Mancherlei ist in Sachsen auch zu Ostern schwer zu finden. Zum Beispiel Hasen, stellt der naturschutzpolitische Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag, Wolfram Günther, aus aktuellem Anlass fest. Während Schokoladenosterhasen dank elterlichen Versteckens ausreichend für die Kleinen zu entdecken sind, mangelt es an echten Feldhasen. Meister Lampe hat sich rar gemacht in den heimischen Feldern.

“Zwei Faktoren beeinflussen das Vorkommen des Feldhasen maĂźgeblich: der Flächenverbrauch und die Intensivierung der Landwirtschaft. Der Flächenverbrauch fĂĽr Siedlungen und StraĂźen in Sachsen von acht Hektar täglich muss endlich reduziert werden”, stellt Wolfram GĂĽnther fest. “Sachsens Staatsregierung darf nicht länger einseitig auf die Förderung der industriellen Landwirtschaft setzen.”

Tut sie aber. Auch wider besseres Wissen. Denn dass der Feldhase in Sachsens Fluren ganz schlechte Ăśberlebenschancen hat, das ist seit Jahren auch amtlich bestätigt. Er steht auf der sächsischen “Roten Liste” als gefährdete Art.

Hochrechnungen auf Basis aktueller Zählungen der Deutschen Jagd ergeben, dass in Deutschland derzeit rund 3,5 Millionen Feldhasen leben. Danach hoppeln im bundesdeutschen Durchschnitt noch rund elf Hasen über hundert Hektar, in Sachsen sind es weniger als fünf.

Zur Verbesserung des Lebensraums der Feldhasen ist eine höhere Dichte an Brachflächen in Acker- und Grünlandgebieten nötig, stellt Günther fest. Insbesondere der Erhalt und die Entwicklung von störungsarmen Bereichen mit hoher Deckung, wie sie Brachflächen bieten, sind für die jungen wie für die alten Hasen von besonderer Bedeutung.

“Der Anteil strukturreicher Brachflächen ist in den letzten Jahren in Sachsen stark zugunsten des Anbaus von Monokulturen zurĂĽckgegangen. Krautreiche Randstreifen fehlen zunehmend. Mit Pestiziden belastete Raps- und Maismonokulturen bedecken immer größere Flächen. Bereits ab Mai, und dann im Abstand weniger Wochen immer wieder, mähen groĂźe Maschinen das inzwischen artenarme GrĂĽnland, ohne RĂĽcksicht auf die Nester der BodenbrĂĽter. Feldraine, offene Säume am Waldesrand und sonstige RĂĽckzugsräume der ‘biologischen Vielfalt’ verschwinden. Junge Feldhasen haben unter solchen Bedingungen nur geringe Ăśberlebenschancen”, so der Abgeordnete.

Sporadisch beschäftigt sich das Sächsische Landesamt fĂĽr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit dem Thema, versucht auch Förderansätze fĂĽr natĂĽrliche biologische Vielfalt in Sachsens Fluren zu entwickeln – wie 2012 zuletzt. Aber das ist alles Papier fĂĽr die Tonne, wenn daraus kein sachsenweites Programm fĂĽr die Landwirtschaft wird. Sachsens Umweltminister reden eine Menge ĂĽber Naturschutz – den Mumm, wirklich Veränderungen zu veranlassen, hatten sie in der Vergangenheit alle nicht. Obwohl die eigenen Analysen zeigen, dass etwas getan werden muss – und auch was. Und niemand kann heutzutage wirklich noch erklären, dass die Anlage von Feldrainen und SchutzbegrĂĽnungen an den oft kilometerweit plan gepflĂĽgten Feldern der sächsischen Agrarbetriebe eine Zumutung wären oder gar den Betrieb beeinträchtigen könnten. Sachsens Flure leiden mittlerweile heftig unter der um sich greifenden Strukturarmut.

Die BroschĂĽre “Alternative Förderansätze fĂĽr natĂĽrliche biologische Vielfalt” des Amtes fĂĽr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie benannte das Dilemma fĂĽr eine ganze Reihe von Arten, die in den letzten Jahren zunehmend aus den Fluren verdrängt wurden. Auch fĂĽr den Feldhasen.

“Der Feldhase ist eine charakteristische Art der Kulturlandschaft, ein Indikator fĂĽr den Strukturreichtum einer Agrarlandschaft und kann ebenfalls von SchutzmaĂźnahmen auf den Nutzflächen profitieren”, heiĂźt es da. “Sachsen hat den niedrigsten Bestand an Feldhasen im Bundesvergleich, was naturräumliche GrĂĽnde haben kann, aber auch auf die Strukturarmut der Landschaft zurĂĽckzufĂĽhren ist.”

Das war vor drei Jahren. Geändert hat sich nichts. Im Sächsischen HĂĽgelland gab’s mal hohe Populationsdichten von Feldhasen. Das ist vorbei. Selbst wenn die Hasen versuchen, sich zu vermehren, wie man das sprichwörtlich von Kaninchen kennt. Es nutzt ihnen nichts. Der Nachwuchs wird schon im FrĂĽhjahr wegrasiert: “Unter den Junghasen sind hohe Verluste durch den Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen in Gras und Luzerne (GrĂĽnfutter) zu verzeichnen. Bis zu drei WĂĽrfe im Jahr sind möglich, von Mai bis Dezember, die Hauptsetzzeit erstreckt sich von April bis Juli.”

Es nutzt ihnen nichts. Ihr Lebensraum wird einfach ausradiert. Tatsächlich sind sie standorttreu. Wenn aber die RĂĽckzugsräume in ihrem Lebensraum verschwinden, war’s das. Das hier brauchen sie als Schutzraum im Revier: “Feldgehölze und Waldrandbereiche, aber auch Bracheflächen, werden gern als Tageslager oder Deckungs- und RĂĽckzugsflächen genutzt, v. a. im Herbst und Winter. Nachts bevorzugen Feldhasen ein offenes Lager mit niedrig wachsender Vegetation.”

Nur interessiert das die meisten Agrarbetriebe nicht. Die bevorzugen intensive Bewirtschaftung homogener Kulturflächen. Da ist des Hasen Tod.

Denn sie brauchen wenigstens ein MindestmaĂź von RĂĽckzugsräumen: “Die Hasenpopulationen sind größer bei einem gewissen Bracheanteil im Revier. In GrĂĽnlandgebieten sind inhomogene Strukturen geeignete Habitatbedingungen, zu gleichmäßiges GrĂĽnland ist eher negativ zu bewerten. Der Feldhase benötigt eine zeitliche und räumliche Heterogenität der Landschaft. Er ist auf das Vorhandensein extensiv genutzter Flächen wie Feldraine, Graswege oder Hecken zur Nahrungssuche, Rast und Jungenaufzucht angewiesen.”

Und was das Landesamt fĂĽr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie oben nur als Vermutung geäuĂźert hat, wird in der Analyse dann sehr deutlich sichtbar als wirkliche Ursache fĂĽrs Hasensterben: “Der Feldhasen-Bestand ist in Sachsen seit drei Jahren stabil, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau, Sachsen liegt mit 5-7 Individuen auf 100 ha an letzter Stelle im Bundesvergleich. Als Grund dafĂĽr wird die ausgeräumte Agrarlandschaft mit fehlenden Strukturen wie Feldrainen und Hecken angesehen. Höchste Populationsdichten werden fĂĽr Mitteleuropa bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in der kleinbäuerlichen Landschaft angenommen. In den östlichen Bundesländern sind heute zwischen 4-8 Individuen auf 100 ha anzutreffen, in den westdeutschen Bundesländern waren es 2007 zwischen 11 und 45 Individuen auf 100 ha. Die RĂĽckgänge bzw. das Nichterholen der Populationen wird auf einen Faktorenmix aus Witterung, Krankheiten, Bejagung, StraĂźenopfer, Biotop und Prädation zurĂĽckgefĂĽhrt.”

In der Defizitanalyse wird’s dann noch deutlicher: Habitatverlust, verarmte Landschaft, zu häufige Mahd, Verlust von Brachflächen.

“Eine wesentliche Ursache fĂĽr die angespannte Bestandssituation von Lepus europaeus ist der Habitatverlust durch Nutzungsintensivierung, Verarmung der Landschaft an Strukturen und eine Verringerung der Kulturartenvielfalt. Die direkte Vernichtung der Junghasen durch zu frĂĽhe und zu häufige Mahd im GrĂĽnfutter stellt weiterhin eine Gefährdung der Population dar. Erst in den letzten Jahren hat der starke RĂĽckgang an größeren Bracheflächen zur Verschärfung der Bestandssituation beigetragen.”

Die Rettungsvorschläge zielen alle auf die Schaffung solcher überlebenswichtiger Rückzugsmöglichkeiten.

Aber wie gesagt: Die BroschĂĽre erschien 2012. Passiert ist nichts.

Die BroschĂĽre “Alternative Förderansätze fĂĽr natĂĽrliche biologische Vielfalt” des Landesamtes fĂĽr Umwelt, Landwirtschaft und Geologie von 2012.

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