Es gibt in Sachsen schon lange keinen sozialen Wohnungsbau mehr. Wenn er es noch nicht vorher wusste, so hat der Landtagsabgeordnete der Linken, André Schollbach, nun noch einmal die Bestätigung vom zuständigen Innenminister Markus Ulbig (CDU) bekommen. In den Antworten auf zwei Kleine Anfragen stellt er klar, dass es seit 2010 keinen sozialen Wohnungsbau gibt. Irgendwie ist er dabei noch im Jahr 2002.

So jedenfalls der Eindruck, denn die Anpassung der zu Grunde liegenden Gesetze erfolgte 2002. Das war damals noch die Reaktion auf einen bundesdeutschen Wohnungsmarkt, den auch die Bundespolitik als “weitestgehend ausgeglichen” betrachtete. Man wollte seinerzeit schlicht auf die veränderten Erfordernisse reagieren und die Gelder verstärkt in energetische Sanierung und die Herstellung von Barrierefreiheit stecken.

Doch das ist nun 13 Jahre her. Nicht nur in westdeutschen Städten hat sich die Lage dramatisch verändert – eine Entwicklung, die 2002 so ganz bestimmt noch nicht vorauszusehen war.

Doch in Sachsen gehen die Uhren noch viel langsamer. Seit 2007 obliegt die Hoheit über die Wohnraumförderung den Ländern. Eigentlich etwas Gutes – die wissen ja eigentlich am besten, wo der Schuh drückt und wohin die Gelder gelenkt werden müssen, damit Probleme und Engpässe möglichst vermieden werden können.

Regiert wird an dieser Stelle in Sachsen nicht mit einem eigenen Gesetz, sondern mit vom Innenminister (Markus Ulbig) erlassenen Förderrichtlinien. Zuletzt hat er dazu im Frühjahr 2014 mal Stellung genommen und festgestellt, dass man an der seit 2007 geltenden Handhabung eigentlich nichts ändern muss.

„Wohnen in Sachsen 2020“ nannte er das Wohnungspolitische Konzept, das er damals dem Kabinett vorstellte. “Damit werden die bestehenden erfolgreichen Wohnraumförderprogramme fortgeführt und weiter entwickelt. Dabei soll neben der Wohneigentumsbildung und der energetischen Sanierung insbesondere das barrierefreie bzw. -reduzierende Bauen gefördert werden, um noch stärker auf den demografischen Wandel einzugehen”, beschrieb sein Ministerium den alten Inhalt, der sich nicht verändert hatte. Der Minister hatte ja auch keine neuen Richtlinien beschlossen.

Ulbig selbst damals: „Unsere Fördermaßnahmen zielen treffsicher auf den aktuellen und künftigen Bedarf. Wichtig ist, dass es ausreichend Wohnungen für jeden Anspruch gibt: Wir greifen speziellen Lebenslagen unter die Arme, wie beispielsweise jungen Familien oder älteren Menschen.“

Das Papier zeigte in einem sauberen Zirkelschluss, dass das Ministerium alles richtig machte: In Sachsen sei genügend Wohnraum vorhanden, sei da zu lesen, und das Angebot auf dem Wohnungsmarkt übersteige die Nachfrage, was vor allem die Quote von Wohnungsleerständen zeige, die im Freistaat bei knapp 10 Prozent und damit bundesweit am höchsten läge. Auch beim Preis für Wohnraum belegte Sachsen einen Spitzenplatz: Nur 20,5 Prozent eines Haushaltsnettoeinkommens müssen durchschnittlich für die Bruttokaltmiete aufgewendet werden – so wenig wie in keinem anderen Bundesland.

Das ist die typische Ulbig-Sicht: Alles in einen Topf schmeißen, ja keine Unterschiede sehen. Dass der wachsende Leerstand in den ländlichen Räumen einer zunehmenden Wohnungsknappheit in den Großstädten gegenüber steht, war ihm keine Erwähnung wert. Dresden und Leipzig sind mittlerweile bei Leerstandsquoten von 5 Prozent angekommen. In Leipzig liegt die Belastung der Einkommen mit Miete mittlerweile bei 35 Prozent.

Doch das Ministerium vermeldete nur: “Das Konzept zeigt auf, dass es in Sachsen verstärkt differenzierte Anforderungen an die Wohnungsmärkte geben wird. Während im ländlichen Raum der Leerstand ansteigen wird, sind Leipzig und Dresden auf Wachstumskurs. Auch diese Entwicklung bleibt im Fokus. So profitieren beide Großstädte bereits heute überdurchschnittlich aus dem Wohnraumförderfonds des Freistaates Sachsen.”

Doch diese Wohnraumförderung kommt vor allem jener Minderheit zugute, die auch vom Einkommen her in der Lage ist, sich Wohneigentum zu schaffen. Wer gut verdient, hat in Sachsen kein Problem, eine Förderung zu bekommen.

Doch seit zwei Jahren wird intensiv darüber gesprochen, dass der soziale Wohnraum in den Großstädten knapp wird. Wohnraumförderung, wie sie Sachsen betreibt, hat mit sozialem Wohnungsbau nichts zu tun.

Doch seit 2010 ist die Summe, mit der Sachsen die Schaffung von Wohneigentum fördert, permanent gestiegen – von 6,6 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 25,3 Millionen Euro im Jahr 2014, wie André Schollbach auf seine zweite Kleine Anfrage am 28. Februar erfuhr.

Der zweitgrößte Posten in dieser sächsischen Wohnraumförderung ist die energetische Sanierung, die wenigstens zum Teil auch da zum Tragen kommt, wo sozialer Wohnraum von Wohnungsgenossenschaften aufgewertet wird. Von 14,9 Millionen Euro stieg die Fördersumme hier bis 2013 auf 25,8 Millionen Euro. Aber hier ist seit 2014 der Wurm drin – die Summe fiel auf 18,9 Millionen Euro. Und wenigstens teilweise der Sanierung von sozialem Wohnraum kommen die Mittel zur Herstellung von “Mehrgenerationenwohnraum” zugute. Aber die Summe lag 2010 mit  4,6 Millionen Euro sogar doppelt so hoch wie 2014 mit 2,1 Millionen Euro.

Auch das ein Zeichen dafür, dass die Weichenstellung von 2002 im Jahr 2015 kaum noch Sinn macht. Die Wohungsgesellschaften und -genossenschaften, die in Sachsen sozial-verträglichen Wohnraum bereitstellen, sind an der Grenze ihrer Leistungsmöglichkeiten angekommen und müssten in Dresden und Leipzig längst wieder in den Neubau sozialen Wohnraums einsteigen. Doch dafür gibt es keine Förderung.

Die Kleine Anfrage zur Wohnraumförderung 2010 bis 2013.

Die Kleine Anfrage zur Wohnraumförderung 2014.

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Es gibt 5 Kommentare

@herrn kuhlow
1. Wenn das Thema “Sozialer Wohnungsbau” jetzt von der Politik als wichtig erkannt wird, wann, denken Sie, werden die ersten Wohnungen bezugsfertig sein?
wenn, dann in ca. drei Jahren. Aber wir brauchen eben keine – s. leerstand und mietniveau.
2. Sollte die Bevölkerungszahl Leipzigs auch in den kommenden Jahren um ca. 12.000 Personen pro Jahr anwachsen, wann ist dann mit einer Verknappung von Wohnraum zu rechnen?
hätte, könnte, sollte. das derzeitige haupteinzugsgebiet (umliegende region) leipzigs ist endlich s.a. http://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/buergerbeteiligung-und-einflussnahme/leipzig-weiter-denken/beteiligen/wohnen-in-der-wachsenden-stadt/akteurs-und-expertenworkshops-zum-wohnungspolitischen-konzept/?eID=dam_frontend_push&docID=33153 s. 8/16 – heißt – die zuwanderung wird wieder geringer werden. selbst wenn nicht, ist die reserve bei leerstandszahl x durchschn. haushaltgröße + jetzige und schnell mögliche zuwächse durch neubau / sanierung / reaktivierung noch in steuerungsfähigem umfang für die nächsten jahre da. würde sagen locker bis 2020. aber wenn die zuwanderung nicht kommt – was dann mit leeren wohnungen, die auf teufel komm raus gebaut wurden? d
3. Welche Folgen hat die Verknappung entsprechend den marktwirtschaftlichen Prinzipien auf die Mieten?
verknappung lässt mieten steigen – das ist klar und normal – das passiert allerdings in leipzig teilräumlich und nicht flächendeckend und von niedrigem niveau s.u.
4. Warum verwenden Sie die Formulierung “bei sagenhaften 5,08 Euro kalt”? Ist dies im Zusammenhang mit der bekannten Einkommenssituation der Haushalte hier vor Ort gerechtfertigt? Unterfrage: “sagenhaft” im Vergleich mit welcher Stadt? Ist dieser Vergleich realistisch – und überhaupt möglich?
für 5,08 Euro kann man normaler Weise eine Wohnung schwer oder nicht nachhaltig bewirtschaften. Es dürfte keine deutsche Großstadt geben, die derart niedrige Durchschnittsmieten hat, auch ERfurt, Jena, Dresden und Halle nicht. Das resultiert letztlich aus dem ehemals dramatischen Leerstand von 60 TSD Wohnungen, der damit einhergehenden Angebotsschwemme und der Tatsache, dass darüber jede Menge Ersteigentümer von Wohnungen pleite gegangen sind und die Nächsterwerber die Immobilien billig bekommen haben und deshalb mit Niedrigstmieten auskommen. 5,08 Euro Durchschnittsmiete, bei Genossenschaften sind es noch weniger reichen eben nicht, um das immer teuerer werdende Wirtschaftsgut Wohnung (baukostensteigerungen ohne ende) zu finanzieren. Das ist einfach so.
Der Hauptpreistreiber sind aktuell die Nebenkosten, vor allem Heizkosten die allein von 2000 – 2014 um 117% gestiegen sind – und hier landet das Geld bei den Versorgern (in Leipzig mehrheitlich bei den SWL und damit der Stadt).

Lieber Michael
Dir für deine erfolgreiche Suche noch der Hinweis, es werden Wohnungen als barrierefrei angeboten, nur weil ein Fahrstuhl im Haus ist.
Ein böser ignoranter Irrtum und ja, es gibt sehr dumme Makler.
Schnell erkennt man den Irrtum im Bad, denn dort ist dann eine Wanne und keine bodengleiche Duschen eingebaut.
Weitere Einzelheiten findest du im BGG.

Lieber Michael,
am Ende des zweiten Absatzes heißt es:
“Man wollte seinerzeit schlicht auf die veränderten Erfordernisse reagieren und die Gelder verstärkt in energetische Sanierung und die Herstellung von Barrierefreiheit stecken.”
Sie schreiben “Leipzig hat aktuell ca. 7% Leerstand “.
Das ist einfach nur falsch!
Denn der Leerstand bezieht sich eben nicht auf die genannte Wohnungskategorie “energetisch Saniert und Barrierefrei.
Letzteres erfüllt im besonderen die Kriterien des “sozialen Wohnungsbau” und wird völlig vergessen.
In ganz Deutschland gibt es 1% barrierefreie Wohnungen. 1% !!!
Stöbern Sie bitte bei Immonet und suchen mal 60qm, 2 Zimmer, Balkon, das Übliche eben nur barrierefrei. und dann kommen Sie wieder.

Hallo Michael, dann würde ich gern ein paar Fragen an Sie (und die anderen Leser) stellen. Vielleicht haben Sie ja Lust, mit mir/uns weiter über das Thema nachzudenken:
1. Wenn das Thema “Sozialer Wohnungsbau” jetzt von der Politik als wichtig erkannt wird, wann, denken Sie, werden die ersten Wohnungen bezugsfertig sein?
2. Sollte die Bevölkerungszahl Leipzigs auch in den kommenden Jahren um ca. 12.000 Personen pro Jahr anwachsen, wann ist dann mit einer Verknappung von Wohnraum zu rechnen?
3. Welche Folgen hat die Verknappung entsprechend den marktwirtschaftlichen Prinzipien auf die Mieten?
4. Warum verwenden Sie die Formulierung “bei sagenhaften 5,08 Euro kalt”? Ist dies im Zusammenhang mit der bekannten Einkommenssituation der Haushalte hier vor Ort gerechtfertigt? Unterfrage: “sagenhaft” im Vergleich mit welcher Stadt? Ist dieser Vergleich realistisch – und überhaupt möglich?

Ich freue mich auf Ihre Gedanken zum Thema.
Patrick Kulow (L-IZ.de)

Ich verstehe den Ansatz und die Sorge in der Argumention zum Wohnungsmarkt. Aber bei dieser wichtigen Frage ist Faktengenauigkeit wichtig. Und da zeigen alle Kennziffern eben: Leipzig hat aktuell ca. 7% Leerstand (markfähige und kurzfristig aktivierbare Wohnungen) – das ist für eine deutsche Großstadt imens. Die Fluktuationsreserve liegt bei 1-3%, wir sind also noch weit von Notständen entfernt. Die Durchschnittsmiete liegt lt. Stadt bei sagenhaften 5,08 Euro kalt (!!) – hier muss man bei der derzeitigen Zuwanderung sicher beobachten, aber wirklich keinen Alarm machen und sozialen Wohnungsbau braucht es in Leipzig (noch) nicht. Wirklich nicht.

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