Am Mittwoch, 9. August, haben wir den Offenen Brief von neun empรถrten Leipzigern an den sรคchsischen Ministerprรคsidenten Stanislaw Tillich (CDU) verรถffentlicht, in dem sie den mehr als dilettantischen Umgang mit der Flรผchtlingssituation in Sachsen anprangern. Aber sie hรคtten auch gleich einen an den Bundesinnenminister Thomas de Maiziรฉre schicken kรถnnen. Denn der ist fรผr einen groรen Teil der Tragรถdie hauptverantwortlich.
Denn er ist dafรผr verantwortlich, dass das zustรคndige Bundesamt fรผr Migration und Flรผchtlinge genug Personal hat, um die Asylantrรคge zu bearbeiten und die Bearbeitungszeiten kurz zu halten. Keinen Spruch hรถrt man von sรคchsischen CDU-Abgeordneten hรคufiger als die immer neue Forderung, die Bearbeitungszeiten zu verkรผrzen. Doch das geht nur mit mehr Personal, wenn die Flรผchtlingszahlen steigen. Und genau da hat der zustรคndige Innenminister in Berlin augenscheinlich nicht vorgesorgt. Seit รผber einem Jahr nicht vorgesorgt.
Das Ergebnis aber will sein Parteikollege im sรคchsischen Amt des Innenministers, Markus Ulbig, nicht preisgeben. Mittlerweile ist er geรผbt darin, Antworten komplett zu verweigern. So hat es jetzt die Grรผnen-Abgeordnete Petra Zais erfahren. Sie wollte einfach mal wissen, was am ganzen Geschwรคtz der Regierenden dran ist, wenn es um die ewigen Tiraden รผber abgelehnte Antrรคge und vollzogene Rรผckfรผhrungen geht. Irgendwo muss es doch Zahlen geben, wenn jede Woche ein anderer Christdemokrat darรผber lamentiert, dass nicht schnell genug abgeschoben werde.
Aber an dem ganzen Geschwรคtz ist augenscheinlich nichts dran.
Denn obwohl immer mehr Flรผchtlinge, vor allem Syrerinnen und Syrer, schon รผber ein Jahr auf die Entscheidung ihrer Asylantrรคge warten, kommt die Bearbeitung der Antrรคge nicht hinterher, weil es an Bearbeitern aus dem BAMF fehlt.
โFast tรคglich berichten mir Flรผchtlinge davon, dass sie noch immer auf die Entscheidung ihres Asylantrages warten โ mitunter schon seit mehr als einem Jahr. Angesichts der angespannten Situation bei der Erstaufnahme von Asylsuchenden ist das nicht lรคnger zu tolerierenโ, sagt Petra Zais, migrationspolitische Sprecherin, dazu. โDie Flรผchtlinge mit einer sehr guten Bleibeperspektive sollten so schnell wie mรถglich Sicherheit hinsichtlich ihres Aufenthaltes in Deutschland erlangen. Das hilft den Flรผchtlingen, entlastet aber auch den Freistaat und die Kommunen, da diese dann nicht mehr originรคr fรผr deren Unterbringung sorgen mรผssen.โ
Aber wer regelt das? Natรผrlich der Bundesinnenminister, der in den letzten Wochen gern wieder den harten Mann markierte. Doch wenn die Antrรคge nicht bearbeitet werden, spitzt sich die Situation in der Erstunterbringung immer weiter zu und immer neue Provisorien werden aus dem Boden gestampft, weil deutsche Bรผrokratie an ihre Grenzen stรถรt.
โMinisterprรคsident Stanislaw Tillich muss sich gegenรผber der Bundesregierung fรผr unbรผrokratische Entscheidungen der Altfรคlle einsetzenโ, fordert Zais. โSonst entsteht eine noch hรถhere Zahl von nicht bearbeiteten Fรคllen, und die Altfรคlle geraten erneut in Vergessenheit. Das ist aus meiner Sicht nicht mehr zu vermitteln. Fรผr die betroffenen Flรผchtlinge aus Syrien verzรถgert sich durch die Nichtentscheidung ihrer Antrรคge auch der Nachzug ihrer Familien, was die oft traumatisierten Flรผchtlinge zusรคtzlich belastet.โ
Konkrete Zahlen liegen der Abgeordneten nicht vor, da Innenminister Markus Ulbig (CDU) in einer Antwort auf ihre Kleine Anfrage auf die Zustรคndigkeit des Bundes verwies. Wie er das immer gern tut, wenn es eigentlich doch sein Arbeitsgebiet betrifft. Denn mit den Zahlen muss er planen, muss er Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen und den Kommunen konkrete Planzahlen geben, wie viele Asylsuchende sie aufzunehmen haben. Ein Minister versteckt sich hinterm anderen.
โDas Problem muss aber auch uns in Sachsen interessieren, da die Altfรคlle im System der Erstaufnahme verbleiben. Wenn die Logik, der anwachsenden Zahl der aufgenommenen Flรผchtlinge bei nicht mithaltenden Kapazitรคten fรผr die Entscheidungen nicht endlich durchbrochen wird, wird das System kollabierenโ, benennt Petra Zais den simplen Grund, warum Markus Ulbig die Zahlen eigentlich kennen mรผsste. Wenn er die Zahlen nicht kennt, ist erklรคrlich, warum seine Asylpolitik derart aus dem Ruder gelaufen ist. Wenn er sie kennt, ist die Interpretation noch viel schlimmer.
Und es entsteht eine Grauzone, in der sich viele Asylsuchende fรผhlen dรผrften wie bei Kafka oder in der Vorhรถlle. Woher Markus Ulbig da die Hoffnung nimmt, er kรถnne die Antragsteller dann schneller in die Kommunen verteilen, ist ein Rรคtsel.
โDass die Bundesregierung die Verweildauer in der Erstaufnahme auf sechs Monate ausdehnen will, ist angesichts der angespannten Unterbringungssituation der falsche Schrittโ, kritisiert die Abgeordnete. โDies steht auch im Widerspruch dazu, dass die Staatsregierung eher an eine schnellere Aufteilung an die Kommunen denkt, wie den Medienberichten zur gestrigen Sitzung des Lenkungsausschusses zu entnehmen ist.โ
Aber Menschen, รผber deren Antrag seit Monaten nicht entschieden wurde, kann er nicht aufteilen. Das nennt man dann wohl ein selbstorganisiertes Dilemma.
Die Nicht-Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais (GRรNE) โDauer des Asylverfahrens bei Geflรผchteten aus Syrienโ (Drs 6/2393)
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=2393&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher
Wรคhrend ich รผbrigens vom offenen Brief dieser neun empรถrten Bรผrger an den sรคchsischen Ministerprรคsidenten Stanislaw Tillich (CDU) nichts halte โ gar nichts, gefรคllt mir dieser Beitrag wesentlich besser. Er ist hilfreicher als dieser Brief, der letztlich im Reiรwolf landet. Wahrscheinlich wird es eine Antwort gegen, die der Pfรถrtner des Landtagsgebรคudes schreibt und von Herrn Tillich unterschrieben wird,
Weshalb haben diese empรถrten Bรผrger bisher keinen Brief an den sรคchsischen Finanzminister geschrieben, der lรคngst in der Versenkung verschwunden ist? Wahrscheinlich haben sie diese saumรครige Finanzpolitik in Sachsen noch gar nicht erkannt.