Die Jobs, die Sachsens Polizei zu bieten hat, sind nicht nur "verdächtig gut", wie es die aktuelle Werbekampagne des Innenministeriums verheißt. Sie sind auch verdammt anspruchsvoll. Das wird oft vergessen, wenn es um die Personalpolitik des Freistaats Sachsen geht: Das Personal, das man hier über Jahre vollmundig eingespart hat, wächst nicht auf den Bäumen. Das bekommt Sachsens Innenminister jetzt schon heftig zu spüren.

Denn nicht ohne Grund hat er die Einstellungskriterien für den Polizeidienst deutlich aufgeweitet. Über Bewerbungen kann sich Sachsens Polizei nicht beklagen. Doch es ist bei allen anderen Fachberufen im Land Sachsen auch: Wer die Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt, wird auch nicht ins Ausbildungsprogramm aufgenommen. Und schon in den vergangenen drei Jahren hatte der Freistaat arge Probleme, auch nur die vorgesehenen 300 Polizisten jedes Jahr auszubilden. Eine Zahl, die bekanntlich nicht einmal reicht, um die nötige Personalstärke zu halten. Mittlerweile sieht man selbst in der Regierungskoalition die Notwendigkeit, den Einstellungskorridor auf 400 zu erweitern.

Die Grünen-Abgeordnete Eva Jähnigen hat im Juli, als die neue Werbekampagne von Innenminister Markus Ulbig (CDU) das Sachsenvolk erfreute, mal nachgefragt, was dahintersteckt. Immerhin lag ja die Vermutung nicht fern, dass nun auch der Innenminister begriffen hat, dass sich der Kampf um den ausbildungsfähigen Nachwuchs in allen sächsischen Branchen verschärft hat. Halbierte Geburtenjahrgänge, die seit 2010 alle in der Ausbildung ankommen, bedeuten natürlich, dass Wirtschaft und Staat mit harten Bandagen um die besten Köpfe kämpfen – und dass für den Staat manchmal nichts übrig bleibt, wenn die Wirtschaft fixer war.

Zumindest verrät Markus Ulbig schon einmal, wie viel ihm die Werbung von gutem Polizeinachwuchs wert ist: 200.000 Euro in den Jahren 2013 und 2014.

Die Not aber ist aus den Statistiken schon länger ablesbar. Die reinen Bewerberzahlen klingen bombastisch: 3.272 bewarben sich 2012 für den mittleren Polizeidienst, 2.049 für den gehobenen. 2013 waren es 2.717 bzw. 1.710 Bewerber. Und 2014 zeigt die Werbekampagne um die “verdächtig guten Jobs” Wirkung: 2.906 Bewerbungen für den mittleren Dienst (neuerdings “Laufbahngruppe 1.2”) standen 1.656 Bewerber für den gehobenen Dienst (“Laufbahngruppe 2.1”) gegenüber.

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Aber Bewerbung ist nicht gleich Bewerbung. Der Polizeidienst stellt eine Menge Anforderungen. Und so schieden im Jahr 2014 allein 974 Bewerbungen für die Laufbahngruppe 1.2 aus, weil die persönlichen Voraussetzungen wie Alter und Schulabschluss fehlten. Weitere 677 Bewerberinnen und Bewerber bestanden das Auswahlverfahren nicht, 119 waren polizeidienstuntauglich. Weitere 196 Bewerber sagten noch während des Auswahlverfahrens ab. Übrig blieben am Ende 940 Bewerberinnen und Bewerber, von denen etliche ohne Angabe von Gründen nicht zu Auswahlverfahren erschienen. Dass alle nicht erschienen, wie der Innenminister erläutert, ist wohl eher nicht der Fall, sonst hat er am 1. September wirklich das Problem, dass er gar keinen Polizisten zur Ausbildung einstellen kann.

In den Vorjahren waren das immerhin noch 243 bzw. 248. Die Vermutung liegt nahe, dass es auch 2014 so sein wird.

Dass auch die Nachfrage nach einem Studium an der Polizeihochschule hoch bleibt, sollte den Minister zumindest zuversichtlich stimmen, auch wenn dort ähnlich rigoros ausgesiebt wird. Von den 1.656 Bewerberinnen und Bewerbern fielen 159 wegen fehlender Voraussetzungen (Alter, Schulabschluss) durchs Raster, 166 sagten im Verlauf des Verfahrens ab, 435 bestanden es nicht, 24 Bewerber waren polizeidienstuntauglich. Blieben aber immerhin noch 882 Bewerberinnen und Bewerber, von denen dann 74 die begehrten Studienplätze bekamen.

Die andere Seite von “verdächtig gute Jobs” ist also die von sehr hohen Ansprüchen an die künftigen Polizisten. Ziel der Kampagne mit den “verdächtig guten Jobs” sei zwar, mehr Jugendliche und junge Erwachsene für den Polizeiberuf zu begeistern, so Ulbig. Aber die Kampagne täuscht auch ein wenig über die hohen Anforderungen an den Polizeiberuf hinweg und suggeriert augenscheinlich Manchem, der sein Wissen über Polizeiarbeit aus Action Thrillern hat, darüber, dass der Beruf ein anspruchsvoller Fachberuf ist, der auch gute sportliche und schulische Leistungen zur Voraussetzung hat.

Die Kleine Anfrage von Eva Jähnigen als PDF zum download.

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