Am Montag, 13. Oktober, legte der Sächsische Landesrechnungshof Band I zu seinem Jahresbericht vor, in dem er auch darauf hinwies, dass sich der Freistaat Sachsen stärker darauf einstellen muss, seine Ausgaben künftig auf die rückläufige Einnahmeentwicklung anzupassen. Motto: Gürtel enger schnellen, das Geld wird knapp. Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Jens Michel sah damit CDU-Politik natürlich bestätigt. Knausern als Regierungskonzept.
“Insgesamt bescheinigt der aktuelle Bericht trotz der Einzelkritiken dem Freistaat eine ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung”, erklärt Jens Michel und sieht damit die bisherige CDU-Finanzpolitik in Sachsen bestätigt. “Die hart erarbeitete gute finanzpolitische Situation des Freistaates ist es wert, trotz aller vermeintlichen Notwendigkeiten an diesem Kurs festzuhalten.”
Und weil das Papier so schön in die Denkweise zumindest des bislang amtierenden CDU-Finanzministers passt, begrüßt Michel auch die strukturellen Hinweise des Rechnungshofes, die letztlich politische sind. “Die immer neuen Rekord-Steuereinnahmen täuschen über die Notwendigkeit einer dringenden Ausgabenreduzierung hinweg”, sagt Michel und zitiert damit wohl einen der Lieblingssätze von Finanzminister Georg Unland, die dieser in letzter Zeit immer öfter wiederholen muss, denn die jährlich erwirtschaften Millionenüberschüsse im Haushalt erzählen eine andere Geschichte. Sie erzählen davon, dass die Ausgaben des Freistaats seinen Bedürfnissen nicht mehr angepasst sind. Es wird an den falschen Stellen gespart.
Was Michel nicht so sieht. Aber dass der SRH hier ein politisches Flankenpapier vorgelegt hat, das sieht er sehr wohl – und sagt Dankeschön: “Ich bin dem Sächsischen Rechnungshof für diese deutlichen Worte, die nicht in jedes politische Weltbild passen mögen, dankbar. Insbesondere teile ich die Auffassung des Rechnungshofes, dass auch in Zukunft ausreichende Vorsorge für Einnahmeschwankungen getroffen werden muss.”
Ein bisschen anders liest logischerweise Sebastian Scheel, Finanzexperte der Linksfraktion, das Papier: “Der Bericht blickt sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit: Zum einen zieht er Bilanz des Handelns der scheidenden CDU-FDP-Regierung. Insbesondere die Rolle der FDP-Lobbypolitik wird deutlich sichtbar, etwa am Beispiel der Förderung von Schmalspurbahnen. Diese erfolge ‘ohne einen detaillierten Überblick’ über die Kostenentwicklung oder über Risiken der Betriebsführung und Finanzierung, kritisieren die Rechnungsprüfer. Klar ist nur: Die finanzielle Unterstützung der Schmalspurbahnen geht klar zulasten des Öffentlichen Nahverkehrs.”
Und er sieht eben nicht, dass die Zahlen die bisherige Finanzpolitik in Sachsen bestätigen. Im Gegenteil. Scheel: “Zum anderen zeigt der Bericht Herausforderungen für die neue Koalition. Sie muss Fehler der Vergangenheit ausbügeln. Dabei steht insbesondere die SPD in der Pflicht. Die von Ministerpräsident Tillich ausgegebene Ziel-Zahl von 70.000 Landesbediensteten, die – das kritisiert der Rechnungshof wiederholt – bis heute nicht mit einem Konzept unterlegt ist, muss nach oben korrigiert werden. Der Freistaat kann es sich nicht leisten, etwa bei Lehrerinnen und Lehrern oder bei der Polizei weitere Einschnitte vorzunehmen. Die Landesverwaltung braucht endlich ein Personalkonzept, damit der Freistaat nicht vom demografischen Wandel überholt wird. Insbesondere die Lehrerbedarfsplanung bis zum Schuljahr 2020/21 und darüber hinaus muss endlich nachgeholt werden.”
So kann man es auch lesen – auch wenn der Rechnungshof nicht wirklich auf Distanz zum Personalkonzept der Tillich-Regierung ging.
Und Scheel sieht auch, dass der Rechnungshof auch Dinge versprochen hat, die er dann aber nicht veröffentlicht hat. Und ein Verdacht wird wach: Fließt da vielleicht Geld ab, das die Abgeordneten nicht sehen sollen?
Scheel: “Die vom Rechnungshof erstellten Sonderberichte zur Mitteldeutschen Flughafen AG und zur Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meißen GmbH müssen gegenüber dem Landtag offengelegt werden. Ebenso muss die Staatsregierung wieder einen Beteiligungsbericht zu allen Sondervermögen und Beteiligungen des Freistaates vorlegen. Schließlich liegen 13,7 % Prozent des Gesamtetats in sogenannten ‘Extra-Haushalten’ wie Staatsbetrieben, öffentlichen Körperschaften oder Stiftungen. Nur in Kenntnis dieser Berichte kann das Parlament seine Funktion als Haushaltsgesetzgeber wahrnehmen.”
Der Satz dazu im Rechnungshofbericht (Seite 65) lautet: “Die Zuschüsse und Zuführungen an Extrahaushalte beliefen sich im Haushaltsjahr 2012 auf rd. 2,2 Milliarden Euro. Dadurch werden rd. 13,7 % der Gesamtausgaben des Staatshaushaltes im Regelfall nur noch über je einen Zuschusstitel für Verwaltungsausgaben und für Investitionen dargestellt.” Wobei man nicht übersehen darf, dass in den Extrahaushalten neben den Sächsischen Staatsbetrieben auch die Hochschulen stecken – aber auch die diversen Fonds und Sondervermögen, die der Freistaat aufgelegt hat. Deren Umfang betrug im Jahr 2012 allein 2,49 Milliarden Euro- Und da war der Generationenfonds noch gar nicht dabei.
Scheel: “Zukunftsinvestitionen dürfen nicht länger durch Lobbypolitik und mangelndes Problembewusstsein verschleppt werden. Wir als Fraktion Die Linke werden nicht nur in den anstehenden Haushaltsberatungen darauf dringen, dass die im Bericht enthaltenen Fehlentscheidungen der CDU-geführten Staatsregierungen korrigiert werden.”Und die Grünen haben noch weitere Punkte gefunden, die zeigen, wie die Staatsregierung mit Geld umgeht. Nachhaltig jedenfalls nicht.
Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen: “Der diesjährige Jahresbericht des Landesrechnungshofs hat es wirklich in sich: Nicht nur beim umstrittenen Standortekonzept werden viele Millionen verschwendet. In zahlreichen weiteren Bereichen führen fehlende schlüssige Konzepte sowie unzureichende Verwaltungsstrukturen und -abläufe zur Geldverschwendung. Durch die 2011/2012 beschlossene Staatsmodernisierung sollten Verwaltungsstrukturen schlanker werden. Dazu wurde ein teures Umzugskarussell in Gang gesetzt. Die Grüne-Landtagsfraktion hatte von Anfang an bezweifelt, dass der getriebene Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zu den entstehenden Kosten steht.”
Und dieses Umzugskarussell wurde richtig teuer. Zschocke zu den Zahlen: “Die Zahlen des Rechnungshofs belegen jetzt, dass das Parlament tatsächlich getäuscht worden ist: So kosten allein die Bauinvestitionen bei den Finanzämtern statt 64,3 Millionen Euro nun voraussichtlich 102,2 Millionen Euro. Das sind fast 60 Prozent mehr, als die Staatsregierung im Jahr 2011 in einer Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angegeben hat. Auch die Personaleinsparungen anlässlich der Fusionen waren eine komplette Fehlschätzung: anstatt der 2011 mitgeteilten 314 Stellen werden aufgrund der Fusion nur 66 Stellen eingespart. Jetzt müssen sofort alle Zahlen auf den Tisch. Man möchte sich gar nicht ausmalen, wie die Kostensteigerungen in den anderen Bereichen aussehen, wenn sie bereits im Finanzressort explodieren.”
Und auch die Grünen würdigen die Rechnungshof-Kritik an der fehlenden Lehrerbedarfsplanung im CDU-geführten Kultusministerium.
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“Die fehlende Lehrerbedarfsplanung ist symptomatisch für den personalwirtschaftlichen Blindflug des bisherigen Kabinetts”, stellt Zschocke fest. “Über die langfristige Personalentwicklung konnten oder wollten sich die Minister kein Bild machen. Dieser Zustand ist unhaltbar, da die Personalplanung eine zentrale Voraussetzung für eine zuverlässige Unterrichtsabsicherung ist. Bis 2020 gehen ein knappes Drittel der gut 30.000 sächsischen Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand. Gleichzeitig werden bis 2020 rund 20.000 Kinder mehr an Sachsens Schulen lernen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, muss endlich ein zukunftsfestes, transparentes Personalkonzept auf den Tisch.”
Im Rechnungshofbericht gibt es freilich auch saftige Kritik an außertariflichen Vergütungen für Personal an den Universitätsklinken in Dresden und Leipzig.
Ein nicht ganz einfaches Thema, wie Zschocke feststellt: “Im Bereich der Universitätskliniken Dresden und Leipzig ist es verständlich, dass sie sich anstrengen müssen, um gutes Personal zu gewinnen und zu halten. Wenn an sich zulässige außertarifliche Vergütungen für Vorstände und Chefärzte jedoch ohne Beteiligung des Aufsichtsrates abgeschlossen werden, entwickelt sich ein Selbstbedienungsladen zu Lasten von Steuer- und Beitragszahlern.”
Aber auch das Umweltministerium kann augenscheinlich nicht besonders gut mit Geld umgehen, findet Zschocke nach Lesen des Berichts: “Zu guter Letzt trübt die vertrödelte Anlagenentscheidung beim Altlastenfonds Sachsen das Bild von der ‘soliden sächsischen Finanzpolitik’. Jeder Kleinanleger kann besser mit Geld umgehen als die beiden CDU-Ministerien in diesem Fall. Es ist bitter, wenn durch die fragwürdige Ansicht des sächsischen Finanzministeriums, das Umweltministerium solle sich um die Anlage der Fondsmittel in Höhe von über 100 Millionen Euro kümmern, über 6 Millionen Euro Zinsverlust entstehen. Dieses Geld fehlt dann an allen Ecken und Enden.”
Große Anfrage der Grünen-Fraktion zum Standortkonzept: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=5648&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202
Das mit den Stimmen von CDU und FDP verabschiedete Standortegesetz der Staatsregierung erwähnt die zu erwartenden Kosten im Vorblatt (S. 3): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=6426&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1
In der Plenardebatte, in der das Standortegesetz diskutiert wurde, erklärte Jürgen Martens (FDP): “Ich glaube nicht, dass die Opposition in der Lage wäre, auch nur annähernd ein Modell vorzulegen, dass ähnlich günstige Auswirkungen auf die Einnahmen- und Ausgabensituation des Freistaates jemals hervorbringen könnte” (S. 4811): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=48&dok_art=PlPr&leg_per=5&pos_dok=201
Sächsischer Rechnungshof: www.srh.sachsen.de/pages/index.html
Der erste Berichtsband 2014 (PDF): www.rechnungshof.sachsen.de/download/JB2014-Band-I.pdf
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