Am Mittwoch, 12. August, war Sachsens Umweltminister im Wald. Im Forstrevier Oberwiesenthal (Erzgebirgskreis) warb er für mehr Verständnis für Holzeinschlag, Waldbewirtschaftung und Waldumbau. Ein wichtiges Thema, wenn es darum geht, Sachsens Wälder fit zu machen für den Klimawandel. Aber wie sieht es mit dem Zuwachs von Wald aus, hatten kurz vorher die Grünen gefragt.

Auch das hat mit der Anpassung an den Klimawandel zu tun: Wald ist nun mal der beste Regulator für Klimaextremereignisse. Aber der sächsische Wald wächst nur langsam, stellt Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, fest: “Sachsen kommt dem bereits 2003 im Landesentwicklungsplan erklärten Ziel eines 30-prozentigen Waldanteils an der Landesfläche nur im Schneckentempo näher.”

Grund für seine Aussage ist die Antwort, die er jetzt von Umweltminister Schmidt zum sächsischen Wald bekommen hat. Natürlich war das 2003 verkündete Ziel mehr als ehrgeizig.

“In den letzten zehn Jahren gab es im Freistaat nur ganze 0,6 Prozent Waldwachstum”, kritisiert der Abgeordnete. “Während Sachsen im Jahr 2005 27,8 Prozent Waldanteil aufwies, waren es 2011 28,4 Prozent. Seit mittlerweile vier Jahren stagniert die Erhöhung des Waldanteils und liegt unverändert bei 28,4 Prozent.”

Eine Chance, das ehrgeizige Ziel von 30 Prozent zu erreichen, hätte der Freistaat gehabt, wenn er die Abholzung von Waldflächen hätte stoppen können. Aber das kollidiert ganz augenscheinlich mit dem Primat des Kohlebergbaus im Freistaat.

“Dass Sachsen nur so langsam seinen Waldanteil steigert, hat ganz konkrete Ursachen”, erläutert Günther. “Seit 2005 gingen allein durch den Braunkohleabbau mehr als 1.700 Hektar Waldfläche verloren. Durch den Abbau weiterer oberflächennaher Rohstoffe verlor Sachsen weitere 174 Hektar Waldfläche. Jede Erweiterung von Braunkohletagebauen, jede neue Straße, Infrastruktur-, Gewerbe- und Industrieansiedlungen fressen Fläche – ein großer Teil davon ist Wald.”

Und die Leipziger Region gehört ja nun wahrlich nicht zu den waldreichen im Land. Der Waldanteil im Jahr 2007 betrug gerade einmal 16,3 Prozent. Und nicht nur die Stadt Leipzig ist mit knapp 8 Prozent recht karg bestückt. Im Landkreis Leipzig sieht es mit knapp 15 Prozent auch nicht so üppig aus. Das hat zum Teil mit den enormen Flächen zu tun, die für den Bergbau in Anspruch genommen wurden. Andererseits dominieren beim sächsischen Wald vor allem Kreise im Bergland. Auf Bergen lässt sich nun mal kaum Landwirtschaft betreiben, Waldhege freilich schon. Und im Landkreis Leipzig und in Nordsachsen kommt hinzu: Hier liegen einige der wertvollsten Böden Sachsens, die bepflanzt man nicht einfach so mit Bäumen, wenn man sie landwirtschaftlich nutzen kann.

Was eigentlich auch schon 2003 eine Herausforderung war: Wo soll man in einem sowieso schon intensiv genutzten Land noch tausende Hektar neuer Waldfläche finden?

“Zu den Landkreisen mit Waldverlusten in den letzten Jahren gehören ausgerechnet die beiden waldarmen Landkreise Nordsachsen und Meißen. In Nordsachsen sank der Waldanteil von 21,5 Prozent im Jahr 2008 auf 21,2 Prozent im Jahr 2014. Im Landkreis Meißen sank der Waldanteil im gleichen Zeitraum von 15,4 Prozent auf 15,2 Prozent. Im Landkreis Mittelsachsen stagniert der Waldanteil bei 16,2 Prozent”, stellt Günther fest. “Ohne zusätzliche Anstrengungen beim Waldumbau ist der sächsische Wald dem Klimawandel nicht gewachsen. Auf der Hälfte der rund 200.000 Hektar Wald in Landesbesitz wachsen Fichten in Monokultur außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes. Sie sind deshalb besonders anfällig gegen Trockenheit und Schädlingsbefall. Schon jetzt treffen Stürme und Borkenkäferbefall besonders die Fichtenmonokulturen.”

Aber genau das war ja Thema von Thomas Schmidts Waldbesuch am Mittwoch. „Das rechtzeitige Begründen stabiler, struktur- und artenreicher sowie leistungsfähiger Mischwälder ist angesichts des fortschreitenden Klimawandels von enormer Bedeutung”, sagte er dem mitgereisten Journalisten. Dazu gehöre auch, eine waldverträgliche Wilddichte herzustellen. Regional überhöhte Wildbestände verursachen vielerorts nicht nur finanzielle Schäden in Millionenhöhe, sondern erschweren auch die dringend notwendige Verjüngung der Wälder mit Mischbaumarten. Damit werde die Stabilität des gesamten Ökosystems Wald gefährdet. “Die Fortführung des Waldumbaus und die Verminderung von Wildschäden werden daher auch künftig einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt des Staatsbetriebes Sachsenforst darstellen”, bekräftigte der Forstminister. Ein Beispiel sei die in Sachsen ehemals flächendeckend vorkommende, aber heute nach wie vor gefährdete Weißtanne, die besonders unter dem Wildverbiss leidet.

Das Ziel ist also klar – wird aber ohne systematische Eingriffe in die Bestände nicht erreicht.

“Ziel muss es sein, dass konsequent die Fichtenbestände, die ohne menschliche Eingriffe bestandsbildend erst ab 800 Höhenmetern vorkommen würden, durch größere Anteile von Rotbuche und anderen Laubbäumen wie Hainbuche und Berg-Ahorn in den Mittelgebirgslagen zu ersetzen”, beschreibt Wolfram Günther das notwendige Ausmaß des Waldumbaus in Sachsen. “Im Hügelland müsste sich die Zusammensetzung der Baumarten gemäß der potenziell natürlichen Vegetation zu mehr Traubeneichen und Hainbuchen verschieben; im Tiefland sollte der Anteil an Eichenarten bedeutend höher sein.”

Ein Problem dabei ist natürlich: Wälder wachsen recht langsam. Heute müssten eigentlich die Wälder angelegt werden, die in 50 oder 100 Jahren das Klima in Sachsen einigermaßen erträglich halten, bei Starkregen die Wassermassen speichern, gleichzeitig aber gegen Trockenheit möglichst robust sind. Die heutigen Forstfachleute müssen ein Klima vorwegdenken, das deutlich heißer und unberechenbarer sein kann als das der letzten Jahrzehnte. Das muss sich auch in der Zusammensetzung der Wälder widerspiegeln.

“Gerade angesichts der Unwägbarkeiten des Klimawandels muss die gesamte standörtlich mögliche Palette heimischer Baumarten genutzt werden – auch wenn dies waldbaulich anspruchsvoll ist und mehr qualifiziertes Forstpersonal erfordert, als nach den Einsparungswellen der letzten Jahre noch zur Verfügung steht”, kommentiert Wolfram Günther den Umstand, dass das Land möglicherweise eben doch nicht genug Forstfachleute hat, die die Waldbestände systematisch klimafest machen können. “Die sächsischen Staatswälder sollen endlich nach den internationalen Kriterien für verantwortungsvolle Waldwirtschaft des Forest Stewardship Council (FSC) bewirtschaftet werden. Nach den anspruchsvollen ökologischen und sozialen Qualitätsstandards wurde bisher allerdings erst ein Prozent der sächsischen Waldfläche zertifiziert. Das sind ca. 5.000 Hektar. Zum Vergleich: Die Hälfte des Staatswaldes im Bundesland Rheinland-Pfalz – immerhin 110.000 Hektar – ist bereits nach dem Standard des FSC zertifiziert.”

Sachsen zählt damit zu den waldärmeren Ländern der Bundesrepublik. Unter den deutschen Flächenländern haben Rheinland-Pfalz mit 42 und Hessen mit 40 Prozent den höchsten Waldanteil. Der Privatwald nimmt ca. 45 Prozent und der Wald in Landesbesitz ca. 38,6 Prozent der Waldfläche Sachsens ein. Acht Prozent des Waldes befinden sich im Eigentum kommunaler Körperschaften, sechs Prozent gehören dem Bund und zwei Prozent sind im Kirchenbesitz.

Leipzig hatte übrigens bis 2013 einen beständigen Rückgang von Waldfläche auf seinem Stadtgebiet zu verzeichnen. Sie ging von 2.373 Hektar im Jahr 2008 auf 2.266 Hektar im Jahr 2013 zurück. Eine Anzahl größerer Aufforstungsprogramme hat die mit Wald bepflanzte Stadtfläche 2014 dann auf 2.573 Hektar erhöht.

Antwort von Umweltminister Thomas Schmidt auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther “Entwicklung des Waldanteils in Sachsen seit 2005”.

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