Nicht nur die Linken interessieren sich dafรผr, wie gut Sachsens Polizei personell ausgestattet ist. Auch die Grรผnen fragen immer wieder nach. Denn wรคhrend sich die regierenden Konservativen gern auf die Schulter klopfen, stolz sind auf "unsere Polizei", im selben Atemzug aber รผber Grenzkriminalitรคt und Drogenkriminalitรคt jammern, ist den Oppositionsparteien sehr bewusst, dass es genug Polizisten braucht, die Arbeit auch zu tun.

Denn Sicherheit ist nun mal Arbeit โ€“ nicht nur Prรคsenz vor Ort oder alle Jahre ein alarmierender Kriminalitรคtsbericht. Wenn eine Regierung sieht, dass bestimmte Kriminaltรคtsarten zunehmen, muss sie reagieren und auch mehr Leute einstellen. Und zwar nicht nur als Streifenpolizisten. Dass in Sachsen einige Kriminalitรคtsfelder derart aus dem Ruder laufen, hat auch damit zu tun, dass Ermittler fehlen, Reserven, der organisierten Kriminalitรคt zu Leibe zu rรผcken, sowieso.

Die 2012 so vollmundig verkรผndete โ€œPolizeireform 2020โ€ kam noch obendrauf. Einem schon existierenden Personalmangel begegnete  dieses Meisterwerk der Staatskunst mit einem weiteren Abbau der Personalstellen bis 2025. Zumindest dieser Unfug schien mit dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD gestoppt โ€“ doch der Personalverlust geht weiter. Der resultiert zum grรถรŸten Teil daraus, dass nach wie vor weniger Polizisten eingestellt werden, als aus Altersgrรผnden abgehen. Es war hรถchste Eisenbahn, den Einstellungskorridor zu erhรถhen โ€“ von 300 auf 400. Was โ€“ so hatte der Linke-Landtagsabgeordnete Enrico Stange jรผngst festgestellt โ€“ trotzdem noch zu wenig ist. Es mรผssten 50 oder gar 100 mehr sein pro Jahr.

Der innenpolitische Sprecher der Grรผnen-Fraktion, Valentin Lippmann, hat jetzt mal wieder den Fragenkatalog an die Regierung geschickt, mit dem die Grรผnen schon in den Vorjahren versucht haben, die Personalbesetzung der sรคchsischen Polizei und der einzelnen Reviere und Dienststellen zu erfassen. Wenn das denn so funktioniert. Denn Grundlage der Soll-Zahlen ist ja nun einmal die โ€œPolizeireform 2012โ€. Reihenweise wurden kleinere Reviere und Polizeistationen aufgelรถst oder zusammengelegt. Eine Evaluation der Reform und ihrer Strukturen โ€“ wie von Leipzigs Polizeiprรคsident Bernd Merbitz gefordert โ€“ steht noch aus. Die Kommission zur Evaluierung der Polizeireform Sachsen 2020 hat erst am 9. Juli ihre Arbeit aufgenommen.

Der verantwortliche Innenstaatssekretรคr, Dr. Michael Wilhelm, sagte dazu: โ€žZweieinhalb Jahre nach Reformbeginn ist ein guter Zeitpunkt fรผr eine Evaluierung. Einerseits haben sich die neuen Strukturen eingespielt, andererseits ist alles noch frisch genug, um reformnah nachsteuern zu kรถnnen.โ€œ

Die Fachkommission soll nun insbesondere anhand der Aufgaben bewerten, ob die Stellenausstattung der Polizei dem tatsรคchlichen Bedarf entspricht, kรผndigte das Innenministerium an. โ€œIn die Analyse werden Kriterien wie Flรคche, Bevรถlkerung und Kriminalitรคtsbelastung sowie die hohe Anzahl GroรŸeinsatzanlagen und eine Prognose รผber kรผnftige Einsatzbelastungen einflieรŸen.โ€ Aber: โ€œDer grundsรคtzliche Organisationsaufbau der sรคchsischen Polizei als festes Fundament bleibt unberรผhrt.โ€

Insofern kann auch Lippmann nicht wirklich abfragen, ob der aktuelle Personalbesatz nun den Erfordernissen entspricht oder nicht. Was er bekommt, ist nur der bekannte Vergleich zwischen Soll-Besetzung und Ist-Stand. Der ist freilich โ€“ aufs GroรŸe und Ganze betrachet โ€“ fast deckungsgleich: 10.100 Polizisten sollen nach Reform-Plan da sein, 10.114 sind es nach Ist-Stand.

Alles in Ordnung?

Nicht die Bohne.

Denn wรคhrend die Koalition die Polizeireform erst einmal gestoppt hat, arbeitet das Innenministerium weiter mit den Planzahlen, die man 2012 festgelegt hat. HeiรŸt im Klartext: Es werden weiter Personalstellen abgebaut.

Das wird freilich erst sichtbar, wenn man die Antwort, die Valentin Lippmann bekommen hat, mit der vergleicht, die seine Fraktionskollegin Eva Jรคhnigen vor einem Jahr von Innenminister Markus Ulbig bekommen hat.

Da steht nรคmlich unter Soll noch eine ganz andere Zahl: 10.256. Was auch damals praktisch der Ist-Besetzung entsprach. 10.250 Polizisten waren es damals. Das heiรŸt: Binnen eines Jahres hat Sachsen 136 Polizisten verloren.

Enrico Stange liegt also recht nah dran, wenn er eigentlich einen Einstellungskorridor von 450 Polizisten im Jahr fordert.

Und der Personalabbau betrifft auch die Polizeidirektion Leipzig.

Stand da 2014 noch eine Sollstรคrke von 2.970 Polizisten, sind es jetzt nur noch 2.965. Und das bei einer Stadt in der Mitte, die jedes Jahr um รผber 10.000 Einwohner wรคchst. Besetzt sind nicht mal diese Stellen alle. Die Ist-Stรคrke, die vor einem Jahr schon nur bei 2.914 lag, ist sogar noch weiter auf 2.898 gefallen. 67 Stellen sind also nicht besetzt. Und das liegt nur zum kleineren Teil an dienstunfรคhig geschrieben Polizisten, auch wenn Leipzig da mit 22 die Spitze ausmacht in Sachsen.

Man ahnt also nur, wo das ganze System in Schieflage ist und wie sich die โ€œPolizeireform 2020โ€ weiterhin negativ auswirkt auf Personalausstattung und Arbeitsbelastung in den Polizeirevieren. Und das Tragische daran: Die eingesetzte Polizeifachkommission wird wohl erst 2016 ihre Ergebnisse liefern. Verbesserungen fรผr Polizisten und Bevรถlkerung wird es frรผhestens 2017 geben. Denn โ€“ so das SMI: โ€œDie Ergebnisse der Fachkommission werden bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2017/2018 Berรผcksichtigung finden.โ€

Anfrage von Valentin Lippmann.

Anfrage von Eva Jรคhnigen von 2014.

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Was mag dafรผr wohl der Grund sein, so es einen gibt?
Allgemeine โ€œKaputt Sparpolitikโ€, oder soll bewusst der Weg fรผr allerhand AuรŸenseiter bereitet werden?

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