Man könnte ja einen "running gag" draus machen: Steuerschätzung für Sachsen bringt Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Sachsens Finanzminister dazu: "Ojemine! Jetzt wird das Geld knapp." - Aber Finanzminister Georg Unland (CDU) liebt dieses Spiel augenscheinlich und will es sich auch in der Regierung mit der SPD nicht abgewöhnen.
Am Dienstag, 2. Juni, hat er dem Kabinett die Zahlen vorgestellt, die sein Ministerium aufgrund der Bundessteuerschätzung errechnet hat. Danach kann der sächsische Staatshaushalt im laufenden Jahr mit Steuereinnahmen von rund 12,44 Milliarden Euro rechnen. Die Prognose aus dem November 2014 würde damit um 165 Millionen Euro übertroffen werden. Im Jahr 2016 lässt die aktuelle Schätzung Mehreinnahmen von 104 Millionen Euro erwarten. In der mittleren Frist bis 2019 soll sich das Einnahmeniveau um circa 150 Millionen bis 200 Millionen Euro jährlich verbessern.
Das sind die Zahlen des sächsischen FInanzministers. Dabei ist immer zu berücksichtigen: Er übernimmt die Bundeszahlen nicht einfach, sondern rechnet traditionell noch einen Abschlag drauf. Sicherheitshalber, falls es unterwegs doch nicht so schön läuft.
Und damit alle sich merken, dass es unterwegs auch rumpeln kann, warnt er auch wieder. Auch das kennt man von ihm.
“Trotz dieser positiven Zahlen müssen wir verschiedene Dinge beachten”, mahnt Prof. Georg Unland. “Die Konjunktursignale sind inzwischen nicht mehr nur positiv. Erste optimistische Wachstumsprognosen wurden revidiert. Außerdem stehen im Bereich des Steuerrechts zahlreiche Änderungen an, die zu Einnahmeausfällen führen werden. Beispiele sind die Anhebung des Kindergelds und der Steuerfreibeträge in diesem und im nächsten Jahr. 2016 soll dann der erste wichtige und richtige Schritt zum Abbau der kalten Progression gelingen. Das haben wir berücksichtigt.“
Muss jetzt der Notgroschen geopfert werden?
Womit er zumindest schon einmal andeutet, welchen zusätzlichen Faktor er in die Berechnung der wahrscheinlichen sächsischen Steuereinnahmen eingerechnet hat.
Und damit auch die Kollegen aus der Koalition jetzt nicht auf die Idee kommen, das zusätzliche Geld gleich wieder auszugeben, dämpfte er mögliche Erwartungen an die Verwendung der absehbaren Mehreinnahmen der Landesebene gleich mal: „Diese Frage lässt sich sehr einfach beantworten: Der aktuelle Doppelhaushalt konnte nur durch Entnahmen aus der Rücklage ausgeglichen werden: 171 Millionen Euro in 2015, 234 Millionen Euro in 2016. Das Haushaltsgesetz verpflichtet uns, zusätzliche Steuereinnahmen zunächst zum Ausgleich der geplanten Rücklagenentnahmen zu nutzen. Dafür reichen die erwarteten Mehreinnahmen nicht aus. Diese Steuerschätzung schafft keine neuen Ausgabenspielräume.“
Das sagt er gern. Und das klingt jedes Mal, als müsste Sachsen auf einmal an seine bitter gesparten Notgroschen gehen. Aber tatsächlich ist das nichts als eine haushaltsinterne Verschieberei. Der Doppelhaushalt 2015/2016 ist komplett durchfinanziert. Und wahrscheinlich wird am Ende wieder was übrig bleiben. Und wo wandert das hin?
Natürlich in die Rücklage. Wohin denn sonst?
Ein bisschen mehr Geld bekommen auch die Kommunen vom Steuersegen ab.
“Von den neuen Prognosen der Steuerschätzer profitieren auch der Freistaat und unsere Kommunen. Landes- und Gemeindeebene können von höheren Einnahmeerwartungen ausgehen“, so der Finanzminister. Und lässt auch an dieser Stelle die Warnung nicht aus: „Die guten Ergebnisse sind von den günstigen wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland zum Zeitpunkt der Steuerschätzung geprägt.“ Die Steuerschätzung ist nun aber schon ein paar Wochen her. Die Stimmung ist nicht mehr so fröhlich – zumindest wenn man sich einige Umfragen anschaut. Also: Obacht! Rumpelstrecke.
Den Kommunen geht’s doch prima, oder?
Aber was bekommen denn die Kommunen tatsächlich mehr? – Im laufenden und kommenden Jahr soll das Steueraufkommen der Städte und Gemeinden um 15 Millionen bzw. 26 Millionen Euro höher ausfallen. In der mittleren Frist werde sich dieser Trend fortsetzen, meint das Ministerium noch.
„Daneben werden unsere Kommunen im Jahr 2017 auch von dem vom Bund angekündigten höheren Umsatzsteueranteil mit dem Ziel der Förderung von Investitionen profitieren“, ergänzte der Finanzminister dazu.
Nach dem regelgebundenen Mechanismus des Sächsischen Finanzausgleichgesetzes (SächsFAG) haben die Kommunen zudem einen Anspruch auf einen Anteil an den Steuermehreinnahmen des Freistaates Sachsen in Höhe von 48 Millionen Euro (2015) und 19 Millionen Euro (2016).
Kleine Erklärung zwischendurch
Das Sächsische Finanzausgleichgesetz regelt innerhalb Sachsens, wieviel Geld das Land an die Kommunen abgeben muss, damit die mit ihren Finanzaufgaben zurande kommen.
Und einer hat die Botschaft des Finanzministers natürlich verinnerlicht. Das ist Jens Michel, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, von seiner Fraktion gern als Finanzexperte angepriesen. Mit dem Wort sollte man vorsichtig sein. Der Mann ist studierter Jurist, auch wenn er seit 2002 im Finanzministerium gearbeitet hat.
Und er sagt dann auch nichts Neues: “So erfreulich die Steuermehreinnahmen für Sachsen auch sind, so sehr muss ich alle Luftschlossbauherren enttäuschen. Das Geld, das jetzt zusätzlich in die Staatskasse fließt, ist bereits fest verplant. Die Koalitionsfraktionen hatten schon im parlamentarischen Verfahren zur Haushaltsaufstellung durchgesetzt, dass etwaige Steuermehreinnahmen zunächst zum Ausgleich der veranschlagten Entnahmen aus der Haushaltsausgleichsrücklage zu verwenden sind. Der aktuelle Haushaltsplan sieht Entnahmen aus der Rücklage in Höhe von rund 171 Millionen Euro in diesem und 234 Millionen Euro im nächsten Jahr vor. Diese müssen nun zunächst von den Steuermehreinnahmen kompensiert werden.”
“Rücklagenauffüllklausel”
Sollen wir wirklich einen “running gag” draus machen? – Mehreinnahmen fließen in die Rücklagen, die Rücklagen werden im nächsten Haushalt mit verplant, es kommt zu Mehreinnahmen, die fließen in die Rücklagen usw.
Jens Michel, wahrscheinlich extra für die Burschen von der SPD, die immerzu nur Geld ausgeben wollen: “Der Charakter der Schätzungen und die ‘Rücklagenauffüllklausel’ führen jegliche Fantasie für neue Ausgaben ad absurdum. Es handelt sich zunächst um eine Schätzung – die Mehreinnahmen müssen tatsächlich erst einmal eingenommen werden. Gerade einen Monat nach Verabschiedung des Haushaltes kann niemand ernsthaft mit einem Sonderprogramm rechnen.“
Aber wir merken uns das wunderbare Wort “Rücklagenauffüllklausel”.
Aber natürlich gibt es auch Fraktionen, die den “running gag” nicht mehr hören können. Die Grünen zum Beispiel.
An der Bankrottkante
“Finanzminister Georg Unland bringt es tatsächlich fertig, 260 Millionen Euro Mehreinnahmen an Steuern als Defizit zu verkaufen. Das ist typisch sächsische Finanzpolitik”, sagt Franziska Schubert, haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. “Alle Jahre wieder erklärt der Finanzminister, dass der Griff in die Rücklage nötig sei, um die öffentlichen Aufgaben finanzieren zu können. Damit hält er das Bild des an der Bankrottkante balancierenden Freistaates aufrecht. Doch jedes Mal stellt sich heraus: Der Griff in die Rücklage war nicht nötig. Bestes Beispiel sind die Haushaltsjahre 2014/15, in denen die Haushaltsrücklage nicht in Anspruch genommen werden musste. Dazu kamen nicht ausgegebene Mittel in Höhe von 400 Millionen Euro, die nun im sogenannten Zukunftssicherungsfonds fest gebunden sind und dem laufenden Doppelhaushalt nicht zur Verfügung stehen, um dringende öffentliche Aufgaben anzugehen.”
Und sie sagt das, was der Finanzminister so ungern hört: Dass da immer noch einige Löcher im Doppelhaushalt gähnen, die nun langsam anfangen aufzufallen. Zum Beispiel bei der Kita-Finanzierung oder den Schulinvestitionen.
“Von den jetzigen Mehreinnahmen in Höhe von 260 Millionen Euro gehen in den Jahren 2015/16 60,5 Millionen Euro an die Kommunen, die einen Anspruch darauf haben. Bleiben rund 200 Millionen Euro übrig, die für die Lücken verwendet werden könnten, die kürzlich mit dem Haushaltsgesetz besiegelt worden sind”, sagt Schubert. Sie ist Soziologin von Beruf, sieht das mit dem Geldausgeben/Nichtausgeben also aus einer etwas anderen Perspektive. Zum Beispiel aus dieser: Was passiert eigentlich in einem Land, das man jahrelang auf Kante gespart hat?
Schubert: “Diese Lücken haben vor allem Konsequenzen für die ländlichen Räume, wo immer noch auf Korrekturen gehofft wird. Nach wie vor steht z.B. eine Finanzierungslücke von 300.000 Euro beim Freiwilligen Ökologischen Jahr, die mit den Steuermehreinnahmen locker aus der Portokasse bezahlt werden könnten. Des Weiteren haben wir bis heute keine gerechte Finanzierung der Freien Schulen. Auch dringend notwendig wäre ein Programm für Klein- und Mittelstädte, was sich u.a. der zunehmenden Leerstandsproblematik widmet und eine akute finanzielle Belastung für die Kommunen darstellt. Grundsätzlich fehlt es an echten und nachhaltigen Investitionen für den Klima- und Naturschutz.”
Na ja. An Strategien eigentlich auch. Aber das Fass machen wir heute mal nicht auf. Wir freuen uns nur über dieses echte Eichhörnchenwort: Rücklagenauffüllklausel.
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Das kann man sich so vorstellen: Herr Unland fährt tanken und hat 50 Liter Treibstoff geplant. Wie der Zufall es will, kommen aber stattdessen 60 Liter aus dem Schlauch. Jetzt füllt aber Herr Unland nicht etwa den Tank (der leer ist und 70 l fasst) weiter auf – nein, er kippt die 10 Extra-Liter in den Reservekanister, mit der Folge, dass er anschließend nicht allzuweit kommt und auf der Landstraße liegenbleibt. Dann holt er den Reservekanister aus dem Kofferraum und sagt: “Bloß gut, dass ich was in den Reservekanister getan habe!”