Es passt Vieles zusammen in diesen Tagen in Sachsen, aber nicht so, wie es der Dresdner Redakteur der "Zeit" sah, der gleich mal die Sachsen zum "Säxit" aufforderte und unter der typischen Dresdner Blindheit zu leiden scheint: Was in Heidenau und in Freiberg und zuvor in Schneeberg passiert ist, hat alles seine Ursachen, und das Wegducken und Rechtsblinken der sächsischen Staatsregierung gehört dazu.
All jene, die sich in Sachsen nun seit Jahren gegen die systematischen Aufmärsche der Rechtsextremen engagiert haben, wissen es. Hätte es in Dresden seit 2010 nicht die zunehmend aktiven Proteste gegen die Aufmärsche der bundesweiten Neonazis gegeben, die Hassprediger und Fremdenfeinde würden noch heute jeden Februar ungehindert durch Dresden marschieren. Vielleicht noch sekundiert vom Landesbischof, der alles in Ordnung findet, wenn die Rechtsradikalen sich nur ans Demonstrationsrecht halten.
Doch damit liegt er so falsch, wie jahrelang schon führende Politiker der sächsischen CDU falsch lagen, die jeden “linken” Protest gegen die Februar- und anderen Aufmärsche der Nazis für falsch hielten, wenn es gar zur Behinderung der Nazi-Umzüge kam, für nicht tolerabel. Die rabiaten Polizeiaktionen vom Februar 2011 beschäftigen bis heute die Gerichte: Hunderte Gegendemonstranten wurden mit fragwürdigen Anklagen wegen “Landfriedensbruch” und ähnlich dubioser Delikte vor Gericht gezerrt. Gegen den Jenaer Jugendpfarrer König wurde geradezu ein Schauprozess inszeniert, der am Ende platzte wie ein Wasserballon, weil kein einziges der vorgelegten “Beweisstücke” belastbar war, sondern die zuerst vorgelegten Videosequenzen sichtlich zurechtgestückelt waren aus einem mehrstündigen Material, das geradezu das Gegenteil dessen bewies, was man Lothar König vorwarf.
Der Fall Monika Lazar
Und auf eine ebensolche Blamage steuert jetzt die sächsische Staatsanwaltschaft im Fall Monika Lazar zu. Nach einer Pressekonferenz im Januar, bei der sie sich – neben anderen – deutlich gegen die dumpfe Meinungsbrühe von Legida aussprach und zur friedlichen Gegendemonstration aufrief, bekam die Bundestagsabgeordnete der Grünen ein Ermittlungsverfahren wegen “grober Störung von Versammlungen” an den Hals. Ebenso die linke Landtagsabgeordnete Juliane Nagel. Reihenweise zeigten sich andere Teilnehmer der Veranstaltung nachher selber an – doch die Staatsanwaltschaft lehnte die Selbstanzeigen dankbar ab, gab damit sogar eigentlich auch schon zu, dass es keine belastbare Grundlage für eine Anklage gibt. Aber bis heute hat sie das Verfahren nicht niedergeschlagen, was bei Monika Lazar natürlich den Verdacht nährt, dass dieses Vorgehen schlicht politisch bedingt ist. Da wollte ein sächsischer Staatsapparat mal wieder zeigen, wo der Hammer hängt und warum man hörbare Proteste gegen die sich zunehmend radikalisierenden Legida-Aufmärsche in Leipzig nicht haben wollte.
Auch so kann man zivilgesellschaftlichen Protest diskreditieren und öffentlich den Eindruck vermitteln, dass der sächsische Staatsapparat doch eher hinter den grimmigen Bürgern auf der rechten Seite der Straße stünde.
“Nach Sichtung der Aktenlage drängt sich die Vermutung auf, dass die sächsische Justiz einen illegitimen politischen Erziehungsfeldzug gegen mich durchführt. Es scheint, dass mit Mitteln der strafrechtlichen Verfolgung Äußerungen im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung bekämpft werden sollen. Die sächsische Justiz verfehlt damit ihren Auftrag und gefährdet den zivilgesellschaftlichen Diskurs in unserer Demokratie”, erklärt Monika Lazar nun in einer Pressemitteilung, mit der sie zum am Montag, 24. August, eingereichten Einstellungsantrag an die Staatsanwaltschaft Leipzig zu ihrem Ermittlungsverfahren Stellung nimmt.
Zu jenen, die sich nachher selbst anzeigten, gehörte auch Christan Wolff. Und in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft zu seiner Selbstanzeige stellt diese selbst fest, dass ihre Ermittlungen gegen Monika Lazar keine Handlungsgrundhabe haben: “Da es Sinn und Zweck jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind … teilweise auch überpointierte Formulierungen hinzunehmen, zumal wenn der Äußernde damit nicht eigennützige Ziele verfolgt, sondern sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit besonders berührenden Frage dient.“
Beide saßen in der Pressekonferenz auf dem Podium – aber was bei Wolff nicht gilt, soll bei Lazar gelten?
Das wirkt nicht mal mehr komisch, wenn man sieht, wie sehr einige Bürger in der ostsächsischen Provinz mittlerweile glauben, es wäre legitim und anständig, sich auf offener Straße fremdenfeindlich auszutoben. Da haben eine ganze Reihe sächsischer Politiker viel zu oft die Hardliner-Karte gezogen, mit Grenzschließungen und Auffanglagern gedroht, als wäre das überhaupt eine menschliche Option in einem Land, das sich demokratisch nennt. Und gleichzeitig hat man keine Gelegenheit ausgelassen, diese nervigen Gegendemonstranten zu diskreditieren. Verschwindet denn der braune Spuk nicht einfach, wenn man ihn ignoriert?
Das Gegenteil ist der Fall. In Sachsen glauben NPD und Co., dass man mit menschenverachtenden Auftritten auf der Straße auch noch Applaus bekommt.
Auch deswegen muss das sinnlose Verfahren gegen Monika Lazar eingestellt werden. Peinlich genug ist es – für die Staatsanwaltschaft, die hier mit Kanonen auf eine nun wahrlich nicht gewalttätige Person zielt, während sich in Heidenau die Gewalttäter austoben.
“Ich wollte zum friedlichen Engagement motivieren und ermutigen”, schreibt Monika Lazar. “Dies werde ich auch weiterhin tun. Gerade in Sachsen, wo derzeit die Menschenrechte immer wieder von Rechtsextremen und Rechtspopulisten angegriffen werden, besonders die von Flüchtlingen und Asylsuchenden (wie z.B. am vergangenen Wochenende in Heidenau), ist dies oberste Bürgerpflicht. Ich hoffe, dass auch die sächsische Justiz sich an Recht und Gesetz hält, die Ermittlungen gegen mich fallenlässt und sich entschieden gegen die wirklichen Feinde unserer Demokratie stellt.”
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