An diesem Wochenende traf sich der Vorstand der sächsischen CDU zu einer Klausurtagung im Kloster St. Marienthal in Ostritz. Am Samstag, 7. März, hat man dabei über ein "Positionspapier zur Integrations- und Zuwanderungspolitik" diskutiert. Ein Papier, das an Zynismus kaum zu überbieten ist, wie die Grünen kritisieren. Und selbst die FDP verteilt für dieses Papier Watschen.
Am Freitag, 6. März, erklärte der sächsische FDP-Vorsitzende Holger Zastrow in Dresden, die Union sei auf diesem Themenfeld “hochgradig unseriös und nicht mehr ernst zu nehmen”.
“Seit Jahren stemmen sich die Christdemokraten gegen jeden Fortschritt in der Einwanderungs-, Asyl- und Flüchtlingspolitik und behaupten wie ein bockiges Kind, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, obwohl immer mehr Menschen nach Deutschland kommen.” Die sächsische Union trage diese Position von CDU und CSU seit Jahren mit. Auch von der CDU/SPD-Staatsregierung gäbe es keinen Vorstoß für ein modernes Einwanderungsrecht und dringend notwendige Korrekturen in der Asylpolitik im Bundesrat. “Die sächsische CDU schweigt sich in Berlin aus, sitzt brav auf dem Schoß von Merkel und Seehofer, tut aber in Sachsen so, als sei man ein bissiger Hund”, so Zastrow weiter.
“Leider fallen Worte und Taten sehr weit auseinander. Die CDU/SPD-Staatsregierung hat mit einer völlig wirkungslosen Integrationsministerin zwar einen neuen Posten geschaffen und führt über Lenkungsausschüsse, Expertenkommissionen und Asylkoordinierungsstellen permanent neue Gesprächskreise ein. In der praktischen Asyl- und Flüchtlingspolitik versagt die Landesregierung jedoch am laufenden Band, lässt die Kommunen mit ihren Problemen allein und selbst das Bundesamt für Migration attestierte Sachsen schwere organisatorische Defizite bei der Aufnahme der Asylbewerber. Auch der hilflose Umgang mit den Protesten auf der Straße sind ein Kennzeichen für das Versagen der Union in dieser Frage.”
Zastrow erinnerte in diesem Zusammenhang an die vor vier Jahren im Bundestag gestartete Initiative der FDP für eine zeitgemäße Einwanderungsgesetzgebung. Damals und erneut 2012 hatten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ein auf einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild basierendes Zuwanderungsrecht vorgeschlagen. Die Initiative scheiterte am Widerstand der Unionsparteien.
“Hätte man damals gehandelt, hätten wir heute viele Probleme nicht.” Auch damals hieß die Kanzlerin bereits Angela Merkel und Stanislaw Tillich war Ministerpräsident und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender.
Aber unter dem eigentlich agierenden Minister in Asylfragen in Sachsen, dem Innenminister Markus Ulbig (CDU), hat sich nichts geändert. Tatsächlich schürt er jedes Mal, wenn er zum Thema Stellung nimmt, die alten, falschen Ressentiments. Das Thesenpapier ist gespickt mit diesem amtlich gemachten Misstrauen. Bei ihm gibt es kein einziges Bekenntnis zur Asylpolitik, ohne dass er der Öffentlichkeit gleich wieder klarmacht, dass man eigentlich nur gegen Missbrauch kämpfe.
Gleich im zweiten Absatz heißt es: “Migration und Asyl sind eine besondere Herausforderung, die nur in Gemeinsamkeit von Bürgergesellschaft, Behörden und Politik gelöst werden kann. Notwendig ist deshalb eine konsequente Politik, um einerseits allen, die in Not sind, schnell helfen zu können, aber auch andererseits dem Missbrauch entschieden zu begegnen.” Und so geht das munter weiter.
“Das Papier ist an Zynismus kaum zu überbieten. ‘Misstrauen statt Menschenwürde’ sollte die Überschrift lauten. Da wird Menschen unterstellt, sie würden freiwillig ihre Papiere und damit die eigene Biografie aufgeben wollen, wird zwischen nützlichen und unnützen Menschen unterschieden und der bei der CDU übliche Bekenntniszwang gefordert”, erklärt dazu Christin Bahnert, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. “Die CDU lenkt vom eigenen Versagen in Sachsen ab. Es fällt kein Wort zum Unterbringungschaos oder zu unwürdigen Lebensumständen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates. Stattdessen werden Forderungen aufgestellt, die nicht in Sachsen, sondern auf Bundesebene zu klären sind”, stellt Bahnert fest und nennt Forderungen nach Eingriffen in die Entwicklungshilfe und die politische Festlegung “sicherer Herkunftsländer” als Beispiele.
Das klingt im Papier ganz im gewohnten Ulbig-Ton so: “Um dem Asylmissbrauch vorzubeugen, sind alle demokratischen Parteien in der Verantwortung, die notwendigen Reformen im Asylverfahrensgesetz anzustoßen. Nur durch strikte und schnelle Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Antragstellern können wir den kriminellen Schlepperbanden das Handwerk legen.”
Zwischendurch fällt dann auch so ein Satz: “Zuwanderung über das Asylverfahrensgesetz ist der falsche Weg.” Der eigentlich eine Drohung ist: Wer nach Sachsen flüchtet, weil ihm die Heimat unter den Füßen weggeschossen wurde, den wollen Ulbig & Co. in Sachsen eigentlich nicht haben. Sie wollen eigentlich nur fix und fertige passgenaue Arbeitskräfte: “Wir brauchen eine nach den wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen gesteuerte Zuwanderung. Die zuwanderungsrelevante Liste mit Mängelberufen muss in Zukunft häufiger aktualisiert werden.”
Tatsächlich ist das Papier nichts anderes als eine geballte Forderungsliste zur weiteren Verschärfung des Asylrechts.
Und zwischendurch findet sich eine Ansage, die an Anbiederung an Pegida & Co. kaum noch zu übertreffen ist: “Unser Leitbild ist ein weltoffener Freistaat, dessen Einwohner mit einer guten Portion Patriotismus und lebendigem Interesse an anderen Kulturen und Menschen die Erfolgsgeschichte Sachsens fortschreiben, und der eine gute Heimat für alle Menschen ist, die sich zu unseren kulturellen Werten bekennen.”
Welche kulturellen Werte? Die von Herrn Ulbig? Da drehen die Asylsuchenden wahrscheinlich lieber gleich wieder ab und suchen sich ein Land mit größerem Herzen.
Christin Bahnert will zumindest zugestehen, dass die CDU auch feststellt, dass in Sachsen wichtige Voraussetzungen zur erfolgreichen Integration fehlen: “Immerhin: Sachsens CDU stellt in ihrem Thesenpapier auch fest, dass ihre eigene Politik Integration verhindert. Wo sind denn ausreichend Deutschkurse für Asylbewerber? Wo ist die interkulturelle Kompetenz in der Verwaltung? Das sind Punkte, die wir Grünen seit Jahren fordern und die von der CDU immer abgelehnt wurden.”
Zum Vorschlag einer Imagekampagne zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte stellt Bahnert abschließend fest: “Solange in Sachsen miefige Provinzpolitik mit Mauern in den Köpfen vorherrscht, hilft die beste Werbekampagne nicht.”
Die These klingt auch nicht so, als würde irgend jemand, der nur ein bisschen Lebenslust im Bauch hat, auf so eine Kampagne hin gerade nach Sachsen kommen: “Wir brauchen eine Imagekampagne für den Wirtschaftsstandort Sachsen, um die Unternehmen bei der Anwerbung von qualifizierten Fachkräften auch auf dem internationalen Markt zu unterstützen.”
Und am Ende steht dann noch so ein Satz, der zum Kopfschütteln anregt: “Wir brauchen eine gezielte Einbürgerungskampagne für bereits berufstätige Zuwanderer in Sachsen.”
Warum macht es die CDU nicht einfach? Und zwar mit allen Asylbewerbern, die hier arbeiten wollen.
Irgendwie träumt man im Dresdner Thronsaal wohl davon, dass man sich die Zuwanderer aussuchen kann. Und die anderen schickt man eben schnell wieder weg. So macht man wirklich Menschen erster, zweiter und dritter Klasse.
Es gibt 6 Kommentare
Hallo JG,
Auftraggeber? Jetzt wirds ja verschwörerisch. Schade.
Inhaltlich noch was zu sagen?
Stichwort: “suspekt” => Heisst in diesem Zusammenhang “unverständlich?”. Dann bitte gezielt nachfragen oder eigenen Standpunkt darlegen.
@ Dirk
Ich kenne Ihre Auftraggeber nicht, aber der Aufbau Ihrer Ausführungen in diesem Kontext, Ihre Ansätze, Her- und Ableitungen sind mir suspekt.
Hallo JG,
Dein Verweis auf die Abwanderung von Ostdeutschen aufgrund fehlender Perspektiven zeigt ja, daß Du mich verstanden hast. Den gleichen Anreiz bietet Deutschland aufgrund seiner schlechten Einwanderungspolitik unfreiwillig. Und mit jedem Tunesier, Lybier, Somalier etc. der in seinem Heimatland etwas aufbauen könnte, durch den Reiz jedoch beschließt sein Glück in Deutschland zu suchen, werden die Herkunftsländer ärmer, und radikalisieren sich weiter. So heizt die LINKE unfreiwillig die Konflikte an (ja das ist überspitzt). Eine funktionierende Entwicklungshilfepolitik ist nötig. Bildungsdurchsetzung in den Armen Ländern. Stabilität durch fähige, korrekte Polizei. Unabhängige Justiz als Voraussetzung für Entwicklungshilfe. Wenn Entwicklungshilfe, dann aber richtig und zwar 6% des BIP nicht 0,1% (ich glaube es ist sogar weniger!). Damit wäre auch die oft pauschal angeprangerte “Kapitalistische Ausbeutung der Entwicklungslaender” passe. Und ja, die staatliche Souveränität dieser Regierungen leidet, der Nationalstolz ist gekränkt – aber diese Laender schaffen es nicht allein eine Demokratie oder auch nur eine halbwegs stabile und gerechte Monarchie oder Diktatur zu etablieren. Im Grunde genommen sind Syrien und der Iran ja stabile Systeme gewesen! Ob der bewusst geförderte islamische Frühling nicht eher eine unglaublich überheblich westliche Einflussnahme war und der IS als Antwort ungeahnte Folgen haben wird bleibt abzuwarten. Aber so hat jeder seine Interpretation zur Weltpolitik, ihren Motivationen und ihren Zielen….
@ Dirk
“…und globale Konflikte nur aufgrund mangelnder Kompetenz und Objektivität weiter anheizt…”
Die Linke heizt in Afrika Konflikte an?
Wie denn das?
“…die Lebensverhältnisse schlecht sind, muss dies nicht über Entvölkerung und Abwanderung der mobilen Menschen, sondern über intensive Entwicklungshilfe gelöst werden….”
Meinen Sie wie Deutschland?
Ach nein, hier sind ja schon die mobilen Menschen gen Westen verschwunden.
Ja, die Kritik an der überfälligen Änderung des Zuwanderungs zu einem Einwanderungsgesetz ist richtig. Genau das hat die CDU offenbar erkennt, wenn man den Satz “Zuwanderung über das Asylverfahrensgesetz ist der falsche Weg.” objektiv interpretiert.
Er heisst schlichtweg: Bitte nach Einwanderern und Flüchtlingen unterscheiden. Erstere kommen aus sicheren Staaten. Zweitere aus armen Staaten.
Natürlich sind unsichere Staaten oft auch arme Staaten und somit kann ein Flüchtling durchaus Einwander sein (sprich hier eine Existenz aufbauen, permanent hier bleiben).
Generell ist die LINKE Position der Nichtunterscheidung falsch, da sie die Armut in den Herkunftsländern weiter verstärkt und globale Konflikte nur aufgrund mangelnder Kompetenz und Objektivität weiter anheizt, anstatt den Menschen vor Ort zu helfen eine Existenz aufzubauen.
Wenn die “Unsicherheit” darin besteht, daß dort die Lebensverhältnisse schlecht sind, muss dies nicht über Entvölkerung und Abwanderung der mobilen Menschen, sondern über intensive Entwicklungshilfe gelöst werden. Genau das versucht zum Beispiel die Regierung des Kosovo gerade umzusetzen – die Menschen dazu zu bewegen im Land zu bleiben und dieses aufzubauen. Denn eines ist klar: Die rechtlichen Rahmenbedinungen, die politische Stabilität und die Menschenrechte sind im Kosovo vorhanden!
P.S.: Welche Partei hier überhaupt den Wählerauftrag sieht, dieses globale Problem zu thematisieren und umzusetzen, würde mich interessieren.
Dieses Thesenpapier ist ein weiterer Beleg dafür, dass “die Union” eine, für die Lösungen heutiger und zukünftiger gesellschaftlicher Aufgaben, im höchsten Maße ungeeignete Institution ist.
Die konservierten Ansätze aus alt testamentarischen Erzählungen wie sie die Union als Leit- und Handlungsfaden postuliert, sind pures Gift.
CDU/CSU = Union
Union = Konservatismus
Konservatismus = „Eine politische Weltanschauung, die die Stärken der Tradition hervorhebt, die herrschende politische Ordnung bewahrt bzw. stärkt und die vorgegebene Verteilung von Macht und Reichtum vor Kritik schützt.
Der politische K. ist antimodernen Ursprungs; er entstand als Gegenbewegung zu den Ideen der Aufklärung und der Prinzipien von Vernunft und Kritik.“
Die Union ist das Kamel im Nadelöhr = untauglich.
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17742/konservatismus