Dieser Tage bekamen Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) fast gleichlautende Briefe von Prof. Dr. Alfonso de Toro, Romanistikprofessor an der Uni Leipzig. Diesmal geht es nicht um zusammengestrichene Studiengänge, sondern um die sächsische Abschiebepraxis, für die nun - nach der letzten Wahl - auch die SPD mitverantwortlich ist. Da kann man eigentlich nur Haltung wünschen.
So ungefähr mahnt es de Toro auch an, nachdem er nach Weihnachten über den Vorgang in der Markranstädter Straße las, wo eine 18-jährige Asylbewerberin mitten in der Nacht abgeholt und abgeschoben wurde, nur weil sie keinen eigenen Asylantrag gestellt hatte. Das ganze rigide sächsische Abschiebesystem, auf das Innenminister Markus Ulbig (CDU) so stolz ist, wurde sichtbar in seiner Gefühl- und Gnadenlosigkeit.
Und das zu einem Zeitpunkt, als andere Bundesländer – wie Thüringen – schon einen Winterabschiebestopp verkündet hatten. Auch um solche Dramen ausgerechnet in der Weihnachtszeit zu verhindern. Ist zwar nur halbherzig, aber ein Anfang. Vom sächsischen Innenminister hörte man seither weiter seine harten Töne. Bis heute ist er stolz darauf, noch vor Bayern die härteste Abschiebepraxis in einem deutschen Bundesland auszuüben. Und die sächsische CDU gehört derzeit zu den bundesweiten Wortführern in der Forderung nach einer “Modifizierung” der Asylgesetzgebung – im Klartext: einer Verschärfung und Beschleunigung.
“In welchem Land leben wir eigentlich, das Schutzbedürftige zum Suizid treibt?”, fragt de Toro sowohl Burkhard Jung als auch Stanislaw Tillich. “Demokratie eines zivilisierten Rechtsstaates beweist sich im Umgang mit seinen Minderheiten und nicht, indem er sich überlauten Rechtsradikalen anbiedert.”
Doch genau solche Töne bekam man im Dezember vom Generalsekretär der sächsischen CDU Michael Kretschmer zu hören.
Sachsens Abschiebepraxis – live in Leipzig: Bürgerinitiative schreibt zwei Offene Briefe an die Stadt und das Land
Nein, es ist keine Ausnahme …
Noch schneller abschieben und, bitteschön, deutsch lernen: Humanität, Nächstenliebe und Menschenwürde nach Art der sächsischen CDU
Das fiel selbst “Spiegel” und “FAZ” …
De Toro: “Als Bankrotterklärung betrachte ich die Absicht der sächsischen CDU, die ‘Asylpraxis neu zu bewerten’ (von der CSU möchte ich gar nicht sprechen). Damit spielen die C-Parteien Rechtsradikalen oder fremdenfeindlichen Gruppen in die Hände, sie stellen Demokratie, Toleranz, Menschlichkeit und Menschenwürde und nicht zuletzt das Ansehen Sachsens zur Disposition.”
Eigentlich wäre das Gelegenheit gewesen für den Juniorpartner SPD, öffentlich Flagge zu zeigen. Aber irgendwie sind die Genossen erstaunlich kleinlaut, findet de Toro und schreibt an Burkhard Jung: “Ihre SPD, die an der Regierung mit einem stellvertretenden Ministerpräsidenten, Herrn Dulig, beteiligt ist, eine Partei, die in der Opposition und aus Berlin die aktuelle Asylpolitik und Abschiebepraxis verurteilt, die sie bei einer Regierungsbeteiligung aber völlig ausblendet. So verspielt die SPD Glaubwürdigkeit und verprellt aufgeklärte Bürger.”
Gleichzeitig würdigt er, dass sich Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) in Leipzig schon deutlich geäußert hat, fordert OBM Jung aber trotzdem auf, sich in Dresden für eine Änderung der Abschiebepraxis einzusetzen. Und warum Polizisten, “Bürger in Uniform”, sich als unkritische Handlanger für eine sichtlich menschenunwürdige Abschiebepolitik hergeben, das versteht de Toro nicht. Blinder Gehorsam könne nicht einfach als Begründung dienen, kritisches Denken auszuschalten. Dass die Polizisten in einem moralischen Dilemma stecken, sieht er wohl. Dafür sind die politischen Verantwortungsträger in der Pflicht – allen voran Markus Ulbig.
Aber Regierungen haben, so de Toro, auch aus Opportunitätsgründen oder Kalkül kein Recht, “rechten Gruppen hinterherzulaufen”. Da verlangt er eine Menge menschliches Rückgrat von den in Sachsen Regierenden. Man kann nur hoffen, dass sie seine Briefe auch lesen und verstehen.
Der Brief an OBM Burkhard Jung als PDF zum download.
Der Brief an Ministerpräsident Stanislaw Tillich als PDF zum download.
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