Am 31. Oktober berichtete die L-IZ schon einmal kritisch über das von der Staatsregierung angepriesene 800-Millionen-Euro-Investitionspaket für die Kommunen. Ein Paket, das schon beim ersten Hingucken zusammenschnurrte auf ganze 322 Millionen Euro, die der Freistaat auch ohne dieses Paket als Investitionsförderung ausgereicht hätte. Aber bei genauerem Hinsehen ist alles noch viel schlimmer, meldet jetzt Dresden.

In diesem Fall nicht die Landesregierung, sondern die Stadt Dresden. Dort ist man über eine Nebenabrede gestolpert, die gerade die sächsischen Großstädte bluten lässt. Statt mehr Geld zu bekommen, wie es die Meldung der Staatsregierung eigentlich verhieß, wird Dresden, Leipzig und Chemnitz sogar noch Geld weggenommen.

Das vom Freistaat vorgelegte Finanzierungsprogramm „Brücken in die Zukunft“ erweist sich bei näherem Hinsehen als ein Programm ausschließlich für die Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden, kommentiert die Landeshauptstadt das Programm jetzt in einer Pressemeldung. Die drei kreisfreien Städte in Sachsen, die gegenwärtig eine besonders dynamische Bevölkerungsentwicklung verzeichnen und deshalb für den Bau von Kindertageseinrichtungen und Schulen sorgen müssen und hohe Soziallasten zu tragen haben, gehen bei diesem Programm – genauer formuliert: durch eine mit diesem Programm verknüpften „Nebenabrede“ – nicht nur leer aus, sondern zahlen mittelfristig sogar zu.

“Das Investitionsprogramm ‘Brücken in die Zukunft’ ist nur dann ein wirklich überzeugendes sächsisches Investitionsprogramm, wenn auch die rund 1,3 Millionen Sächsinnen und Sachsen aus den kreisfreien Städten hiervon profitieren können. Das heißt, die sogenannte Nebenabrede zur Umverteilung von Geldern aus dem Finanzausgleich muss ersatzlos entfallen!“, erklärt dazu der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert.

Wie setzen sich die jetzt von Freistaat avisierten Geldmittel zusammen?

Von den 800 Millionen Euro, die das Programm „Brücken in die Zukunft“ umfassen soll, stehen 478 Millionen Euro sowieso den Städten, Gemeinden und Landkreisen in Sachsen zu. 322 Millionen Euro werden nämlich aus dem Topf finanziert, der für den bereits jetzt gesetzlich geregelten Finanzausgleich zwischen Freistaat und Kommunen für die Jahre 2017 bis 2019 vorgesehen war. Das sind die sogenannten FAG-Mittel.

Weitere 156 Millionen Euro stammen aus einem extra für kommunale Investitionen ins Leben gerufenen Fonds des Bundes. In dem Programm „Brücken in die Zukunft“ stecken also nur 322 Millionen Euro an „eigenem“ Geld des Freistaates, die dort aus den in diesem Jahr stark gestiegenen Steuereinnahmen abgezweigt werden müssen.

Die Abzweigung von 322 Millionen Euro an die sächsischen Kommunen hat allerdings einen Pferdefuß, kommentiert die Dresdner Verwaltungsspitze jetzt den eigentlich prekären Vorgang: Der Freistaat knüpft diese Zahlung an eine Bedingung in einer sogenannten Nebenabrede, wonach den Städten Chemnitz, Leipzig und Dresden zukünftig 40 bis 60 Millionen Euro jährlich entzogen und auf Landkreise und kreisangehörige Gemeinden verteilt werden sollen.

Doch während das Programm „Brücken in die Zukunft“ im Jahr 2020 endet, bleibe diese Umverteilung von Geldmitteln aus den kreisfreien Städten in den ländlichen Raum dauerhaft bestehen. Für die Kreisfreien Städte bleibt das vom Freistaat aufgelegte Programm in den Jahren bis 2020 ein Nullsummenspiel, weil sie bei genauem Hinsehen durch die Umschichtungen genauso viel verlieren, wie sie durch das Programm an Mehreinnahmen erzielen. Spätestens ab 2021 zahlen die Großstädte massiv zu, kommentiert Dresden das Ganze.

Im Ergebnis landet der Beitrag des Freistaates in den Jahren 2016 bis 2020 praktisch vollständig bei den Landkreisen und im kreisangehörigen Raum. Die Städte Chemnitz, Dresden und Leipzig gehen leer aus und müssen dazu noch ab 2021 zusehen, wie sie die mit dem Bevölkerungszuwachs verbundenen stark steigenden finanziellen Belastungen mit weniger Geld stemmen.

Wenn die sächsische Landesregierung also von Kommunen spricht, meint sie stets nur die Landkreise. Anders kann man die Aussage von Martin Dulig, stellvertretender Ministerpräsident, vom 29. Oktober nicht interpretieren: „Freistaat und die kommunale Familie sind gewillt und in der Lage, die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu meistern. Mit dem geplanten Investitionspaket wollen wir die Kommunen bei der Bewältigung der größer gewordenen Aufgaben unterstützen. In den kommenden Jahren werden die Kommunen nun Planungssicherheit haben. So können wir das Land erfolgreich weiterentwickeln.“

Nachtrag. 3. November, 17.00 Uhr

Vielleicht klärt sich ja alles noch auf. Am Donnerstag, 5. November, haben die finanzpolitischen Sprecher von CDU- und SPD-Faktion in Dresden zum Pressegespräch  eingeladen. Dem werden dann auch die Grünen aufmerksam lauschen, denn die haben so ihre eigenen Bauchschmerzen mit dem Geldpaket, das hier einfach mal ohne Landtagsabsprache zusammengeschnürt wurde.

Das Statement von Franziska Schubert, finanz- und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zum 800-Millionen-Euro-Investitiondspaket:

“Als Landtagsabgeordnete und Mitglied des Haushaltsausschusses liegen mir nach wie vor keine belastbaren Informationen vor. Ich fordere von Finanzminister Prof. Georg Unland (CDU) eine zügige Vorlage des Entwurfs. Ich will wissen, woher das Geld kommt und wofür es verwendet werden soll und welchen Preis die Kommunen tatsächlich zahlen werden.

Die Staatsregierung bedient sich bei ihrem Anteil am Investitionspaket aus bereits verplanten Mitteln des Haushalts für das Jahr 2015. Da der Freistaat in diesem Jahr von Januar bis Ende April keinen beschlossenen Haushalt hatte, konnte Finanzminister Prof. Georg Unland sparen. Denn: durch die vorläufige Haushaltsführung in dieser Zeit mussten nur Aufgaben finanziert werden, zu denen der Freistaat gesetzlich verpflichtet war. Der Finanzminister wusste also schon zum Jahresbeginn, dass das Jahr 2015 erhebliches Einsparpotential bietet. Es bestünde die Möglichkeit, den eingesparten Betrag für in 2015 vorgesehene Aufgaben in das Jahr 2016 zu übertragen. Staatsminister Unland hat sich entschieden, die Mittel aus diesem Verfahren herauszunehmen und lieber medienwirksam als den Landesanteil am Investitionspaket zu präsentieren.

Nun wird das Investitionspaket öffentlichkeitswirksam als Wohltat der CDU/SPD-Koalition verkauft. Da frage ich mich, mit welcher Begründung: 19,5 Prozent der Mittel stammen vom Bund, die 40,25 Prozent vom Freistaat sind in Wahrheit keine neuen Mittel und die Finanzierung des kommunalen Anteils von 40,25 Prozent erfolgt über eine Änderung des FAGs.

Ende April 2015 wurde durch den Landtag das Haushaltsgesetz beschlossen. Dieses regelt, wie in den folgenden zwei Jahren welche Aufgaben finanziert werden. Ich betrachte das als verbindlich. Ein halbes Jahr später erfahre ich aus den Medien, dass Finanzminister Prof. Georg Unland (CDU) einen Teil der Mittel gerne nochmal, anders und vor allem später verwenden möchte.

Ich hoffe sehr, dass es nicht wieder nur Investitionen in Beton sein werden – ganz zu schweigen davon, was solche Investitionen an Folgekosten nach sich ziehen. Das muss ja auch alles erhalten werden. Damit werden die Kommunen dann vermutlich wieder allein gelassen.”

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