Was passiert im Lenkungsausschuss Asyl? Die Linksfraktion beantragte am 5. Februar, die Staatsregierung möge die Ergebnisse der Beratungen offenlegen. Anfang dieser Woche nahm Innenminister Markus Ulbig (CDU) zu dem Ansinnen Stellung. An der Kommunikationspolitik seines Hauses hat sich bisher entgegen aller Versprechungen jedoch nicht merklich etwas geändert.
Das Gremium entstand als Ergebnis des Asyl-Gipfels, den Ministerpräsident Stanislaw Tillich am 24. November veranstaltete. Der Lenkungsausschuss soll ein koordiniertes Vorgehen in Fachfragen zum Thema “Asyl” sicherstellen. Zu den Mitgliedern zählen neben der Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD) diverse Staatssekretäre, der Präsident der Landesdirektion, die kommunalen Spitzenverbände, der Sächsische Ausländerbeauftragte, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Malteser Werke. Vertreter der Opposition sind in das Gremium nicht eingebunden.
Bisher tagte der Lenkungsausschuss an drei Terminen: Am 12. Dezember, am 27. Januar, am 13. und am 25. Februar. Nach Angaben von Innenminister Markus Ulbig brachte das Gremium mehrere Maßnahmen auf den Weg. “Im Nachgang zur ersten Sitzung wurde im Entwurf des Investitionspauschalengesetzes 2015/2016 die Gewährung einer Investitionspauschale in Höhe von 18 Mio. Euro in 2015 und 15 Mio. Euro in 2016 zur Unterstützung der Landkreise und kreisfreien Städte beim Ausbau und Erhalt von Unterbringungskapazitäten für Asylbewerber aufgenommen”, teilt Markus Ulbig in seiner Stellungnahme zum Linken-Antrag mit.
Damit reagiere der Freistaat auf die sprunghaft gestiegene Zahl von Asylbewerbern und die Notwendigkeit der Schaffung kommunaler Unterbringungsmöglichkeiten. Landräte sollen die Kommunikationsstrukturen verbessern und die Bürgermeister zu Gesprächen einladen, um sich über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen zu verständigen. Das Verteilmanagement zwischen Erstaufnahmeeinrichtung und den Unterbringungsmöglichkeiten in den Kommunen soll mittels IT-Verfahren optimiert werden, um Transparenz, Kommunikation und technische Abwicklung zu verbessern.
Das Finanzministerium hat in der Januar-Sitzung eine Liegenschaftsbörse präsentiert, die für die Unterbringung geeignete Objekte von Bund und Land enthält. Unterbringungsbehörden und Kommunen erhalten über den Sächsischen Städte- und Gemeindetag Zugriff. Flüchtlinge können seit Ende Januar bei den Sparkassen Konten eröffnen. Richter und Staatsanwälte sollen das Schulunterrichtsfach Gesellschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft unterstützen. Asyl- und Ausländerrecht soll Unterrichtsthema werden.
Vergangenen Mittwoch präsentierte der Ausschuss der Öffentlichkeit einen Maßnahmenkatalog. Demnach wird im Innenministerium eine Stabstelle eingerichtet. “Damit werden Kommunikation und Prozesssteuerung weiter optimiert und beschleunigt”, teilte das Gremium mit. Weitere Maßnahmen zielen auf die finanzielle Entlastung der Kommunen und die soziale Betreuung der Geflüchteten ab.
Mittels Sprachkursen sollen Asylbewerber fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. “Damit kann auch ihre Integration in den gesellschaftlichen Alltag erfolgen. Vorhandene Sprachbarrieren gilt es hierfür in möglichst kurzer Zeit abzubauen”, heißt es in dem Katalog. Die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindende vorgesehene Anhebung der Pauschale nach dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz soll den Kommunen mit einer Finanzspritze von 10 Mio. Euro vorfinanziert werden. Als weiteres Ziel wird die zügige Bearbeitung von Asylanträgen genannt.
Trotz aller Maßnahmen müssen sich die Handelnden Kritik gefallen lassen. “Die politisch Verantwortlichen der CDU/SPD-Koalition scheinen erst zu handeln, wenn schon viel zu viel Porzellan zerschlagen ist”, findet die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke). “In den letzten Wochen hatte es massive Kritik des sächsischen Landkreistages am Agieren der Landesdirektion und damit an Innenminister Markus Ulbig gegeben. Über die Köpfe von Landräten und BürgermeisterInnen hinweg wurde mit der Errichtung von Außenstellen der Erstaufnahme-Einrichtungen für Asylsuchende beispielsweise in Böhlen und Görlitz Fakten geschaffen.”
Nach Lesart des Ressortchefs sind die Kommunen insbesondere bei dringlichen Entscheidungen wie der Errichtung von Notquartieren für Geflüchtete nicht in den Entscheidungsfindungsprozess mit einzubeziehen. Ulbig verweist in seinen Ausführungen zum Linken-Antrag allein auf die Rechtslage.
Demnach hätten “die Gemeinden bei der Schaffung der Unterbringungseinrichtungen mitzuwirken und insbesondere geeignete Grundstücke und Gebäude zur Nutzung zur Verfügung zu stellen oder zu benennen. Soweit erforderlich, haben sie die Einrichtung von Notquartieren zu dulden.” Die Bürokratenantwort kann weder Opposition noch Betroffene – also die Kommunen – zufriedenstellen. Der Minister lasse nichts von der neuen Kommunikationskultur anmerken, stellt Nagel ernüchternd fest.
“Mit solchen Aussagen, die den altbewährten Top-down-Ansatz atmen, wird es vor allem nicht möglich sein, das Erstaufnahmechaos in Sachsen so zu bewältigen, dass neu ankommende Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht werden und dass die Kommunen, die mit dieser Aufgabe unmittelbar konfrontiert sind, ordentliche Rahmenbedingungen und Kommunikation mit ihren Bürgern gewährleisten können”, findet die Integrationspolitikerin. Dass Innenminister und Ausländerbeauftragter die heutige Innenausschuss-Sitzung geschwänzt haben, die sich des Themas annahm, sei bezeichnend.
Ulbigs Stil, nach Gutsherrenart von oben herab zu regieren, brachte dem Minister auch harsche Kritik auf anderen Politikfeldern ein – zu nennen wären etwa die Polizeireform oder der Umgang mit den fremdenfeindlichen Protestmärschen in sächsischen Großstädten. Anstatt sich in die zivilgesellschaftlichen Gegenproteste einzureihen, verhandelte der Minister hinter verschlossenen Türen mit Vertretern der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. In Leipzig sorgte der Freistaat jüngst mit der Ankündigung für Irritationen, auf dem Gelände eines ehemaligen Lehrlingswohnheims ein Erstaufnahme-Interim für über 500 Flüchtlinge zu errichten. Deren Unterbringung soll teils durch Wohncontainer auf dem Außengelände erfolgen.
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