Da wollte Staatsminister Sven Morlok noch einmal so richtig punkten vorm Wahlkampf und veröffentlichte am 16. April die Meldung "Zustand sächsischer Straßen hat sich verbessert". "Der Zustand der sächsischen Bundesstraßen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert", hieß es darin. Sehr zum Staunen nicht nur zahlreicher Sachsen, die mit dem Zustand der Straßen leben müssen. Die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen fragte gleich mal nach. Da blieb dann nicht viel übrig vom Selbstlob. Was dann wieder die FDP so nicht stehen lassen wollte.

Torsten Herbst, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im sächsischen Landtag, wartete ein Weilchen, bis sich die Aufregung gelegt hatte. Dann stellte er Verkehrsminister Sven Morlok ein eigenes Fragenpaket zum Thema Bundes- und Staatsstraßen. Das Wichtigste ließ er weg, fragte einfach nach neu gebauten und sanierten Straßenkilometern. Ist ja nicht so, dass nicht weiter gebaut wird.

Die Frage ist nur: Reicht der Sanierungsaufwand, um das Straßennetz in Ordnung zu halten und eine Zustandsverschlechterung zu verhindern? – Die Antworten, die die Grünen fanden, ergaben das Ergebnis: Nein.

Tatsächlich weiß man auch im Sächsischen Verkehrsministerium, dass der Freistaat seit Jahren zu wenig Geld für den Straßenerhalt ausgegeben hat, dafür fleißig neu gebaut hat. Das hat sich unter Verkehrsminister Sven Morlok nicht wirklich verändert, auch wenn er sein Amt 2009 mit dem Versprechen antrat, den Straßenverschleiß zu beenden.

Jetzt, quasi zum Ende seiner Amtszeit, lautet auch die Botschaft aus dem Verkehrsministerium: “Weitere Mittelaufstockung für Erhalt der Straßen erforderlich”.

Daraus macht nun Torsten Herbst, nachdem er die abgefragten Zahlen aus dem Ministerium bekommen hat: “Fast 1.000 Kilometer Bundes- und Staatsstraßen saniert – Straßenqualität weiter verbessern!”

Und so liest er aus den gelieferten Zahlen denn auch heraus: “Die Sanierung von Bundes- und Staatsstraßen in Sachsen ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich vorangekommen. (…) Danach wurden zwischen 2009 und Juli 2014 in den sächsischen Landkreisen (ohne Chemnitz, Dresden, Leipzig) 974 Kilometer Staats- und Bundesstraßen saniert. Neu gebaut wurden im gleichen Zeitraum 71,7 Kilometer Bundesstraßen und 51,3 Kilometer Staatsstraßen. Zudem wurden insgesamt über 30 Kilometer Bundesautobahn neu gebaut. Der Löwenanteil entfiel dabei auf den Lückenschluss der A72 zwischen Chemnitz und Leipzig. Die 20 Kilometer zwischen Rathendorf und Borna Süd sind dabei das bundesweit längste Autobahnteilstück, welches 2013 freigegeben wurde. Neben den Bundes- und Staatsstraßen, für die der Freistaat Sachsen zuständig ist, gibt es Kreis- und Gemeindestraßen in Trägerschaft der Kommunen.”

Wenn das nicht eine Runde Schampus wert ist. Torsten Herbst: “Die Zahlen zeigen, dass wir bei der Sanierung unserer Bundes- und Staatsstraßen ein kräftiges Stück vorangekommen sind, aber auch wichtige Neubauprojekte wie die A72 vorangetrieben wurden. Die Anstrengungen zur Sanierung des Straßennetzes müssen mit aller Kraft weitergehen. Ideologisch motivierte Phantasien von vermeintlicher Überflüssigkeit des Straßenbaus dagegen haben mit der Lebensrealität nichts zu tun. Es ist bemerkenswert, dass es im Freistaat weit mehr Bürgerinitiativen pro Bau und die Sanierung von Straßen gibt als zur Verhinderung von Bauprojekten.”Und so taucht 2014 wieder auf, was 2009 großes Wahlkampfthema war. Als hätte man es einfach fünf Jahre lang gut im Tresor verwahrt. Torsten Herbst: “Der neue Schwerpunkt auf Straßenerhalt statt Neubau wird am konkreten Baugeschehen immer deutlicher sichtbar – die gebauten Kilometer sprechen da eine klare Sprache. Für uns steht fest: Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist ein enorm wichtiger Standortfaktor für Sachsen aber auch eine Frage der Lebensqualität für die Bürger – egal ob sie mit dem Auto, dem Fahrrad oder dem ÖPNV unterwegs sind. Gerade für den ländlichen Raum ist Mobilität unverzichtbar, um Arbeitsplätze zu erreichen und Besorgungen zu erledigen. Zudem erhöhen sanierte Straßen die Verkehrssicherheit und vermindern die Lärmbelastung für Anwohner. – Die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums, bei Neubauvorhaben ganz klare Prioritäten zu setzen, hat sich ausgezahlt. Denn nur so sind Projekte wie der Ausbau der B 178 Richtung Löbau/Zittau oder die neue B 96-Westtangente bei Bautzen schneller vorangekommen.”

Sanierungsoffensive nannte es Sven Morlok. Torsten Herbst nennt es nun auch so: “Für die FDP-Fraktion ist klar: Wir brauchen weiterhin ausreichend Geld für eine Sanierungsoffensive im Bereich der Bundes- und Staatsstraßen und eine klare Konzentration auf wirkliche wichtige Neubauvorhaben. Die Modernisierung unserer Infrastruktur darf nicht an grünen Blockierern scheitern.”

Und was macht diese verflixte L-IZ? Nimmt wieder den Taschenrechner zur Hand und rechnet durch. Die Länge der Bundes- und Staatsstraßen haben wir ja aus der Antwort an Eva Jähnigen.

Von 2009 bis Juli 2014 wurden in Sachsen 372,3 Kilometer Bundesstraßen saniert und grundhaft ausgebaut. Da es zu den drei kreisfreien Städten keine Angaben gibt, rechnen wir das einfach auf das Netz von Bundesstraßen nur in den Landkreisen – das ist 2.165 Kilometer lang. Pro Jahr wurden knapp 68 Kilometer Bundesstraße erneuert. Um das gesamte Bundesstraßennetz in Sachsen zu erneuern, bräuchte der Freistaat beim aktuell vorgelegten Tempo 32 Jahre. Das ist ersichtlich kein allzu hohes Tempo für stark befahrene Bundesstraßen, bei denen man von einer Erneuerung aller 20 bis 25 Jahre spätestens ausgeht.

Bei den sächsischen Staatsstraßen sieht es noch düsterer aus. Das Staatsstraßennetz außerhalb der drei kreisfreien Städte ist 4.608 Kilometer lang. Von 2009 bis Juli 2014 wurden 601,7 Kilometer erneuert. Das macht im Jahresschnitt knapp 110 Kilometer. Um das ganze Staatsstraßennetz zu erneuern, würde der Freistaat bei diesem Tempo 42 Jahre brauchen. Es ist also nicht verwunderlich, dass – während ein paar Stücke aufwändig erneuert werden – große Teile des Netzes immer weiter verschleißen und in immer schlechtere Zustandsnoten abrutschen.

Ergebnis: Was Torsten Herbst abgefragt hat, beleuchtet tatsächlich die schleppende Sanierungstätigkeit im sächsischen Straßennetz.

Die Meldung des sächsischen Verkehrsministerium vom 16. April: www.medienservice.sachsen.de/medien/news/191590?page=11

Die Antwort von Sven Morlok an Eva Jähnigen vom 15. April als PDF zum Download.

Die Die Kleine Anfrage von Torsten Herbst als PDF zum Download.

Die Auskunft von 2009 an den damaligen Abgeordneten Sven Morlok als PDF zum Download.

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