Karl Nolle - bei der Wahl zum neuen Sächsischen Landtag aus Altersgründen nicht noch einmal angetreten, hat trotzdem seinen Spaß mit den Genossen. Die wollen im Mai 25 Jahre SPD-Wiedergeburt in Sachsen feiern. Doch ein "besonderer Ehrengast" bereitet dem SPD-Urgestein Karl Nolle nun besonderen Spaß: der CDU-Ministerpräsident.

Dass man solche Spitzenleute auch aus anderen Parteien einlädt, ist Usus. Das hat die Bundes-SPD, als sie ihren 150. Geburtstag in Leipzig feierte, auch getan und damals Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeladen. Doch auch das blieb nicht ohne kritische Diskussion. Denn gleichzeitig lief der Wahlkampf so langsam an, bei dem sich die SPD eigentlich wieder als Alternative zur regierenden CDU profilieren wollte. Was ihr so recht bis heute nicht glücken will.

Vielleicht auch, weil sie eben doch zu brav ist und eine Einladung an die politische Konkurrenz ausspricht, als sei man miteinander auf bestem Fuß. Was beim Wähler meistens so auch ankommt.

Aber Karl Nolle, der fĂĽr die SPD von 1999 bis 2014 im Landtag saĂź, hat seine eigenen Rechnungen mit der sächsischen CDU im Allgemeinen und mit Stanislaw Tillich im Speziellen, offen. Damit hielt er in seiner Antwort an den Parteivorsitzenden (und stellvertretenden Ministerpräsidenten) Martin Dulig und den Generalsekretär Dirk Panter, die er zugleich öffentlich machte, auch nicht zurĂĽck. Besonders die Formulierung “besonderer Ehrengast” hat es ihm angetan. Die hätte zwar zu Leuten wie Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder gepasst, auch zu Francois Hollande oder Sigmar Gabriel – aber nun just zum Vorsitzenden der konkurrierenden CDU?

“Danke”, schrieb Nolle. “Ich kann mir, wie ihr auch, keinen besseren Ehrengast zur Jubiläumsfeier vorstellen, als Stanislaw Tillich, der wie wir heute wissen, immer schon ein heimlicher Förderer der SPD gewesen ist. Danke. Danke. Danke. – Dort kann uns dann Stanislaw Tillich in aller Ă–ffentlichkeit erläutern, was sein ganz persönlicher Anteil am revolutionären Prozess im Herbst 89 war, als er, ganz im konsequenten Widerstand zum von ihm gehassten SED Regime, von seinem erhabenen Standort hinter den Gardinen des Rates des Kreises Kamenz aus, als Staatsfunktionär, Reservekader und Nomenklaturkader der SED den revolutionären Prozess in Kamenz, noch Wochen nach dem Fall der Mauer, durch Enteignungen von Eigenheimbesitzern förderte.

Tillich setzte das mit hoher Kampfbereitschaft um, was er in seiner letzten Weiterbildungsveranstaltung dem Lehrgang fĂĽr Reservekader an der Akademie fĂĽr Staat und Recht der DDR in Potsdam im FrĂĽhjahr 89 begeistert aufnahm.

Wenn laut einer ĂĽberzeugenden repräsentativen Umfrage der SPD Fraktion 72 % der SPD Anhänger in Sachsen Vertrauen zu Stanislaw Tillich haben, wie groĂź wird dann erst die Zustimmung in unserem Wählervolk sein, wenn anlässlich von Jubiläumsveranstaltung und Vereinigungsparteitag am 29.5.15, der CDU- Landesvorsitzende Tillich die sächsische SPD als sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft in die Reihen der christdemokratischen Vertreter blĂĽhender Landschaften in Sachsen aufnimmt.”

Und er freue sich schon auf die Diskussionen am 29. Mai, “zu der hoffentlich viele Freunde Tillichs kommen.”

Dabei war die sächsische SPD ganz froh, dass sie ohne Karl Nolle in etwas ruhigeres Fahrwasser kam. Denn wie kein anderer SPD-Abgeordneter hat er die regierende CDU seit 1999 gequält mit Anfragen, Nachfragen und Anklagen in Sachen Korruption. Damit hat er Kurt Biedenkopf genauso getriezt wie dessen Nachfolger Georg Milbradt, dem er bis heute die Verwicklungen in die Kausa “Sachsen LB” nachträgt und an dessen erzwungenem RĂĽcktritt 2008 Nolle einen gehörigen Anteil hat. Was ihn selbst wieder zum Angriffsziel und zum Ziel von Ermittlungen machte, die sich nach Jahren des zähen Hin und Hers als haltlos erwiesen. Nolle weiĂź recht gut, wie sich der regierende Löwe wehren kann, wenn der Gegner zu hartnäckig ist.

“Subventionsbetrug” hieĂź der Vorwurf damals, just im Jahr nach Milbradts schwerem Abgang. Die Verdächtigung genĂĽgte, um Nolle waidwund zu schieĂźen und ihn fĂĽr die nächsten Jahre richtig mĂĽde zu machen. Was ihn nicht hinderte, in Sachen “Sachsensumpf” trotzdem immer wieder die Stimme zu erheben.

Auch seine Immunität versuchte man aufzuheben, ein bis heute bewährtes Muster in der sächsischen Politik, die politische Konkurrenz zu ärgern – selbst wenn es der Ministerpräsident von ThĂĽringen ist.

Aber schon 2009 hatte es Nolle satt mit diesem speziellen sächsischen Burgfrieden (denn die wirkliche SchĂĽtzenhilfe bekam er in der Krise vor allem von der Linkspartei – so schräg verlaufen manchmal die Fronten in Sachsen). Er verfasste damals sein Buch “Sonate fĂĽr Blockflöten und Schalmeien. Zum Umgang mit der Kollaboration heutiger CDU-Funktionäre im SED-Regime”, mit dem er fĂĽr die vergesslichen Sachsen noch einmal die Tatsache thematisierte, dass die CDU 1989 nicht wirklich die Revolutionspartei war, als die sich einige ihrer Vertreter heute gern hinstellen. Auch die sächsische SPD leidet bis heute darunter, dass sie – wie die GrĂĽnen – als damals völlig neue Partei trotzdem das Nachsehen hatte gegenĂĽber den gewendeten Altparteien, insbesondere der CDU, die in den 1990er Jahren mit dem Biedenkopf-Bonus und absoluter Mehrheit regierte.

Man ahnt, warum der 70-jährige einstige Gewerkschafter sich jetzt bärisch auf die Party am 29. Mai freut. Er muss ja keine Wahlen mehr gewinnen. Und wer die Zähler auf seiner Website sieht, der sieht auch noch einen anderen Grund, warum er die CDU nicht unbedingt für einen tollen Ehrengast hält: Da flackern die Zahlen, die die Umverteilung der Nettoprivatvermögen in Deutschland von unten nach oben beschreiben. Man sieht: Auch er hält nichts davon, dass Vermögende auf ihr Vermögen keine Steuern zahlen müssen.

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