztlich dazu zwingt, die Wertabschreibungen für in der Vergangenheit getätigte Bauten jetzt jährlich durch neue Investitionen auszugleichen.”
Es ist erstaunlich, wie man als als finanzpolitische Sprecherin der Grünen solche absurden Zusammenhänge herstellt.
Aber mich wundert bei dieser Thematik nichts mehr.
Diejenigen, die sich tatsächlich mit der doppischen Haushaltsführung schwer tun sind nicht die Kommunen, sondern die Politiker, da diese nicht einmal über grundlegende Kenntnisse verfügen. Sie haben den Kommunen letztlich die Suppe mit der Änderung der Buchführung eingebrockt und schwingen nun große Töne. Eine miserable fachliche Vorstellung, auch bzw. besonders der sogenannten Finanzexperten der Parteien.