Jüngst erst erregte der Skandal um die Ermittlungen gegen Netzpolizik.org die Gemüter. Im Mittelpunkt der Debatte stand nur scheinbar Justizminister Heiko Maaß. David Schraven berichtete am 30. August auf Correctiv.org, dass ein ganz anderer Mann in der Bundesregierung die Strippen zieht, wenn es um Auskunftsverweigerung an Journalisten geht: Innenminister Thomas de Maizière (CDU), ein Hardliner aus Sachsen.

2013, zur Bundestagswahl, eroberte er ein Direktmandat im Landkreis Meißen. In Sachsen selbst hat er gleich ein Bündel von Ministerien geleitet (Sächsische Staatskanzlei, Ministerium der Finanzen, Justizministerium und bis 2005 das Innenministerium), bevor er zur Allzweckwaffe in den drei Regierungen Merkel in Berlin wurde. Und es sieht ganz danach aus, dass seine immer neuen Versuche, journalistische Recherchen zu unterbinden, finanziell oder juristisch abzuwürgen, jetzt auch in seiner Wahlheimat Sachsen treue Nachahmer finden.

Schon in der vergangenen Legislaturperiode zogen die Abgeordneten des Sächsischen Landtags vor Gericht, weil sich Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) augenscheinlich am großen Vorbild in Berlin orientierte und mit immer neuen Begründungen die Beantwortung nervender Abgeordnetenanfragen ablehnte. Mal ging es um einen dubiosen Geheimnisschutz, mal um das eigenständige Regierungshandeln, über das man keine Auskunft geben wolle, dann wieder erklärte sich der Minister einfach für nicht zuständig, weil die Daten aus externen Behörden und Einrichtungen abgefragt werden mussten.

In der neuen Regierung scheint nun auch Ulbigs Art, Anfragen einfach abzubügeln, Nachahmer zu finden. Selbst Fragen, die nun wirklich weitab von sächsischen Staatsgeheimnissen liegen, werden in langen Erklärungen abgewiesen.

Jetzt ist auch Susanne Schaper, Sozialexpertin der Linksfraktion im Landtag, sauer.

“Vier von fünf Kleinen Anfragen zu rentenpolitischen Themen, die ich jüngst zurückerhielt, wurden von der Staatsregierung nicht beantwortet – stets mit dem Verweis, man sei nicht zuständig, da sich die gesetzliche Rentenversicherung selbst verwalte. Das Befremdliche auch an diesem Beispiel ist: Als der Abgeordnete Dr. Dietmar Pellmann, in der 5. Wahlperiode Sozialpolitiker der Linken, seinerzeit wortgleiche Anfragen stellte, wurden diese noch beantwortet”, beschwert sich Schaper.

Die Regierung sei dem Landtag nur zu Antworten zu ihrer Amtsführung auskunftsverpflichtet, meint da Thomas Schmidt (CDU), der als Umweltminister stellvertretend die Anfrage zu den Neurentnern 2014 in Sachsen nicht beantwortet hat. Auch so kann man dafür sorgen, dass die Abgeordneten nicht mehr erfahren, welche sozialen Gemengelagen im Freistaat entstehen, nachdem nun die ersten Jahrgänge in Rente gehen, die von den Umbrüchen der 1990er Jahre gebeutelt wurden und mit heftigen Rentenabschlägen zu rechnen haben.

Ist das nur der Versuch, einen Teil des Regierungshandelns hinter Nebelschwaden verschwinden lassen zu wollen, oder testet Sachsens Regierung jetzt aus, bis zu welchem Punkt sie den gewählten Abgeordneten die reellen Informationen über den Zustand des Landes verweigern kann.

Transparenz sieht anders aus.

“Das Kontrollrecht des Landtages gegenüber der Staatsregierung kann nicht nach Belieben der Regierung ausgehebelt werden”, sagt Schaper. “Es ist vollkommen unabhängig von der Person der oder des fragestellenden Abgeordneten. Im konkreten Fall übt die Staatsregierung zumindest die Rechtsaufsicht über die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland aus und kann sich nicht auf deren Status der Selbstverwaltung zurückziehen. Würde die in Kritik stehende Beantwortungspraxis bestätigt, hieße das: Der Landtag hat keine Chance mehr auf Informationen, die für seine Entscheidungen maßgeblich sind, weil er keinen direkten Zugriff auf die Träger der Rentenversicherung hat. Gleiches gilt auch für den Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbereich.”

Auch so kann man ganze gesellschaftliche Bereiche aus den Augen der Öffentlichkeit verschwinden lassen. Wer will noch über die Nöte der sächsischen Neurentner reden, wenn es dazu nirgendwo mehr offizielle Zahlen gibt?

Mit Annekatrin Klepsch, Kerstin Köditz und Juliane Nagel klagen inzwischen drei Linke-Abgeordnete vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen gegen die Nichtbeantwortung von Anfragen. Neben dem Innenministerium tritt nun auch das Sozialministerium besonders negativ in Erscheinung, wenn es um die Missachtung des Informationsrechtes des Parlaments geht.

“Offenbar meint man dort, selbstherrlich entscheiden zu dürfen, was dem Landtag übermittelt wird und was nicht. Ich vertraue darauf, dass die Richterinnen und Richter dieser Praxis bald einen Riegel vorschieben werden. Die Opposition hat ein Recht auf Information, auch wenn das der Regierung gelegentlich unangenehm sein mag”, sagt Klepsch.

2014 wurde die Frage zu den Neurentnern noch beantwortet.

2015 lehnt die Staatsregierung die Anfrage zu den Neurentnern ab

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar