In Schweden regieren zwar nun seit der Wahlniederlage der Konservativen wieder die Sozialdemokraten (zusammen mit den Grünen), aber sie ticken deutlich anders als die Sozialdemokraten in Brandenburg und Sachsen. Im Koalitionsvertrag haben sie niedergeschrieben, dass sie die Braunkohleexpansion des schwedischen Staatskonzerns stoppen wollen. Aber die Reaktion des sächsischen SPD-Chefs Martin Dulig darauf klingt eher bedenklich: "Dann soll Vattenfall verkaufen", twittert er.

Die schwedische Regierung weiß zwar noch nicht genau, wie sie mit dem staatlichen Energiekonzern Vattenfall genau umgeht. Aber weitere Tagebauaufschlüsse will man wohl nicht unterstützen. Der Konzern soll dafür verstärkt den Ausbau erneuerbarer Energien betreiben.

“Es ist richtig, dass die künftige schwedische Regierung die Braunkohle-Pläne des Energiekonzerns Vattenfall in der Lausitz stoppen will. Auch wenn die konkrete Umsetzung noch aussteht, wäre das nicht nur gut für das Klima, sondern könnte den Weg für dringend notwendigen Strukturwandel frei machen”, stellt dazu der sächsische Grünen-Vorsitzende Volkmar Zschocke fest. Aber den flapsig hingehauenen Twitterspruch von Martin Dulig nimmt er ernst. Denn was passiert, wenn Vattenfall seine ostdeutsche Braunkohlesparte verkauft?”Das ist gefährlich. Niemand kann Interesse daran haben, dass eine Branche, von der die ganze Region abhängt, in riskante Verkaufsszenarien gerät, am Ende gar staatlich gestützt werden muss und die Folgeschäden aus dem Bergbau auf die Allgemeinheit abgewälzt werden”, meint Zschocke. Und schlägt Dulig hingegen vor, stattdessen mit den schwedischen Sozialdemokraten an einem Strang zu ziehen: “Jetzt besteht die Chance, die sächsische CDU zum Einstieg in den Braunkohleausstieg zu bewegen. Je früher diese Grundsatzentscheidung getroffen wird, desto mehr Sicherheit schafft dies für die Menschen in der Lausitz. So kann der Ausstieg sozialverträglich und geordnet gestaltet werden. Die Bremsen des Strukturwandels in der Lausitz können gelöst werden.”

CDU und SPD sollten aus dem schwedischen Kurswechsel die richtigen Schlüsse ziehen, findet der Grünen-Vorsitzende: “Die Tagebauerweiterung Nochten II hätte sich erledigt, wenn CDU und SPD es politisch wollen. Die künftige Landesregierung muss die im März erteilte Genehmigung für die Tagebauerweiterung Nochten II umgehend wieder aufheben. Sie ist in der Pflicht, zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen in der Lausitz unabhängig von der Braunkohle zu stärken und weitere Schäden für Natur und Kultur abzuwenden”, so Zschocke abschließend.Schon am 1. Oktober hatten die Grünen gemahnt, dass Sachsen in Sachen Energie jetzt die Kurve kriegen müsse. Denn fünf Jahre schwarz-gelbe Energiepolitik haben den Freistaat in Sachen erneuerbarer Energien weit zurückgeworfen. Andere Bundesländer haben die alternative Energieerzeugung wesentlich engagierter vorangetrieben.

In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres hat Strom aus Wind-, Sonnen-, Bioenergie und Wasserkraft mit einem Anteil von 27,7 Prozent am deutschen Stromverbrauch die führende Position im Stromerzeugungsmix eingenommen. Das geht aus Daten des Expertengremiums Agora Energiewende hervor. Braunkohle kam demnach bis September auf einen Anteil von 26,3 Prozent, gefolgt von Steinkohle (18,5 Prozent) und Atomkraft (16,0 Prozent).

“Sauberer Strom aus erneuerbarer Energie deckt in Deutschland im Jahr 2014 bereits fast 28 Prozent unseres Strombedarfs”, stellte dazu Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der neuen Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest. “Das macht die Defizite in der Energie- und Klimapolitik der sächsischen Staatsregierung überdeutlich. Auch Sachsen hat ein Ausbauziel von 28 Prozent für erneuerbare Energien. Es wurde 2013 festgelegt – jedoch nicht etwa als Kurzfristziel. Was deutschlandweit heute Realität geworden ist, das soll in Sachsen erst innerhalb von zehn Jahren, also bis 2023, erreicht werden.”

Stattdessen waren die vergangenen fünf Jahre vor allem durch einen regierungsseitigen Kampf gegen die Windkraft geprägt. Don Quijote ließ grüßen.

“Der Blick zehn Jahre zurück macht augenscheinlich klar, welch gewaltige Entwicklungsbremse Sachsen sich mit einem Jahrzehnt Blockade selbst anlegt. Vor zehn Jahren standen die erneuerbaren Energien für gerade etwa neun Prozent des deutschen Stroms. Innerhalb eines einzigen Jahrzehnts hat sich bei der Kostensenkung der erneuerbaren Energien und bei ihrem Ausbau eine wahre Revolution vollzogen”, so Lippold. “Es ist höchste Zeit, auch in Sachsen endlich die energiepolitischen Realitäten des Jahres 2014 zur Kenntnis zu nehmen. Die Blockade des Ausbaus erneuerbarer Energien in Sachsen, in der vergangenen Legislatur zum erklärten Ziel der letzten schwarz-gelben Regierung gemacht, muss nun entschlossen durchbrochen werden. Dazu gehören neue, ambitionierte Ausbauziele im sächsischen Energie- und Klimaprogramm, die sich mindestens an den nationalen, gesetzlichen Ausbauzielen orientierten.”

Pressemitteilung der Agora Energiewende: www.agora-energiewende.de/themen/die-energiewende/detailansicht/article/erneuerbare-energien-erstmals-wichtigste-stromquelle/

Tweet von Martin Dulig: https://twitter.com/martindulig/status/517702233786687488

Der Spiegel zur Veränderung in Schweden: “Lausitz: Schweden will Vattenfalls Braunkohle-Expansion stoppen”: www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vattenfall-schweden-will-braunkohle-plaene-in-lausitz-stoppen-a-995194.html

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