Es ist, als säße ein großer Buchhalter da und würde derzeit eine Position der sächsischen Regierung nach der anderen kassieren. Ganz so, als hätten Minister und Ministerinnen in den letzten Jahren ihre Arbeit nicht gemacht, sich einlullen lassen von Besuchern in ihren Vorzimmern - und nun stellt sich heraus, dass ein Projekt nach dem anderen nichts ist als ein Holzweg. Der autobahnmäßige Ausbau der B87? Kassiert, weil einfach die Planungsgrundlagen dafür fehlen.

Neue Kohletagebaue in der Lausitz? Gestrichen. Rausgeschmissenes Geld für eine völlig unrentabel gewordene Energieform.

Und nun auch noch Glyphosat. Am Freitag, 26. Juni, hatte der NABU über den Erfolg seiner Aktion gegen das umstrittene Pflanzengift in deutschen Baumärkten berichtet: “Der NABU hat seine Online-Protestaktion gegen den Verkauf des umstrittenen Pestizids Glyphosat in führenden Baumärkten und Gartencentern als entscheidenden Schritt für einen Komplettverzicht im Bereich der Haus- und Kleingärten bezeichnet. Innerhalb von zwei Wochen haben sich fast 3.000 Personen an der Aktion beteiligt und damit in der Branche eine Ausstiegswelle aus dem Verkauf des Pflanzengifts ausgelöst. Unternehmen wie Bauhaus, Globus Baumarkt, Pflanzen-Kölle, Obi und Hornbach haben mittlerweile einen vollständigen oder weitreichenden Verzicht auf das Totalherbizid zugesagt. Lediglich die Raiffeisen Waren-Zentrale und die Gartencenter-Kette Dehner halten weiterhin unverändert an ihrem Sortiment fest.”

Mittlerweile erhärten sich die Vermutungen, dass dieses Allround-Pflanzengift krebserregend ist. Das steht so sogar in einer Auskunft zu lesen, die das sächsische Verbraucherschutzministerium vor ein paar Tagen gegeben hat: “Auf einer Sitzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO im März 2015 haben nun dort versammelte Experten Glyphosat erstmals bewertet und auf Basis der von ihnen ausgewerteten Studien andersartig eingestuft, nämlich als Kanzerogen Gruppe 2A, also wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen.”

Das ist deshalb verblüffend, weil Verbraucherschutzministerin Barbara Klepsch (CDU) in der gleichen Auskunft bestätigt, dass die sächsische Staatsregierung daraus keine Konsequenzen zieht.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Volkmar Zschocke, hatte angefragt, wie Sachsen denn nun am 8. Mai bei der Konferenz der Verbraucherschutzminister in Osnabrück abgestimmt hat, als Tagesordnungspunkt 16 dran war und die Minister beschlossen, den Bund aufzufordern, Glyphosat zu verbieten. Nicht komplett. Vor allem sollte ein Verbot zum Verkauf an Privatpersonen erfolgen und ein vorläufiges Ausbringen auf land- und forstwirtschaftliche Flächen untersagt werden, “bis eine abschließende Neubewertung durch die EFSA erfolgt ist.”

Normalerweise ein ganz einleuchtender Vorgang, dass man ein Mittel, von dem vermutet wird, dass es krebserregend ist, vorläufig aus dem Verkehr zieht, bis man Genaueres weiß.

Aber das Abstimmungsergebnis von 15 : 0 : 1 machte Zschocke misstrauisch. Und das Misstrauen wurde durch die Antwort von Barbara Klepsch bestätigt: Während alle anderen 15 Bundesländer das (vorläufige) Verbot von Glyphosat befürworteten, briet sich die sächsische Staatsregierung eine Extra-Wurst, stimmte zwar nicht dagegen, enthielt sich aber als einziges Bundesland der Stimme.

Aber auch dafür muss man Gründe haben. Und die zuständige Verbraucherschutzministerin macht es, wie es Sachsens Regierung gern tut – sie beruft sich auf die früheren Studien, die dem von Monsanto verbreiteten Pflanzenvernichtungsmittel Unbedenklichkeit bescheinigten. Das war für Studien bis 2000 durchaus der Fall. Aber seit 2010 mehren sich Untersuchungen, die Glyphosat vermehrt als krebserregend einstufen.

Und Barbara Klepsch will lieber warten, bis der vollständige Bericht der IACR vorliegt. Eine seltsame Haltung, wenn sogar große Baumarktketten das Produkt aus den Regalen nehmen. Denn irgendwann steht – wenn sich der Verdacht erhärten sollte – auch die Haftungsfrage. Nur irgendwie nicht für die in Sachsen zuständige Verbraucherschutzministerin, die so tut, als müsse man in so einem Fall erst mal die letzten wissenschaftlichen Berichte abwarten.

“Aus Sicht der Staatsregierung ist es unerlässlich, den wissenschaftlichen Meinungsbildungsprozess unter den beteiligten Gremien und Risikobewertungsstellen abzuwarten, um auf bestmöglicher Basis Entscheidungen zum Risikomanagement treffen zu können”, erklärt Klepsch in ihrer Antwort. “U.a. ist zu bedenken, dass Verwendungsverbote für Stoffe in der Regel den verstärkten Einsatz alternativer Mittel mit den daraus ggf. resultierenden gesundheitlichen Fragestellungen bedingen, so dass auch vor diesem Hintergrund eine gesamtheitliche Betrachtung erforderlich ist.”

Was durchaus sein kann. Auch Klein- und Großgärtner sind oft unbelehrbar und benutzen Chemiekeulen, als würde das Zeug sich einfach in Luft auflösen, wenn man damit erst einmal großflächig “Unkraut” vernichtet hat. Aber zum Lernprozess gehört auch, dass Warnungen frühzeitig ernst genommen werden und Verbraucherschutzministerinnen die Warnungen auch unterstützen und nicht verharmlosen, als ginge es nur um einen Streit unter Wissenschaftlern.

Die Antwort von Barbara Klepsch zur Glyphosat-Haltung der Staatsregierung.

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