Es gibt Dinge, die liegen auf dem Tisch. Da wartet man nicht, bis es vielleicht in Schweden einen Regierungswechsel gibt oder einen neuen Bilanzbericht von Vattenfall. Dass die Sache mit der Braunkohleverstromung in Sachsen ihrem Ende zugeht, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Vorsorgende Regierungen würden das Umsteuern selbst in die Hand nehmen. Aber in Sachsen will man weiter Kohle fördern. Schon im September stellte die Linke-Landtagsabgeordnete Dr. Jana Pinka die notwendigen Fragen an die noch amtierende Staatsregierung. Mit erhellendem Ergebnis.
Und das auch vor dem Hintergrund, dass die Linke im benachbarten Brandenburg noch genauso tiefgläubig an die Zukunft der Braunkohle in der Lausitz glaubt. Dabei muss man auch als Politiker eigentlich nur in der Lage sein, Bilanzen lesen und verstehen zu können. Und die letzte Bilanzvorlage von Vattenfall Ende Oktober war mehr als deutlich, auch wenn die Brisanz der Lage auch schon in vorhergehenden Berichten nachzulesen war – wenn man es denn lesen wollte.
“Das Braunkohlegeschäft ist mittlerweile durchgehend ein Verlustgeschäft”, stellt Dr. Jana Pinka nun fest, nachdem ihr Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) die Antworten auf ihre Fragen aus dem September zugearbeitet hat. “Mit knapp 550 Millionen Euro stehen die Vattenfall-Sparten Generation (Kraftwerke) und Mining (Tagebaue) im Minus. Die Verluste müssen vom Gesamtkonzern übernommen werden. Auch die jüngsten Zahlen lassen keine Verbesserung erhoffen. Nachdem Vattenfall jahrelang mit dem Braunkohle-Geschäft Milliarden verdient hat, soll es nun mitsamt allen Verpflichtungen abgestoßen werden.”
Vattenfall hat das am 30. Oktober noch ganz vorsichtig formuliert unter der Überschrift “Vattenfall prüft Optionen für die Eigentümerstruktur seines Braunkohlegeschäfts”.
“Seit dem Verkauf durch die Treuhand sind seit den 1990er Jahren Millionen an Fördermitteln an die Bergbautreibenden und die Braunkohleenergiewirtschaft geflossen, die Braunkohle-Gewinnungsrechte wurden dazu ohne nennenswertes Entgelt veräußert. Etwa 26 Millionen Euro an nicht erhebbaren Förder- und Feldesabgaben sowie mindestens 2,5 Millionen Euro an Wasserentnahmeabgabe werden allein in Sachsen pro Jahr an Vattenfall verschenkt”, geht Dr. Jana Pinka noch einmal auf die opulente Subventionspolitik des Freistaats gegenüber den Kohlekonzernen ein. Und nicht nur der Betrieb wird gepuffert.
Auch dann, wenn die Bagger ihre Arbeit eingestellt haben, wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten: Zwischen 1991 und 2012 wurden insgesamt 9,4 Milliarden Euro für die Braunkohlesanierung im Altbergbau aufgewendet – und das Sanierungsziel ist noch lange nicht erreicht.”Dem gegenüber stehen bergbaubedingte (bilanzielle) Rückstellungen von Vattenfall in Höhe von 998 Millionen Euro – eine Summe, die angesichts der zunehmend im Fokus stehenden Umweltprobleme durch den Braunkohleabbau (Rutschungen, Verockerung der Fließgewässer, unbrauchbare Trinkwasserquellen) kaum ausreichend sein wird, um die Schäden umfassend zu beheben. Es ist zu befürchten, dass später erneut die öffentliche Hand einspringen muss”, schätzt Pinka ein. “Bei sachlicher Betrachtung steht nicht zu hoffen, dass ein künftiger Investor hier besser wirtschaften kann. Und es ist komplett offen, ob durch einen neuen Investor die derzeitigen Standards – von Arbeitnehmerrechten bis Umweltschutz – gehalten werden können; ganz von der Frage abgesehen, ob diese ausreichend sind. Das Dilemma besteht darin, dass ein jähes Ende der Braunkohle-Förderung für die Region sozial nicht verkraftbar wäre. Letztlich wird die öffentliche Hand so oder so auf den Kosten sitzen bleiben, sie sollte sich also nicht erpressen lassen”, sagt Pinka und ist jetzt gespannt, ob die Staatsregierung durch einen Erwerb von Anteilen am künftigen Bergbaubetrieb steuern möchte oder ob sie die behördlichen Auflagen wirksam verschärft. Die Linke fordere einen Strukturwandel, damit es in der Region langfristig sichere, gutbezahlte Arbeitsplätze gibt.
Und nach der Verkündung am 30. Oktober schießen auch die Spekulationen ins Kraut, an wen denn Vattenfall nun seine Braunkohlesparte verkaufen könnte. Wie Kai aus der Kiste taucht mal wieder der Name EPH auf, das tschechische Unternehmen, das schon bei der Mibrag eingesprungen ist.
Aber wer soll das wirklich ernst nehmen, fragt Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: “Das Kaufinteresse der EPH ist keine Überraschung. Doch schon im Jahr 2013 war der tschechische Energie- und Industriekonzern EPH offenbar nicht bereit, für den Vattenfall-Anteil am Kraftwerksblock in Lippendorf bei Leipzig einen angemessenen Preis zu zahlen.”
Und damit wird das Dilemma für Vattenfall deutlich: Es kann sein Braunkohle-Engagement in Mitteldeutschland eigentlich nur mit Verlust verkaufen. Die Zeiten, als man mit Kohle üppige Renditen erwirtschaftete, sind vorbei.
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Der am Donnerstag …
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“Darum darf in Zweifel gezogen werden, dass EPH bereit wäre, auch die Risiken des Kohlegeschäfts bei einem Verkauf von Vattenfall zu übernehmen. Neben den Ertragsrisiken während der Laufzeit geht es dabei vor allem um die heute kaum absehbaren Risiken für Beendigung und Folgeschäden des Bergbaus. Grundwasseranstieg, Gifte, Erdrutsche – all das ist für viele Jahrzehnte unberechenbar”, benennt er genauso wie Pinka all das, was die aktuell Regierenden gern ausblenden, wenn sie über die “ach so billige” Kohle reden.
“Diese Risiken lassen Verkaufspläne als außerordentlich schwierig erscheinen”, stellt Lippold fest. Deshalb stehe weiter die Frage im Raum: “Inwiefern plant die CDU/SPD-Koalition der EPH oder anderen Kaufinteressenten Langzeitrisiken abzunehmen?”
“Wir Grünen warnen davor, dass Risiken aus dem Braunkohleabbau auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Das könnte zu höheren Belastungen führen als bei der Beinahe-Pleite der Landesbank”, benennt er die Größenordnung, wie sie auch Pinka benannt hat. “Die Risiken sollten stattdessen weiter von Vattenfall getragen werden, denn dort sind auch die Milliarden-Gewinne aus dem Kohlegeschäft hingeflossen. Ziel sächsischer Politik sollte sein, dem in der Lausitz verankerten schwedischen Konzern weiter Chancen zu eröffnen – aber im Feld der erneuerbaren Energien. So könnte Vattenfall als wichtiger Arbeitgeber und Investor weiter im Freistaat tätig bleiben und gleichzeitig die Altlasten der Braunkohle bis zum Abschluss übernehmen.”
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