Die Leipziger Polizei hatte in der Silvesternacht weite Teile des Stadtgebiets wegen eines Gewaltaufrufs aus der linken Szene zum Kontrollbereich erklärt. Dies teilte Innenminister Markus Ulbig (CDU) mit. Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) hatte sich mittels einer Kleinen Anfrage zum Umfang der polizeilichen Maßnahmen erkundigt, die die Behörde vor dem Jahreswechsel nur in allgemeiner Form angekündigt hatte.
Am 18. Dezember war im Internet ein Pamphlet aufgetaucht, das dazu aufforderte, am 31. Dezember mindestens 50 Ziele in Leipzig anzugreifen. Das Spektrum reichte von Einrichtungen staatlicher Institutionen über Banken und Immobilienfirmen bis zu Wohnungen von Neonazis und AfD-Aktivisten.
Schon in der Nacht zum 19. Dezember griffen Unbekannte die Wohnungen eines NPD-Mitglieds und eines weiteren Neonazis an. In der Nacht zum 22. Dezember registrierte die Polizei vier weitere Angriffe. Betroffen waren die Wohnung einer Privatperson, ein Polizeistandort, eine Versicherungsfiliale und das Fahrzeug einer Immobilienfirma.
Die Polizei nahm den Aufruf deshalb ernst. Innenminister Ulbig verweist in seiner Antwort auf frühere Delikte mit ähnlicher Herangehensweise. “Bereits im Jahr 2013 gab es in kleinerem Maßstab Aufrufe aus dem linksextremistischen Bereich, die wie damals angekündigt, auch umgesetzt wurden”, so der CDU-Politiker.
Ulbig nennt acht Sachbeschädigungen an Objekten, die auch in der Liste vom 18. Dezember genannt worden sind. Außerdem setzten Aktivisten vier Fahrzeuge in Brand und beschädigten dabei vier weitere.
Weiterhin sei es in den Jahren 2013 zu fünf und im Jahr 2014 zu zehn Brandstiftungen gekommen, die “im Sachzusammenhang” stünden. “In der Regel wurden Firmenfahrzeuge der auch in der jetzigen Liste benannten Firmen und von Mitgliedern der NPD in Brand gesetzt”, teilt Ulbig mit.
Die Polizei rechnete deshalb nicht nur mit neuerlichen Sachbeschädigungen, sondern auch mit Brandstiftungen. Die Sicherheitsbehörde richtete deshalb in Abstimmung mit dem Innenministerium einen Kontrollbereich ein. Hierbei handelt es sich um eine räumlich begrenzte Zone, in welcher Polizisten ohne Anlass die Identität einer Person feststellen dürfen.
In der Regel sind Kontrollbereiche auf einzelne Straßenzüge oder Stadtteile begrenzt. Im Zuge des “Disko-Kriegs” richtete die Polizei 2008 einen Kontrollbereich in der Innenstadt ein, um die Identitäten von verdächtigen Disko-Gängern feststellen zu können. Im Jahr 2014 erklärte die Polizei einzelne Straßenzüge in Connewitz und der Südvorstadt nicht zu Kontrollbereichen, jedoch zu Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität. Das Resultat war dasselbe: Die Ermöglichung von Personalienkontrollen ohne konkrete Begründung.
Über die Feiertage genehmigte sich die Polizei wieder einen Kontrollbereich. Dieser erstreckte sich nicht nur auf die Szene-Kieze in Connewitz und Plagwitz sowie das unmittelbare Umfeld der genannten Anschlagsziele. Betroffen waren weite Teile des Stadtgebiets.
Nur in peripheren Ortsteilen durften die Beamten nicht hemmungslos kontrollieren. Laut Ulbig handelte es sich hierbei um Plaußig-Portitz, Sellerhausen-Stünz, Engelsdorf, Baalsdorf, Althen-Kleinpösna, Liebertwolkwitz, Holzhausen, Knautkleeberg-Knauthain, Hartmannsdorf-Knautnaundorf und Lützschena-Stahmeln.
Der Kontrollbereich trat am 23. Dezember um 16 Uhr in Kraft und wurde erst am 2. Januar um 6 Uhr aufgehoben. Wie viele Personen sich tatsächlich einer Identitätsfeststellung unterziehen mussten, teilt Ulbig nicht mit. “Erfassungs- oder Berichtspflichten (…) bestehen nicht”, so der Minister.
Etwaige Kritik an der Entscheidung, den räumlichen Umfang des Kontrollbereichs nicht publik gemacht zu haben, wischt Ulbig kategorisch vom Tisch. “Die Abschreckungswirkung entfaltet sich gerade durch eine allgemeine Bekanntgabe des Kontrollbereichs. So bleiben die potentiellen Störer im Unklaren und es findet aufgrund der abschreckenden Wirkung einer Identitätskontrolle keine Verlagerung oder Verdrängung in die Umgebung des Kontrollbereichs statt.”
Neben dem Kontrollbereich sprach die Leipziger Polizei gegen neun bekannte Gewalttäter Meldeauflagen für die Silvesternacht aus. Drei Betroffene legten Rechtsmittel ein. In zwei Fällen mussten die Bescheide deshalb aufgehoben werden. Das dritte Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
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