4,2 Millionen Euro will das sächsische Staatsministerium des Inneren für ein Kompetenzzentrum zur polizeilichen Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) in den nächsten zwei Jahren ausgeben. An der geplanten Anstalt des öffentlichen Rechts sollen neben Sachsen auch Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen partizipieren. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag, verlangt nun von Innenminister Markus Ulbig Aufklärung. L-IZ.de hat nachgefragt, wie er überhaupt vom Vorhaben erfahren hat und was ihm daran Kopfschmerzen bereitet.
Herr Lippmann, waren Sie über das neue Projekt überrascht?
Ja. Davon hatte ich vor der Lektüre des Entwurfs des Haushaltsplans 2015/2016 noch nichts gehört. Der Landtag ist diesbezüglich bisher weder mit einem Gesetz noch einem Staatsvertrag befasst gewesen, von daher war das schon eine Überraschung, dass hierfür plötzlich konkrete Gelder eingestellt werden.
Ein Vorhaben für ein Überwachungszentrum kommt nicht über Nacht. Hatte die sächsische Regierung in der Vergangenheit Ausführungen gemacht, dass im Bereich der Telekommunikationsüberwachung zukünftig Ressourcen fehlen würden?
Davon ist mir bisher nichts bekannt gewesen. Anfang Januar haben Generalstaatsanwälte bei einem Treffen von einem “Ermittlungsnotstand” (Link zur Tagesschau) gesprochen: Von (technischen) Problemen bei der Auswertung der Telekommunikationsüberwachung war bisher jedoch in der Form nicht die Rede. Sicherlich veraltet auch in diesem Bereich die Technik – ob es deshalb aber überhaupt eines TKÜ-Zentrums mit anderen Bundesländern bedarf, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Über vier Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre sind viel Geld. Wie bewerten Sie die Ausgaben im Vergleich zu den allgemeinen Kürzungen in vielen Bereichen in Sachsen? Ist es nicht etwas widersprüchlich zur Polizeireform 2020?
Hohe Ausgaben im Bereich der Polizeitechnik haben in Sachsen leider gute Tradition. Viele Millionen Euro wurden etwa für die Errichtung des BOS-Polizeifunk ausgegeben. Auch für mobile Kennzeichenscanner und Polizeidrohnen gibt Sachsen gern Geld aus. Dass aber für erfolgreiche Ermittlungen in erster Linie gutes Personal erforderlich ist, wird bei allen Sparbemühungen oft vergessen. Die Polizeireform 2020 sieht vor allem den Abbau von Personal vor. Der ist durch Technik nicht wettzumachen – auch wenn einige diesem Irrglauben erlegen sind. Sachsen braucht vor allem ausreichend Polizistinnen und Polizisten statt teurer Überwachungstechnik.
Warum verstößt Ihrer Meinung nach das Zentrum gegen jegliche gesetzliche Grundlage?
Ein solches Zentrum verstößt nicht gegen jegliche gesetzliche Grundlage, sondern es fehlt ihm bisher an einer gesetzlichen Grundlage. Laut Haushaltsplan soll dieses Zentrum als Anstalt des öffentlichen Rechts ausgestaltet sein. Eine solche Anstalt kann nur mit oder aufgrund eines Gesetzes errichtet werden. Da dem Landtag aber bisher weder ein solches Gesetz vorgelegt wurde, noch ein Staatsvertrag zwischen den beteiligten Ländern, ist die rechtliche Grundlage bisher nicht gegeben.
Der Landtag soll also Gelder für ein Projekt freigeben, dessen konkrete Ausgestaltung er nicht kennt. Das düpiert das Parlament.
Sie haben in Ihrer Mitteilung von massiven Datenschutzbedenken gesprochen. Worin besteht Ihre Sorge?
Sachsen und die jeweiligen anderen Bundesländer arbeiten im Bereich der Telekommunikationsüberwachung auf unterschiedlichen polizeilichen Gesetzesgrundlagen mit teilweise unterschiedlichen Befugnissen. Andere beteiligte Bundesländer haben beispielsweise umfassendere Möglichkeiten der präventiven TKÜ. Inwieweit in einem gemeinsamen Zentrum gewährleistet werden kann, dass es nicht zu einem rechtswidrigen Datenaustausch kommt, ist daher fraglich. Die dafür zu schaffenden Gesetze müssen sehr sorgfältig erarbeitet werden.
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