Am Donnerstag, 23. Oktober war es nach wochenlangen harten Verhandlungen endlich soweit: In Dresden stellten CDU und SPD ihren Koalitionsvertrag vor, auf dessen Grundlage sie in den nächsten fünf Jahren regieren wollen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Kupfer ließ gar nicht erst Zeit vergehen, um der Öffentlichkeit zu vermelden: "Koalitionsvertrag trägt die klare Handschrift der Union". Wer freilich die CDU-Politik der letzten fünf Jahren vor Augen hat, reibt sich verwundert die Augen.

Frank Kupfer, der sowohl in der übergeordneten Koalitionsrunde als auch in der Arbeitsgruppe “Umwelt, Landwirtschaft, Europa und Verbraucherschutz” vertreten war, sah vor allem einen Berg Arbeit geschafft: “Es waren vier anstrengende Verhandlungswochen, aber die Mühen haben sich gelohnt. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Der Koalitionsvertrag ist ein gutes Fundament für eine erfolgreiche Regierungsarbeit in den kommenden fünf Jahren und für die Zukunft Sachsens. Mit dem Festhalten an unserem erfolgreichen Bildungssystem, einer langfristigen Zuschussvereinbarung für die Hochschulen, weiterhin hohen Investitionen in die Infrastruktur, die Unterstützung der sächsischen Wirtschaft, insbesondere unseres Mittelstandes, dem Schwerpunkt auf die innere Sicherheit sowie eine ausgewogene Unterstützung unserer Städte und des ländlichen Raumes, trägt dieser Koalitionsvertrag die klare Handschrift der Union”, sagte er.

Das Stichwort “langfristige Zuschussvereinbarung für die Hochschulen” kann man sich an dieser Stelle merken: Es gibt einige Teile der Regierungspolitik, an der sich die CDU durchaus beratungsresistent erwies und wichtige Weichenstellungen nicht bereit war mitzugehen. Möglicherweise auch ein Ergebnis der für die SPD nicht ganz leichten Verhandlungen. Wieder war sie – wie zuletzt 2005 – der kleinere Koalitionspartner. Aber – und das ihre Verhandlungsstärke – auch der einzige, mit dem die sächsische CDU überhaupt noch verhandeln konnte, nachdem die FDP an der 5-Prozent-Hürde gescheitert war und die Grünen die Sondierungsgespräche beendet hatten.

Da stand wirklich die Frage im Raum: Kann die SPD überhaupt einen Teil ihrer Positionen durchsetzen oder kommt sie mit einem ähnlich schwachen Ergebnis aus den Verhandlungen wie 2005?

“Ich möchte mich bei allen Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion bedanken, die in den insgesamt sieben Arbeitsgruppen mit viel Engagement und Fachkompetenz mitgearbeitet haben. So konnte es gelingen, sich mit den Sozialdemokraten auf Schwerpunkte zu einigen, die für die weitere Entwicklung Sachsens wichtig und gleichzeitig finanzierbar sind”, betonte Kupfer den Hebel, über den in Sachsen alles läuft: das Geld. Wer über die Budgets entscheidet, entscheidet, wo es langgeht. “Es hat sich damit voll ausgezahlt, dass die Fraktion erstmalig in so großem Umfang in die Koalitionsverhandlungen einbezogen war.”

Von Anfang an absehbar war, dass die 2009 verkündete wilde Kürzungsorgie beim Landespersonal so keinen Bestand haben würde. Ein Punkt, den Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, jetzt als klare Niederlage für Ministerpräsident Stanislaw Tillich und den Finanzminister Georg Unland (CDU) bezeichnet: “Die Verlierer des Tages heißen Tillich und Unland. Der Ministerpräsident musste heute seine einzige konkrete Ankündigung zu Beginn der letzten Legislaturperiode – Zielzahl 70.000 für die Beschäftigten-Zahl im Landesdienst – öffentlich zurücknehmen. Sein Finanzministerium wiederum ist durch die heute vorgestellten zahlreichen kostenträchtigen Vereinbarungen als Vertreter eines ebenso realitätsfremden wie völlig überzogenen Sparkurses überführt.”
Wobei man “kostenträchtig” durchaus in Anführungszeichen setzen darf, denn von der Kürzung des Landespersonals von 86.000 auf 70.000 Stellen sind bislang – nach durchaus unterschiedlichen Auskünften aus der Landesregierung – erst rund 2.000 bis 3.000 Stellen gekürzt worden. Um auf die Zielzahl von 70.000 zu kommen, hätten auch noch tausende Lehrer und weitere tausend Polizisten entlassen werden müssen – beides ein Ding der faktischen Unmöglichkeit, wie auch der Koalitionsvertrag feststellt.

“Wir sind gespannt, ob die CDU-Fraktion dem Ministerpräsidenten im parlamentarischen Alltag dabei Folge leisten wird, zahlreiche bisher unverrückbare CDU-Positionen zu räumen; es sei nur beispielhaft die angekündigte Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften genannt. Von der konservativ-liberalen Handschrift des Koalitionsvertrages 2009 ist fünf Jahre später kaum etwas übriggeblieben”, stellt Gebhardt sichtlich überrascht fest. “Selbstverständlich begrüßen wir die schrittweise Verbesserung des Kita-Personalschlüssels, wenn er der Einstieg in eine spürbare Verbesserung der Bedingungen von frühkindlicher Bildung in Sachsen sein wird.”

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Und dann sagt er, was man als größte Oppositionsfraktion nun einmal sagen muss, bevor es richtig ans Arbeiten geht: “Wir werden die Arbeit dieser Koalition ebenso kritisch wie konstruktiv begleiten. Die 110 Seiten Koalitionsvertrag sind Resultat einer Verhandlungs-Fleißarbeit mit vielen schönen Ankündigungen und Prüfaufträgen. Innovation sieht anders aus”, findet er und benennt einen Punkt aus dem Papier, bei dem durchaus Interpretationsspielraum vorhanden ist: “So fällt ein wirklicher Kurswechsel in der Energiepolitik aus, an der Abbaggerung ganzer Orte und Landschaften soll trotz des Politikwechsels beim Vattenfall-Gesellschafter Schweden festgehalten werden. So sichert man nicht langfristig Arbeitsplätze und bezahlbare, klimafreundliche Energieversorgung. – Zudem übt sich insbesondere die CDU weiter in der Rolle der Reparaturbrigade an selbst verursachten Defiziten und Schäden – siehe die nun endlich nachgeholten und von uns seit langem geforderten Korrekturen des bisherigen Abbaus von Lehrer- und Polizei-Stellen. Ein längeres gemeinsames Lernen wird es aber auch mit dieser Koalition nicht geben – und so lange nicht, wie die CDU in Sachsen regiert.”

Sein Fazit: “Der große Wurf für Sachsen ist dieser Koalitionsvertrag nicht. Wir werden insbesondere im Bereich der Bildungspolitik darauf drängen, dass künftig tatsächlich in jeder Unterrichtsstunde vor jeder Klasse eine für das laut Stundenplan vorgesehene Unterrichtsfach ausgebildete Lehrkraft steht. Denn dazu schweigt der Koalitionsvertrag.”

Auf die Statements von SPD und Grünen warten wir noch.

Aber die wichtigsten Punkte aus dem Koalitionsvertrag, in denen die SPD tatsächlich neue Schwerpunkte durchsetzen konnte, arbeiten wir gleich in einer kleinen Übersicht auf.

Zum Artikel vom 23. Oktober 2014 auf L-IZ.de
Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD analysiert (1): Polizei, Schule, Kita und Hochschule

Der Koalitionsvertrag:
www.epenportal.de/web/datapool/storage/files100474/LTW_2014/Koav_CDU_SPD_2014-2019_20141023.pdf

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