Und nicht nur die demografische Entwicklung zwingt den Freistaat Sachsen zum Umdenken und Umschichten. Auch der Klimawandel erfordert neue Strategien und Ansätze. Und siehe da: Es geht. Ein Jahr nach der Flut von 2013 findet auch ins Koalitionspapier die Einsicht Eingang, dass man mit einer Fixierung auf teure Deichbauten allein die Gefahren der zunehmend brisanten Wetterwechsel nicht in den Griff bekommt.
So nebenbei betonen CDU und SPD auch, dass sie mit dem waghalsigen Spiel mit genveränderten Pflanzen auf sächsischen Feldern nicht unbedingt weitermachen möchte. Zum Thema Landwirtschaft zum Beispiel nachlesbar, wo sich auch ein Bekenntnis zur stärkeren Unterstützung der ökologischen Landwirtschaft findet.
Zur Gentechnik: “Die Koalitionspartner unterstützen ein bundeseinheitlich geregeltes Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen. An der Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgutreinheit. Die Koalitionspartner setzen sich für eine EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) produziert wurden, ein.”
Der Klimawandel war zwar bislang auch schon Thema im Umweltministerium. Aber wenn es konkret wurde, dachte man eben doch gern in Beton. Das könnte sich jetzt ändern. Die Stellen dazu im Koalitionsvertrag ab Seite 77:
“Für die Koalitionspartner sind die regionalen Klimadiagnosen und Klimaprognosen zwingende Voraussetzung für eine wissenschaftlich fundierte Bewertung des bereits eingetretenen Klimawandels und der Klimavorsorge. Darauf aufbauend müssen wir die fachübergreifenden Anpassungsstrategien zum Beispiel beim Hochwassermanagement, in der Forst- und Landwirtschaft sowie der Bauleitplanung qualifizieren.”
Ein Stoppschild auch für die alten Pläne, die Elbe weiter zum Kanal auszubauen: “Der Ausbau der Elbe steht diesem Ziel entgegen und wird daher von den Koalitionspartnern ebenso abgelehnt wie eine weitere Vertiefung und der Bau neuer Staustufen. Dabei ist hinzunehmen, dass eine ganzjährige Schiffbarkeit nicht gewährleistet ist.”
“Wir treten für einen vorbeugenden Hochwasserschutz ein, der die Balance zwischen baulich-technischen Lösungen und natürlichem Wasserrückhalt einhält. Dazu gehören insbesondere die Schaffung von Retentionsflächen, die Anlegung von Polderflächen, Deichrückverlegungen, Bebauungsverbote und die Etablierung eines Auenprogramms sowie kontinuierliche Pflegemaßnahmen. Wir werden auch künftig ausreichend Mittel für die Verbesserung des Hochwasserschutzes bereitstellen. In Polderflächen ist landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich. Bei Überflutungen werden die Schäden auf Polderflächen für die Landwirte erstattet.”
Kommentar: Das sind wirklich neue Töne zu diesem Thema. Der Ausbau der Überflutungsflächen für Sachsens Flüsse ist überfällig und hat mittlerweile zwölf Jahre Verzug.
Zum Thema Kommunalfinanzen ist der Vertrag recht zurückhaltend, lobt überschwänglich das Finanzausgleichsgesetz (FAG), gesteht aber punktuell auch zu, dass die Kommunen bei einigen Themen echte Unterstützung brauchen. Die Passagen im Koalitionsvertrag ab Seite 85:
“Den Neubau bezahlbaren Wohnraums wollen wir durch die Schaffung baukostensenkender Rahmenbedingungen erleichtern. Die Kommunen erhalten die Möglichkeit, ihre Grundstückspolitik stärker als bisher an den Bedürfnissen der Stadtentwicklung auszurichten. Wir werden durch eine Änderung des Sächsischen Baurechts außerdem die Stellplatzpflicht in kommunale Entscheidungshoheit geben und prüfen weitere Maßnahmen wie die Vereinfachung und Verkürzung von Verwaltungsverfahren. Wir wollen alternative Möglichkeiten der Sozialbindung für neu geschaffenen Wohnraum zusätzlich zur Anwendung bringen (z. B. kommunale Belegungsrechte).”
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“Die Koalitionspartner stimmen darin überein, dass die kommunale Daseinsvorsorge nicht allein dem Markt und dem unbeschränktem Wettbewerb überlassen werden darf. Diese wirtschaftliche Betätigung gehört zum Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Wir werden die betreffenden gesetzlichen Grundlagen mit dem Ziel größeren Gestaltungsspielraumes für die Kommunen weiterentwickeln. Insbesondere werden wir das kommunale Wirtschaftsrecht ändern, um die Wettbewerbsfähigkeit kommunaler energiewirtschaftlicher Unternehmen wiederherzustellen.”
Kommentar: Damit gibt es auch endlich einen Schwenk in der Wohnungsbauförderung. Und die überfällige “Reichsgaragenordnung” kann in Städten wie Leipzig in eigener Hoheit abgeschafft werden.
Und das Thema “mehr Bürgerbeteiligung” wird zumindest in Ansätzen aufgegriffen. Nachlesbar ab Seite 99:
“Wir werden das Petitionswesen bis Ende 2016 überarbeiten. Die Beschlussempfehlungen überarbeiten wir im Sinne von mehr Bürgernähe. Wir werden prüfen, ob Petenten die Möglichkeit erhalten, den Bearbeitungsstand ihrer Petition online abzufragen. Die Einführung der öffentlichen Petition wird geprüft; auf die Einrichtung eines Forums für Kommentare wird verzichtet. Wir setzen uns dafür ein, dass Petitionen zu Gesetzgebungsverfahren den Fraktionen des Sächsischen Landtags zur Kenntnis gegeben werden.”
“Wir wollen in einem Informationsfreiheitsgesetz das Recht der Bürgerinnen und Bürger klarstellen, gegen angemessene Gebühren grundsätzlich Zugang zu behördlichen Informationen und Dokumenten zu bekommen …”
Im Ganzen also ein deutlicher Schwenk – weg von der fast technokratischen Sichtweise, die in der Zeit der CDU/FDP-Regierung herrschte, wieder deutlicher auf eine soziale Wahrnehmung des Landes und der anstehenden Aufgaben.
Der Koalitionsvertrag:
www.epenportal.de/web/datapool/storage/files100474/LTW_2014/Koav_CDU_SPD_2014-2019_20141023.pdf
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