Sachsen hat von 1991 bis 2014 mehr als 17 Milliarden Euro an Fördermitteln vom Bund für die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaft (GRW) erhalten. Damit ging jeder vierte Euro aus diesem Fördertopf nach Sachsen. Das ist eine Menge Geld, von dem die haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Schubert, doch gern wissen wollte, wie viele Arbeitsplätze dadurch entstanden.
Sie wollte auch gern wissen, in welchen Kommunen dabei die größten Effekte erzielt wurden. Aber beide Fragen hat Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) ihr nicht beantwortet. “Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Zahl der geschaffenen Dauerarbeitsplätze einzelner Begünstigter besteht nicht”, erklärte Martin Dulig. “Die Sächsische Staatsregierung ist jedoch gern bereit, in einer nichtöffentlichen Sitzung die gewünschte Auskunft über die Anzahl der geschaffenen Dauerarbeitsplätze zu erteilen.”
Was Franziska Schubert etwas irritiert: Da hat er also die Zahlen, will sie aber nicht öffentlich machen?
“Ich bin überrascht, wie einfach es sich Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bei der Beantwortung gemacht hat. Er erklärt, dass er nicht verpflichtet sei, die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze zu veröffentlichen. Er könnte sich aber vorstellen, in einer nicht öffentlichen Ausschusssitzung darüber zu berichten. Da stellt sich dann schon die Frage, warum der Minister sich nicht öffentlich zu den Ergebnissen der seit Jahren erfolgten Investitionen äußern möchte. Warum wird hier gemauert? Wurden die Prioritäten falsch gesetzt? War es ein Fehler, ganze Branchen von der Förderung auszuschließen? Wurden die durch die Fördermittelvergabe angestrebten dauerhaften Arbeitsplätze schlicht und ergreifend nicht geschaffen?”, wundert sich die Abgeordnete. “Ich sehe es äußerst kritisch, wenn die Staatsregierung behauptet, dass sie nur Auskunft zur Höhe der gewährten Fördermittel, nicht aber zur Anzahl der geschaffenen Dauerarbeitsplätze geben muss. Es gibt keinen Grund, warum die Staatsregierung nur in einer nicht öffentlichen Ausschusssitzung über die Ergebnisse der Förderung berichten möchte. Ein verantwortungsvoller, transparenter und nachhaltiger Umgang mit Fördermitteln ist zwingend. Dazu gehören auch die öffentliche Berichterstattung und die Evaluierung von Förderprogrammen. Ich fordere Minister Dulig auf, öffentlich Zahlen und Fakten zu benennen. Das sind wir den Steuerzahlern schuldig.”
Es kann aber auch andere Gründe haben, warum der Wirtschaftsminister lieber nicht öffentlich darüber berichten will, was bei der Mittelverteilung in Verantwortung seiner Amtsvorgänger herausgekommen ist. Denn mögliche Einblicke ins sächsische Geldverteilsystem könnten auch zutage bringen, dass einige Regionen und Unternehmen bei der Mittelvergabe überproportional bevorteilt wurden – mit durchaus spürbaren Nachteilen für jene Regionen, die bei der Mittelvergabe das Nachsehen hatten.
Es könnte sich aber auch ergeben, dass die Mittel keineswegs erfolgreich eingesetzt wurden und die Zahl der entstandenen Arbeitsplätze eher überschaubar ist.
Ziel der “Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” (GRW) ist es, Investitionen in den einzelnen Regionen zu fördern, um zusätzliches Einkommen innerhalb einer Region zu generieren und strukturschwache Regionen an die allgemeine Wirtschaftsstruktur heranzuführen. Von 1991 bis 2014 wurden insgesamt 68,979 Milliarden Euro GRW-Förderung ausgereicht. 88,7 Prozent der GRW-Mittel gingen davon nach Ostdeutschland. Den Löwenanteil davon hat Sachsen erhalten: 17,310 Milliarden Euro.
Und das, obwohl einige Branchen von vornherein von der Förderung ausgeschlossen wurden, die Recycling-Branche genauso wie die Beton- und Asphaltherstellung. Meist war es die eingeschränkte Standortwahl, die die Förderung ausschloss, oft auch der geringe Arbeitsplatzeffekt.
“Über die GRW werden gewerbliche Investitionen und Investitionen in die kommunale wirtschaftsnahe Infrastruktur, Maßnahmen zur Vernetzung und Kooperation lokaler Akteure sowie Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit bei kleinen und mittleren Unternehmen gefördert”, teilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zur GRW-Förderung mit. Da sollen “leistungsfähige kommunale wirtschaftsnahe Infrastrukturen” geschaffen werden, um “die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Unternehmen” zu fördern und die “Wettbewerbsfähigkeit strukturschwacher Regionen” zu verbessern. Schon das ein Feld mit einer Menge Fragen: Kann es sein, dass eine Menge Fördergeld in Infrastrukturen in Regionen gesteckt wurden, wo sich heute noch die Depression breit macht und von Wettbewerbsfähigkeit keine Rede sein kann?
Und was haben die “Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen” gebracht?
Hat die Förderung vielleicht dem Tourismus in Sachsen ein bisschen geholfen, wolle Franziska Schubert ganz konkret wissen.
“Ich habe auch nachgefragt, inwiefern die Investitionen in den Tourismusregionen seit 2007 zu einer Erhöhung der Übernachtungszahlen und zur Gewinnung neuer Gästegruppen beigetragen haben. Auch hier verweigert die Staatsregierung die Auskunft. Sie könne nicht sagen, ob die seit 2007 erfolgten Investitionen zu einer Erhöhung der Übernachtungszahlen, zum Gewinn neuer Gästegruppen oder zu einer Saisonverlängerung geführt haben”, so Schubert.
Der Bund hatte alle für eine Förderung geeigneten Branchen in einer Positivliste zusammengefasst. Sachsen hat von dieser Liste 14 Branchen (u.a. den Einzelhandel und den Versandhandel) von der Förderung ausgeschlossen bzw. die Fördermöglichkeiten eingeschränkt.
“Die Staatsregierung antwortet auf meine Frage dazu widersprüchlich: Einerseits sagt sie, dass Einzelhandel nicht gefördert werden könne, weil dieser regelmäßig keinen überregionalen Absatz erzielt. Versand- und Onlinehandel wiederum wird aber von der Förderung ausgeschlossen, weil dies dem Einzelhandel schaden würde. Beide Branchen von der Förderung auszuschließen mit Verweis auf den jeweils anderen, ist unlogisch – und widerspricht sich deutlich. Weiß der Minister, wovon er redet? Ich fordere hier vom Minister, die sächsische ‘Negativliste’ daraufhin zu prüfen, ob sie noch zeitgemäß ist.”
Ein paar Beispiele zur Verwendung von GRW-Mitteln in Sachsen finden sie unten in der Link-Liste.
Keine Kommentare bisher