Wer sich wundert über sächsische Wahlergebnisse, der hat sich noch nicht wirklich mit der Wählerstruktur beschäftigt. Auch bei der Landtagswahl am 31. August bestätigte sich, was bei den Landtagswahlen zuvor - 2004 und 2009 - unübersehbar war: Es sind sind die Rentner, die in Sachsen bestimmen, wo die Reise langgeht. Sie dominieren die Zahl der Wahlberechtigten. Und sie gehen fleißiger zur Wahl.
Das sächsische Landesamt für Statistik hat dazu jetzt die Zahlen für den 31. August ausgewertet. Aus den rund 3.600 Urnenwahlbezirken wurden 206 für die Erstellung der repräsentativen Wahlstatistik ausgewählt. So kann das Wahlverhalten von rund 6 Prozent der Wahlberechtigten in gut 6 Prozent der Wahlbezirke nach geschlechts- und altersspezifischen Aspekten ausgewertet werden.
“Die Wahlbeteiligung (ohne Briefwahl) lag bei dieser Wahl mit nur 39,7 Prozent fast 5 Prozentpunkte unter der von 2009 und sogar 13 Prozentpunkten unter der vor 10 Jahren. Sowohl bei Männern (4,8 bzw. 13,1 Prozentpunkte) als auch bei Frauen (4,6 bzw. 13,0 Prozentpunkte) war gleichermaßen eine Abkehr von der Wahrnehmung dieses demokratischen Grundrechtes zu verzeichnen”, stellen die Statistiker aus Kamenz fest. Was kein gutes Zeichen für die sächsische Demokratie ist. Oppositionsparteien wie die SPD oder die Grünen, die gern mehr Prozente eingefahren hätten, sprachen zwar wahltaktisch von der “fehlenden Wechselstimmung”. Aber wenn Wahlen nur dann interessant genug sind, wenn ein Machtwechsel in Aussicht steht, dann hat die Demokratie auch einen Knacks. Dann stimmen ganz andere Faktoren nicht.
“Betrachtet man die einzelnen Altersgruppen, spiegelt sich ebenso ein kontinuierlicher Rückgang über alle Schichten hinweg wieder”, stellen nun die Landesstatistiker fest. “Eine über 40-prozentige Wahlbeteiligung ließ sich lediglich bei Männern der Jahrgänge unter 1969 (45 und älter) sowie bei Frauen im Alter zwischen 40 und 70 beobachten. Das geringste Interesse an der Landtagswahl zeigten Frauen zwischen 21 und 25 (25,6 Prozent).”
Womit ein entscheidendes Kriterium benannt wird: das Desinteresse an den Wahlen gerade bei jenen jungen Leuten, für die die politischen Weichenstellungen eigentlich die allerwichtigsten sind. Sie werden das, was in den nächsten fünf Jahren entschieden wird, auszulöffeln haben. Andererseits zeigt die Statistik aber auch, dass junge Menschen deutlich häufiger experimentieren und auch Kandidaten und Parteien ihre Stimme geben, deren Chance, auch im Landtag anzukommen, denkbar gering sind. Was das Stimmgewicht der jungen Wähler weiter mindert.
“Als Wahlgewinner konnte sich die AfD fühlen, die auf Anhieb fast 12 Prozent der von Männern und 8 Prozent der von Frauen abgegebenen Stimmen erhielten. Speziell Männer und Frauen unter 60 setzen ihr Kreuz bei dieser Partei. Hier lag der Stimmanteil sogar bei über 13 bzw. 9 Prozent”, beschreiben die Statistiker das Novum bei dieser Wahl. Hier wirkte nun der hohe Stimmenanteil der über 60-Jährigen dämpfend, so dass statt 11 Prozent am Ende nur 9,7 Prozent für die AfD zu Buche schlugen.
Übrigens trat derselbe Effekt auch bei der NPD auf, die bei allen Jahrgängen bis zum 60. Lebensjahr deutlich über 5 Prozent lag – nur durch das schlechte Abschneiden bei den über 60-Jährigen rutschte sie unter die 5-Prozent-Marke.
Und das gibt natürlich all jenen Kritikern recht, die eine derart niedrige Wahlbeteiligung mit hohen Stimmenanteilen für extreme Parteien in Verbindung bringen. Gerade NPD und AfD ist es augenscheinlich gelungen, ihr Wählerklientel weitgehend zu mobilisieren, während SPD, Grünen, Linken und sogar der CDU das an diesem 31. August eher nicht gelang. Da ist natürlich die Frage: Kann man eigentlich immer noch einen inhaltsleeren Wahlkampf machen, wenn sich gleich zwei Parteien im rechten Spektrum mit klaren “Dagegen”-Programmen in die Schlacht werfen?
Übrigens auch ein Thema für die Grünen, die sich mal wieder – wie zur Bundestagswahl 2009 – in heillosen Koalitionsdiskussionen verhedderten (oder verheddern ließen), statt klare Positions-Ansagen zu machen. Wobei wir in diesem Satz sichtlich über das Wörtchen “statt” stolperten, ein Wort, das mittlerweile reihenweise Wahlkampfplakate zierte. Und jedes Mal steht der Wähler davor und muss erst mal sortieren, wer nun für was und wogegen ist. Mit diebischer Freude tauchen alte “Statt”-Losungen der Linkspartei bei der NPD wieder auf.
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Irgendwann weiß dann der meistens uninformierte Wähler nicht mehr wirklich, wer jetzt eigentlich aus welchen Gründen dagegen ist. Viel zu selten war ein klares Wofür zu sehen. Wenn man von billigen Elogen auf das schöne Sachsen, sein tolles Wirtschaften und das “Mir san mir”-Gefühl absieht.
Und so recht fühlten sich gerade die jungen Wähler nicht angesprochen. Und machten noch viel häufiger als die Alten ihr Kreuz bei AfD und NPD. Ein simples “Dagegen” also in einem Wahlkampf, in dem das “Dafür” kaum wahrzunehmen war.
Am Ende entschieden dann also doch wieder die Senioren, dass alles so bleibt, wie es schon immer war. Sie allein hätten der CDU ein Ergebnis von 44,1 Prozent verschafft. Andererseits hätten sie auch beinah dafür gesorgt, auch noch die Grünen zu versenken, die bei den über 60-Jährigen nur 2,4 Prozent der Stimmen bekamen, während sie bei den jüngeren Jahrgängen eher zu 10 Prozent tendieren.
Wie unterschiedlich Frauen und Männer gewählt haben, haben Sachsens Statistiker dann nicht mehr ermittelt. Sie haben sich auf die Unterschiede zwischen den Alterskohorten beschränkt. Aber das gibt eigentlich schon ein klares Bild über das “Weiter so” in Sachsen: “Wie schon bei den vergangenen Wahlen ging die CDU als stärkste Kraft in Sachsen hervor. Ihre Hauptwählerschaft bleiben mit knapp 45 Prozent Wahlberechtigte über 60 Jahre. Lediglich Die Linke rekrutierte noch mehr ihrer Wähler aus dieser Altersgruppe (49,7 Prozent).”
Die Mittelung des Landesamtes für Statistik:
www.statistik.sachsen.de/download/200_MI_2014/lwl3714.pdf
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