Was war er stolz, der sächsische Minister fürs Innere, Markus Ulbig (CDU), als er im Juli 2014 verkünden konnte, wie gewaltig seine Werbekampagne für den Polizeidienst in Sachsen eingeschlagen hatte: 50 Prozent mehr Bewerbungen für den normalen Polizeidienst, 70 Prozent mehr für den gehobenen Dienst. Aber auch diese Kampagne erweist sich ein halbes Jahr später als bunte Seifenblase. Ein ungläubiger Grüner hat mal nachgefragt.
Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, hat der Regierung einfach mal die Fragen gestellt zum Ergebnis der vielen tollen Bewerbungen. Wurde das Sächsische Innenministerium nun mit lauter fitten, taffen jungen Leuten überschwemmt, die auch das Zeug haben zu “verdächtig guten Jobs”? Bewerbungen gab es jede Menge.
Aber als es dann ans Eingemachte ging, erlebte auch die sächsische Polizei, dass da draußen keineswegs Tausende junger Leute mit guter Ausbildung darauf warten, nun ausgerechnet mit Blaulicht durch die Gegend fahren zu dürfen. Das sind dann eher die Träume der Jungen und Mädchen, die eher nicht so gute Chancen haben auf dem sächsischen Arbeitsmarkt und die nun die Chance sahen, sich doch mal beim Staat zu bewerben.
Na gut, nicht alle. Von den 2.906 Bewerberinnen und Bewerbern für die Laufbahngruppe 1.2 (mittlerer Dienst), die sich über das extra geschaltete Online-Portal angemeldet hatten, hatten zwar 940 die Voraussetzungen zur Teilnahme am Auswahlverfahren. Aber sie erschienen einfach nicht – ohne Angabe von Gründen, wie Markus Ulbig nun auf Lippmanns Anfrage im Landtag zugeben muss. Was eigentlich normal ist: Die jungen Leute in Sachsen haben die Wahl und für viele ist es die Norm, sich lieber parallel bei verschiedenen Stellen zu bewerben. Am Ende nimmt man eben das beste Angebot. Und Sachsens Polizei konkurriert nun einmal mittlerweile mit der kompletten nachwuchshungrigen Wirtschaft.
Bei der Laufbahngruppe 2.1 (höherer Dienst) erschienen 882 von 1.656 Bewerberinnen und Bewerbern nicht zum Auswahlverfahren. Hier ist das Dilemma sichtlich noch schärfer, denn um die klügeren Köpfe ist der Wettbewerb mittlerweile noch viel deutlicher.
Und der Rest?
Scheiterte zu großen Teilen im Auswahlverfahren. Das geht mit den Einstellungsvorausetzungen los, die 2014 erstmals schon deutlich ausgeweitet wurden. Und trotzdem tauchten 974 Bewerber für die Laufbahngruppe 1.2 auf, denen die persönlichen Mindestvoraussetzungen fehlten wie das geforderte Alter oder der notwendige Schulabschluss. Selbst für den höheren Dienst hatten sich 159 junge Leute beworben, die die notwendigen Voraussetzungen nicht hatten. Für die Laufbahngruppe 1.2 traten sogar 119 Bewerber an, die völlig polizeidienstuntauglich waren (bei der Laufbahngruppe 2.1 waren es immerhin auch noch 24).
Es gab in beiden Gruppen auch einige Dutzend Bewerber, die noch im Verfahren abgesagt hatten. Und dann gab es auch noch 677 Bewerberinnen und Bewerber, die schlicht das Auswahlverfahren für den mittleren Dienst nicht bestanden. Nach den Gründen dafür hatte Lippmann auch gefragt: 341 haben den PC-gestützten Fähigkeitstest nicht bestanden, 246 schafften den physischen Eignungstest nicht, waren also sportlich ganz und gar nicht auf der Höhe, 90 fielen dann durch die mündlichen Tests.
Und bei den Bewerbern für den höheren Dienst sah es auch nicht besser aus: 425 bestanden das Auswahlverfahren nicht – 295 scheiterten im PC-gestützten Fähigkeitstest, 103 waren physisch nicht fit, 27 scheiterten im mündlichen Test.
Verständlich, dass Valentin Lippmann, als am 29. Januar im Landtag über die Arbeit von Markus Ulbig debattiert wurde, dem Innenminister die Leviten las. Denn dass er jetzt ein echtes Nachwuchsproblem bei der Polizei hat, daran ist Markus Ulbig ganz allein schuld.
Er hat die Polizei mit seiner “Polizeireform 2020” auf Verschleiß gefahren. Valentin Lippmann: “Seit Jahren ist sie der Teil der Sächsischen Verwaltung, an der die CDU, die FDP und die SPD ihrer Träume vom schlanken Staat mit möglichst wenig Personal verwirklichen. Kein anderes Ressort war in den vergangenen Jahren einem größeren Stellenabbau unterworfen. Das zeigt, welchen Stellenwert die Polizei hier in Sachsen hat. Die Zahlen: Im Jahr 2006 hat die damalige Koalition von CDU und SPD einen Stellenabbau bei der Polizei von 3.551 Stellen bis 2020 beschlossen. Seitdem sind bei der Polizei bereits 1.721 Stellen abgebaut worden, weitere 1.020 sollen in den kommenden sieben Jahren hinzukommen. Während in den kommenden zwei Jahren 800 Polizeianwärter ausgebildet werden sollen, fallen gleichzeitig 270 Stellen weg. So wird kein Stellenabbau gestoppt, wie die SPD uns nach Abschluss des Koalitionsvertrags Glauben machen wollen. So setzt sich die Kürzungspolitik der vergangenen Jahre fort und Sie schaffen gegenüber den Bürgerinnen und Bürger nach wie vor keine Klarheit.”
Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, die “Polizeireform 2020” zu beenden. Viel zu spät, wie der verzweifelte Versuch Ulbigs zeigt, mit einer keineswegs gelungenen Werbekampagne nun auf die Schnelle Nachwuchs für die Polizei zu bekommen. Das Ergebnis ist eine Polizei, die sich bei steigenden Aufgaben auch immer öfter einer Überforderung stellen muss, die sich – wie in den jüngsten Demonstrationsgeschehen mit PEGIDA und LEGIDA auch mit Überreaktionen zeigt. Ohne dass die Bürger oder auch nur die Polizisten selbst irgendwo eine unabhängige Prüfstelle finden.
Valentin Lippmann: “Wir brauchen keine teuren Überwachungsspielzeuge, die massiv in Grundrechte eingreifen, sondern eine personell gut ausgestattete Polizei in diesem Land. – Neben einer gut ausgestatteten Polizei brauchen wir aber auch mehr Transparenz bei der Polizei. Die Polizei ist die Inkarnation des staatlichen Gewaltmonopols. Es wäre Ausdruck eines liberalen Staatsverständnisses, dass man sie mehr Kontrolle und mehr Transparenz unterzieht. – Dazu gehört für uns 1. eine Identifikationsnummer in geschlossenen Einheiten, damit die Polizistinnen nachträglich identifiziert werden können. Und all jenen, die uns vorwerfen, wir würden die Polizei namentlich an den Pranger stellen wollen, kann ich nur sagen: Es geht hier im wesentlichen nicht um Namensschilder, sondern um Nummern. Aber offensichtlich fällt Ihnen kein anderes Argument mehr ein”, sprach er den überforderten Minister in seiner Landtagsrede direkt an. Und fügte noch hinzu: “Wir brauchen eine unabhängige Stelle zur Aufklärung von Versäumnissen oder rechtswidrigem Handeln bei der Polizei. Das ist für uns elementarer Ausdruck einer Kontrolle der polizeilichen Arbeit.
Ein positiver Nebeneffekt: Eine unabhängige Kontrollinstanz würde dazu führen, dass die Bewertung polizeilicher Arbeit objektiviert würde. – Kurzum: Um den hohen Stellenwert der Polizei in der Bevölkerung halten zu können, brauchen wir in Sachsen eine personell gut ausgestattete Polizei und mehr Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Nur so wird die Polizei weiterhin einen hohen Stellenwert haben.”
Die Kleine Anfrage von Valentin Lippmann als pdf zum Download.
Aber nicht alle haben es nicht geschafft. Dazu morgen mehr an dieser Stelle.
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