Da hat man sich schon gewundert, als der Linke-Landtagsabgeordnete André Schollbach vier kesse Landtagsanfragen stellte, die sich alle um das Thema drehten: Müssen die Kirchen in Sachsen für das Ausstrahlen ihrer Botschaften im MDR eigentlich Geld bezahlen? Und wenn ja: Wieviel haben sie eigentlich bezahlt? - Nix haben sie bezahlt, teilte nun am 13. Mai der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Dr. Fritz Jäckel, mit.
Auf alle vier Fragen – denn für Sendezeit im Fernsehen gilt dasselbe wie für Sendezeit im Rundfunk: Sowohl Evangelische als auch Katholische Kirche haben ihre Sendezeit im Mitteldeutschen Rundfunk nicht bezahlen müssen. Müssten sie auch nicht, teilt Fritz Jäckel dem neugierigen Linken mit. Nur private Sender seien berechtigt, die Selbstkosten von den sendefreudigen Kirchen einzufordern.
Die Evangelische Kirche hat im Jahr 2014 auf diese Weise 162 Minuten im Fernsehen und 4.391 im Hörfunk kostenlos senden können, die Katholische Kirche konnte 78 Minuten im Fernsehen und 1.951 Minuten im Rundfunk kostenfrei senden.
Doch die Antwort ist falsch, stellt jetzt die Ständige Publikumskonferenz fest, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland mittlerweile so aufmerksam beobachtet, wie es alle die keineswegs unabhängig besetzten Aufsichtsgremien einfach nicht tun.
Und weil Jäckel falsch geantwortet hat, gibt es von der Ständigen Publikumskonferenz deshalb eine öffentliche “Beschwerde wegen unsachgemäßer Beantwortung der kleinen Anfrage des Abgeordneten André Schollbach”.
Denn im noch immer gültigen Rundfunkstaatsvertrag (dessen Änderung die Staatsregierungen in Mitteldeutschland nun wieder auf die lange Bank geschoben haben), steht nichts davon, dass die Religionsgemeinschaften für ihre Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts zu zahlen hätten. Da steht nur, dass sie Sendezeit zur Verfügung gestellt bekommen sollen: “Den evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen.”
Unentgeltliche Sendezeiten darf (und muss) der MDR nur einräumen, wenn es um Katastrophen und andere gesellschaftliche Notfälle geht – und das auch nur an Regierungsbehörden, nicht an privat und auch nicht an gesellschaftliche Organisationen: “Der MDR hat der Bundesregierung und den Regierungen der Länder in Katastrophenfällen und bei anderen erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung für amtliche Verlautbarungen angemessene Sendezeit unverzüglich und unentgeltlich einzuräumen.”
Denn wenn der Sender Sendezeit hergibt, heißt das immer auch, dass die mit Gebühren bezahlt ist. Wenn Kirchen kostenlos ihre Sendezeiten bekommen, werden auf diese Weise Kirchen subventioniert. Das hat mit der Erfüllung des immer wieder gern zitierten gesellschaftlichen Auftrages nichts mehr zu tun.
Auch wenn Maren Müller, Vorsitzende der Ständigen Publikumskonferenz, den Kirchen die Präsenz im Rundfunk durchaus zugesteht: “Es ist uns bewusst, dass ein breit gefächertes Programmangebot von Sendungen über Religion, Glauben und Ethik zum originären Kulturauftrag öffentlich-rechtlicher Medienanstalten gehört. Dieser originäre gesetzliche Auftrag wird jedoch bereits mit der Ausstrahlung der Verkündigungssendungen wahrgenommen, bei denen die Verantwortung bei den Kirchen liegt.”
Aber dass die Beitragszahler jetzt in Sachsen dafür aufkommen sollen, dass die Kirche ihre Botschaften ausstrahlen kann, das geht eindeutig zu weit. Maren Müller: “Es ist nicht zu vermitteln, dass bestehende Gesetze von den Rundfunkanstalten nicht umgesetzt und den Beitragszahlenden eine Subventionierung kirchlicher Einrichtungen zugemutet wird, die bereits durch entsprechende Steuereinnahmen, Mitgliedsbeiträge, Spenden und sonstige Einnahmen über beträchtliche Eigenvermögen verfügen.”
Und dass der für den Rundfunk zuständige Staatsminister auch noch falsche Auskunft gibt, das stimmt schon bedenklich. Denn qua Amt ist Dr. Fritz Jäckel mit verantwortlich für die Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages, in dem auch geregelt wird, wer Sendeminuten bekommen darf – und wer für seine Sendeminuten nichts bezahlen muss. Und Letzteres können maximal Regierungsbehörden in Notfallsituationen sein. Religion aber ist eindeutig kein Notfall.
Die Beschwerde der Ständigen Publikumskonferenz an den Chef der Sächsischen Staatskanzlei.
Antwort zur Hörfunksendezeit der Evangelischen Kirche.
Die Hörfunksendezeit der Katholischen Kirche.
Es gibt 6 Kommentare
Da trifft die Verschwörungsheorie, dass eigentlich die lutherisch-evangelische Kirchenleute die Fäden in der Hand hätten, schon eher zu. Jung, Magirius, Christian Wolff,…
Ein Hinweis ist hierzu erforderlich, weil oft nicht beachtet. Herr Christian Wolff hat überhaupt keine Fäden in der Hand (zum Glück), es sei denn er strickt nebenbei. Er ist kein Vertreter der lutherisch – evangelischen Kirche, sondern Rentner!
Auch wenn das nicht mein Thema, also die finanzielle Ausstattung der Kirchen, ist, ein kurzer Hinweis. Die Kirchen sind in Sachsen bzw. in allen neuen Bundesländern nicht das Problem. Dass 50,0 % der Bürger in Thüringen, Sachsen und Brandenburg nicht zu den Landtagswahlen gegangen sind, hatte mit den Kirchen nichts zu tun. Also bitte die Kirche/n im Dorf lassen!!!
Weder ist die Kirche eine “arme”, noch ist sie ohne Macht und Einfluss.
Wo leben Sie denn, Herr Ernst-Ulrich Kneitschel.
Es ist ein bekanntes Credo, dass sie eben nicht lebt, was sie lehrt.
Eine absolut und unbeirrbare Annahme ist der Wesenskern, der Irrglaube.
Eine arme Kirche ohne Macht, Einfluss und Geld scheint mir überzeugender als eine reiche Kirche, die nicht lebt, was sie lehrt … Ein frohes Pfingsfest!
Hier der gewünschte Geistesblitz: Die römisch-katholische Kirche hat vielleicht in Bayern und in Köln Macht und Einfluss, aber ganz bestimmt nicht in Sachsen und auch nicht in Leipzig. Da lachen ja die Hühner.
Da trifft die Verschwörungsheorie, dass eigentlich die lutherisch-evangelische Kirchenleute die Fäden in der Hand hätten, schon eher zu. Jung, Magirius, Christian Wolff,…
(Gegenstand meiner Verschwörungstheorie ist aber immer noch die IHK.)
Na nun aber, lieber Ernst-Ulrich Kneitschel, jetzt sind Sie gefragt. Und Freund Stefan wird sicherlich den einen oder anderen Geistesblitz betragen können 😉
Städtische “Millionen” für den Kirchentag, kostenlose Sendezeit in Radio und Fernsehen, Prunkneubauten an prominenter Stelle in der Innenstadt (ein katholischer Stinkefinger direkt gegenüber dem Rathaus, der den dort Tätigen wohl zeigen soll, wer wirklich die Macht hat) – alles ganz normal!? In Leipzig/Sachsen wohl schon…