Am 28. Juli schrieben wir an dieser Stelle zwar schon forsch: "Der Abbau von Polizeistellen in Sachsen geht auch 2015 unvermindert weiter". Aber die Zahlen, die der Grünen-Angeordnete Valentin Lippmann abgefragt hatte, zeigten noch nicht ganz, wie gerade die Polizeidirektion Leipzig schon von Jahresbeginn an mit einer Unterbesetzung von 70 Mann arbeiten musste.

Dazu kommt: Lippman hatte nach den Polizeibediensteten gefragt. Und vielleicht auch nicht damit gerechnet, dass die Anfragen der Landtagsabgeordneten von peniblen Bürokraten beantwortet werden, die jedes Wort auf die Goldwaage legen und auch nichts anderes beantworten, als konkret abgefragt wurde.

Das war schon erhellend genug.

Stand da 2014 noch eine Sollstärke von 2.970 Polizisten für Leipzig in den Planungen, waren es jetzt nur noch 2.965. Und das bei einer Stadt, die jedes Jahr um über 10.000 Einwohner wächst. Besetzt sind nicht mal diese Stellen alle. Die Ist-Stärke, die vor einem Jahr schon nur bei 2.914 lag, ist sogar noch weiter auf 2.898 gefallen. 67 Stellen sind also nicht besetzt. Stand: Juni 2015.

Aber nicht nur die Grünen fragen seit Jahren beharrlich nach, um das ganze windige Konstrukt der “Polizeireform 2020” auseinanderzunehmen und die Schönwetterberichte des Innenministers zu konterkarieren. Die Linken tun es genauso.

Und Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, löchert das Innenministerium geradezu mit Fragen nach Polizeistärke, Revierbesetzung, Ausfallzeiten, Einsatzzeiten. Altersabgängen, Einstellungskorridoren. Erst am 7. August nahm er die Aussitzpolitik des “Sächsischen Chaosministers Ulbig” mit einer Pressemitteilung unter die Lupe: “Ursache für ‘Polizei am Limit’ in Sachsen ist Personalabbau.”

Denn dass Sachsens Polizisten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommen, ist Ergebnis von Ulbigs Personalabbau, der nicht mal in den “geregelten” Bahnen der “Polizeireform 2020” verläuft. Und was da in der Sonne wegschmilzt wie Butter, das sind nicht irgendwelche Angestellten aus der Küche oder der Werkstatt, das sind die ausgebildeten Polizeibeamten. Deswegen hat Stange auch nicht einfach nach Polizeibediensteten gefragt, sondern nach der “(Soll-)Ist-Personalstärke der sächsischen Polizeibeamtinnen und Beamten”.

Die liegt natürlich niedriger.

Auch in Leipzig. 2.599 Beamte und Beamtinnen sollten nach Ulbigs Planung zum 1. Januar 2015 in Leipzig Dienst tun. Tatsächlich vorhanden waren 2.529. Polizeipräsident Bernd Merbitz fehlten von Jahresanfang an 70 einsatzfähige Polizisten. Und die meisten fehlen nicht draußen in den Revieren, auch wenn auch dort die Soll-Stärke nicht erreicht wurde: 1.453 Polizisten sollten dort verfügbar sein, 1.443 waren es. Bis April wurde das Personal dann zumindest auf 2.571 Polizistinnen und Polizisten aufgestockt.

Die meisten Polizisten fehlten augenscheinlich im inneren Dienst. Und man kann zumindest vermuten, dass dazu auch die Kriminalpolizei gehört. Es ist zuallererst die Aufklärung, die auf der Strecke bleibt und man muss sich über sinkende Aufklärungsraten in einigen Gebieten nicht wirklich wundern.

Etwas beruhigend ist dann, dass man zumindest erfährt, dass die Landeskriminalpolizei mit 599 Beamtinnen und Beamten etwas über Soll-Stärke liegt. Wobei immer zu berücksichtigen ist: Belastbare Zahlen dazu, wie hoch eine angemessene Soll-Stärke in der sächsischen Polizei eigentlich sein sollte, gibt es nicht. Die erarbeitet vielleicht die gerade eingesetzte Fachkommission. Dass die der “Polizeireform 2020” zugrunde gelegten Zahlen nicht stimmen können, zeigen die immer wieder diskutierten gewaltigen Überstundenberge in den sächsischen Polizeidirektionen.

Indirekt zeigen es auch die Krankenstände und die eingeschränkte Einsatzfähigkeit vieler Polizisten.

In der Polizeidirektion Leipzig waren im ersten Quartal 310 Beamtinnen und Beamte nur eingeschränkt dienstfähig, im zweiten Quartal waren es 297. Und dazu kommt dann noch der Krankenstand, der in der Polizeidirektion Leipzig ausgesprochen hoch ist – mit 11,4 Prozent im ersten Quartal und 9,5 Prozent im zweiten Quartal.

Weil ihn aber die allgemeinen Zahlen noch nicht zufrieden stellten, ließ sich Enrico Stange die Zahlen zum Krankenstand noch einmal extra aufdröseln.

Was die Lage in Leipzig noch etwas schärfer zeigte. Denn mit 18 Krankentagen im Durchschnitt wiesen Leipzigs Polizisten auch hier den höchsten Stand auf. Die Dresdner Polizisten kamen auf 15,3 Tage im Durchschnitt, die Zwickauer auf 8,9. Insgesamt verzeichnete Leipzigs Polizei 4.819 Krankschreibungen binnen eines halben Jahres. Rein rechnerisch war also jeder verfügbare Polizist mindestens einmal krank. Die meisten kürzer als sechs Wochen. Das ist normalerweise schon ein heftig langer Zeitraum und die Statistik verrät nicht, ob es nur lauter Grippe- oder Schnupfenfälle waren oder eintägige Krankschreibungen nach einem heftigen Fußball- oder Demo-Einsatz. Aber auch hier kam Leipzig eindeutig auf die höchsten Zahlen aller Polizeidirektionen. Dresden, wo die Soll-Stärke etwa 350 Mann niedriger liegt, kam auf 3.421 Krankschreibungen.

Die Zahlen deuten also zumindest an, unter welchem Druck Sachsens Polizei steht und wie die Einsatzbelastung auf die Knochen geht.

Enrico Stanges Anfrage zu Krankenständen bei Sachsens Polizei.

Enrico Stanges Anfrage zu Soll-Ist-Stärken bei Sachsens Polizei im Januar und April 2015.

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