Über Demokratie reden kann jeder. Aber Demokratie mit Leben erfüllen, das braucht Zeit, Kraft, Nerven. Auch vom Demos, dem Volk. Wer sich nicht einbringt, kann nichts gestalten. Tatsächlich ackern auch ein paar Parteien in Sachsen schon seit Jahren für mehr Volksbeteiligung. Die heißen Linke und Grüne und haben jetzt einen Gesetzentwurf für mehr direkte Demokratie vorgelegt.

Und sie merken dabei an, dass es auch da seit 24 Jahren eine Fehlentwicklung gegeben hat, bei der sich die regierenden Parteien in ihren politischen Elfenbeinturm zurückgezogen haben und entsprechend weltfremde Politik machen. Motto: Nur nicht reinreden lassen. Schon gar nicht vom Bürger.

Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, die den Gesetzentwurf zusammen mit der Grünen-Fraktion eingereicht hat: “Die Volksgesetzgebung ist nach unserer Landesverfassung der Gesetzgebung durch den sächsischen Landtag gleichgestellt – in der Theorie. In der Praxis kam sie aber in Sachsen seit Anfang der neunziger Jahre nur einmal zum Zuge. Wir wollen mit einer Absenkung der Quoren die bisherige traurige Realität der direkten Demokratie auf die Höhe des Verfassungsanspruchs bringen. Eine solche Absenkung der Hürden findet bis weit in konservative Kreise hinein Sympathie, und deshalb sollte die CDU ihre Blockade bei diesem Thema aufgeben. Zugleich wollen wir, dass die Menschen durch Volksanträge künftig auch ohne den Zwang zur Formulierung eines Gesetzentwurfs Themen auf die Tagesordnung des Landtags bringen können. Das dient einer  besseren Rückkoppelung der Abgeordneten an den Diskussionsbedarf, den die Bevölkerung in Sachsen hat, und damit einer Verbesserung der politischen Kultur.“

Alle Macht dem Volke? – Was für ein Witz.

Tatsächlich sind auch in Sachsen die Hürden für Volksabstimmungen so hoch, dass sie von Bürgern und Initiativen nur in einem gewaltigen Kraftakt gemeistert werden können. 450.000 Unterstützerunterschriften für ein erfolgreiches Volksbegehren – das ist einfach eine Schikane, wenn man bedenkt, dass man mit so einer Stimmenzahl bei der letzten Landtagswahl zweitstärkste Partei im Landtag geworden wäre mit rund 30 Prozent – selbst die CDU, die auf 39 Prozent kam, hatte nur 645.414 Stimmen. Wer sich wirklich mal mit Zahlen beschäftigt, merkt schnell, wie die Regelungen für Volksabstimmungen so gefasst sind, dass das Volk regelrecht entmutigt wird, auch nur dran zu denken.

Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke haben deshalb ein Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen in den Sächsischen Landtag eingebracht. Ziel des Gesetzentwurfs ist die Verbesserung der in der Verfassung vorgesehenen Möglichkeit für sächsische Bürgerinnen und Bürger, an der Gesetzgebung und politischen Willensbildung mitzuwirken.

Dazu sieht der Gesetzentwurf vor, die Quoren zur Einreichung eines Volksbegehrens auf 175.000 Unterstützungsunterschriften, jedoch nicht mehr als 5 Prozent, herabzusetzen (statt der angeprochenen 450.000). Für einen Volksantrag sollen künftig 35.000 Unterstützungsunterschriften ausreichen. Zudem sollen Sachsens Bürgerinnen und Bürger künftig auch die Möglichkeit haben, einen Volksentscheid gegen ein vom Landtag verabschiedetes Gesetz durchzuführen. Eine weitere Neuerung regelt der Entwurf mit der Möglichkeit, dass der Landtag ein bereits beschlossenes Gesetz zum Gegenstand eines Volksentscheids machen kann.

Dazu Eva Jähnigen, rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion: “Sächsische Bürgerinnen und Bürger haben häufig das Gefühl, die Arbeit der Politik und des Landtages habe mit ihnen nichts zu tun oder gehe an ihnen vorbei. Wir möchten mit diesem Gesetzentwurf darauf antworten und ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, die die Sächsische Verfassung ihnen bietet.”

Nur wenn das Unterschriftenquorum deutlich gesenkt wird, haben Voksbegehren überhaupt eine reelle Chance, zum  festen Repertoire der Demokratie in Sachsen zu werden. Wofür es längst höchste Zeit ist. Denn mittlerweile haben die Wähler ganze Serien arroganter obrigkeitlicher Entscheidungen erlebt, manche im Großen, manche im Kleinen – jede in der Haltung: “Was wollt ihr denn? Wir regieren.”

Das betrifft auch den einzigen Volksentscheid in Sachsen, der überhaupt zustande kam: den Entscheid zum “Gesetz zur Erhaltung der kommunal verankerten Sparkassen im Freistaat Sachsen” von 2001, der deutlich ausfiel, so deutlich, dass das Gesetz gecancelt werden musste. Was die damalige CDU-Regierung nicht davon abhielt, einfach ein neues Gesetz zu machen.  Die Luft für ein neues Volksbegehren war dann raus. Das nennt man wohl Kaltschäuzigkeit.

Was soll sich ändern?

Drei wesentliche Dinge soll das Gesetz ermöglichen:

  • Das Quorum für Volksanträge wird von 40.000 auf 35.000 Unterschriften, für Volksbegehren von 450.000 Unterschriften bzw. maximal 15 Prozent der Stimmberechtigten auf 175.000 Unterschriften bzw. nicht mehr als fünf Prozent der Stimmberechtigten gesenkt.
  • Die Bürger/innen können mit einem Volksantrag den Landtag zur Befassung mit einem Thema veranlassen, ohne dass sie einen förmlichen Gesetzentwurf vorlegen müssen. Die Frist für die Behandlung des veröffentlichten Volksantrages wird von sechs auf vier Monate verkürzt.
  • Der Landtag darf künftig ein von ihm beschlossenes Gesetz einem Volksentscheid überantworten, sodass das Volk in einem solchen Fall das letzte Wort bekommt.

“Schon jetzt sieht unsere Verfassung vor, dass Gesetze durch Volksentscheide beschlossen werden können”, sagt Eva Jähnigen. “Die Bürgerinnen und Bürger können also grundsätzlich selbst bestimmen, welche Gesetze ihr Zusammenleben regeln sollen. Aufgrund der hohen Quoren gab es in Sachsen in den vergangenen 20 Jahren allerdings erst einen erfolgreichen Volksentscheid. Mit der Absenkung der Quoren wollen wir diese Möglichkeit erleichtern. Für uns Parlamentarier bietet der Gesetzentwurf die Chance, die Forderungen und Vorschläge der sächsischen Bürgerinnen und Bürger besser zu erkennen und danach zu handeln.”

Gesetzentwurf “Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen”.

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Es gibt 2 Kommentare

Der Weg ist der Richtige! Würde dieser Vorschlag angenommen, könnte auch Otto-Normalbürger per Volkswillen eher einmal ein Thema lodern lassen, statt sich wie bisher immer nur auf die Finger zu beißen, wenn “die da oben wieder mal nur das machen, was die wollen”.

Würde sich der Volkswillen immer so im Landtagshandeln niederschlagen, wie zum Wahlkampf angekündigt und versprochen, gäbe es Ihr angesprochenes Problem und viele andere gar nicht mehr…

“Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke haben deshalb ein Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen in den Sächsischen Landtag eingebracht. Ziel des Gesetzentwurfs ist die Verbesserung der in der Verfassung vorgesehenen Möglichkeit für sächsische Bürgerinnen und Bürger, an der Gesetzgebung und politischen Willensbildung mitzuwirken.”

Hier ist die Frage angebracht, ob dieses Gesetzt auch ohne den Unmut der Bürgerinnen und Bürger Sachsen über die Politik in Sachsen eingebracht worden wäre (inbegriffen der Demonstrationen), Trotzdem betrachte ich das mehr als Schauveranstaltung. Weshalb gehen beide Parteien nicht dorthin, wo das Feuer lodert. Weshalb bringt man nicht endlich die längst überfällige Reform der kommunalen Finanzkontrolle auf die Tagesordnung? Immer fein nach dem Motto, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Erbärmlich.

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