Und wieder sind fünf Jahre rum und die Sachsen sind zufrieden. So pappzufrieden, dass es einfach noch mal fünf Jahre und dann noch mal fünf und wisst Ihr was - einfach noch mal fünf Jahre CDU sein sollen. Mal kurz überlegen, wie lang das nun schon so geht ... Richtig, fünf mal fünf Jahre große Zufriedenheit liegen hinter uns. Aus demokratischen Wahlen ist endlich eine Erbmonarchie nach bayerischem Vorbild geworden, Güte und Weisheit durchziehen Land, Stadt und Wälder. God save the Ministerpräsident.

“Richtungswahl” – ich kann es nicht mehr hören!!!! – die Deppen-Ausrufezeichen müssen gleich an den Anfang, dann haben wir die schon mal weg. Wenn am 31. August kurz vor 18 Uhr der letzte Urnengänger in irgendeiner verfallenden Schule hinter diesem Gebilde aus Pressplatten auf Lehrertisch hervorgepurzelt kommt und mit bedeutungsschwangerem Blick das eifrig gefalzte Blatt voller Wahlverlierer durch den Schlitz der Gewissheit schiebt, beginnt in Dresden, Leipzig und Chemnitz das große Rotkäppchensektflaschenöffnen hinter den Fraktionstürchen der CDU. Es wird der Rest-Anstand sein, der bis dahin auch diese Partei zum Satz aller Sätze bringt: “Der Wähler trifft die Entscheidung”. Kann ich nicht mehr hören!

Der “Wähler” ist der verkümmerte Neffe des “Bürgers”, dem man in Sachsen zwischen den deutlich verspäteten Schulbesuchen aller fünf Jahre die Volksentscheide zu Sachfragen mit 450.000 Unterschriften versauert hat. Wird sich auch nicht mehr ändern. Welcher Politiker braucht schon das Gequake dieser Billiglöhner mit Abitur? Hier wird das gewählt, was nicht schmutzt und worüber man meckern kann, wenn von den nicht gemachten Wahlversprechen auch keine eingelöst werden. Denn Wahlversprechen sind out, Abwarten ist total in. Und Kanzlerauftritte in Grimma statt in Leipzig, es könnte ja noch jemand aufwachen, wenn die Anlage hochfährt.

Sieht man auch deutlich an den irgendwie immer noch nicht koalitionswilligen Rot-Rot-Grünen im Freistaat im Jahr 25 nach dem Tag X. Also – warum einen von denen wählen, wenn’s doch wieder nur schwarz wird am Ende des Tunnels? Bloß niemanden aufwecken, das könnte übel ins Auge gehen im Land der neu erblühten Jagdleidenschaften und des boomenden Kleinwaffenbesitzes.

Apropos Kleinwaffen: “Wer nicht wählt, wählt Rechts”. – Kann ich auch nicht mehr hören! Denn die Wahrheit ist, wenn Wenige wählen, gewinnen immer die Schwarzen. Der Braunenwähler hat einfach nur Frust und man sollte endlich ein Ausbürgerungsprogramm Richtung Russland für sie starten. Der Rest ist jetzt eh schon bei der Bundeswehr und kämpft auf allen Kontinenten dieser Welt. Da sehen sie mal, wie schön es zu Hause ist und wählen ganz automatisch wieder mit den Mehrheiten.
Womit wir bei den Minderheiten wären. Die vom “Wähler” als deutlich zu aggressiv empfundene, weil ruhestörende Opposition – allen voran diese Ökofaschisten – schreibt Wahlprogramme, fabuliert von diesem natürlich! längst als unsolide enttarnten “Mehr” von allem. Die CDU liest, um mal wieder die Stimmung zu erahnen. Dann bildet sie irgendwo allein im Wald am See beim fröhlichen Steinehüpfenlassen einen Mittelwert aus den selbstgeschaffenen Problemen bei Lehrern, Polizei, Kitas und anderen Unwichtigkeiten in Zeiten des “Sparzwangs”. Dieses Wort ist bereits nie-wieder-hörbar! Anschließend werden die Änderungsvorschläge der politischen Gegnerschaft abzüglich 50 Prozent hinzuaddiert und alles säuberlich ins Muttiheft in der Spalte “zum drüber nachdenken” eingetragen. Noch ein kleiner Finanzierungsvorbehalt als Stoppschild für Kritiker dran, damit das Unland nicht in Erklärungsnötchen kommt, wenn mal wieder eine 3-Milliarden-Explosion ohne Konsequenzen für die Verursacher auf die Kinder und die sozial Schwachen umgewälzt wird. Oder entnervte Lehrer am Landtag Klagemauer spielen und die Polizei gegen Ende der 12-Stunden-Schicht lieber nen Kaffee trinkt, als auszurücken.

Fertig ist das diesmal auch so benannte “Regierungsprogramm” aus dem Epizentrum der Bewegungslosigkeit, Unterschriftsfeld rechts unten für den letztlich austauschbaren Koalitionspartner der CDU, Name folgt nach Rückgratvermessung. Der jetzige Koalibär gab nun im Wahlkampf bekannt, dass Sachsen nicht Berlin sei. Ich habe sicher fünf Tage gebraucht, um den Schock der Erkenntnis zu verdauen. Aber eines wusste ich sofort angesichts dieser Sterbelaute: Da wäre man jetzt ohne FDP nie wirklich drauf gekommen. Derzeit warte ich sehnsüchtig auf die letzten Wahlkampftage und weitere wertvolle Verbraucherhinweise wie “Ein Sack Kartoffeln ist kein Putzmittel” oder “Schaffe, schaffe Häusle baue, Butterbrot statt Schnitzel kaue”. Moment: der könnte ja auch von den Grünen kommen.

Wer unter den längst hufescharrenden Koalitionsanwärtern von mittelbraun über hellrot bis dunkelgrün bis zum 31. August am meisten plagiiert wurde, darf danach fünf Jahre lang einige unwichtige Ministerposten innehaben und beim Finanzminister die Klinke putzen. Der schmeißt längst schon die eigenen Parteikollegen raus, getreu dem alten CDU-Motto “Mich interessieren Eure Meinungen nicht, wenn wir hier diskutieren”. Und anschließend darf der ungebetene Ideengeber 2019 der FDP zielgenau in die Urne folgen. Friede schon jetzt ihrer Asche, die echten Sozialdarwinisten, angeblichen Leistungsträger und einige bei der CDU zu kurz, weil nicht in die Klüngelkreise gekommenen “hart arbeitenden deutschen Unternehmer” äugen längst Richtung AfD. Die Perspektive eines Kellerkindes ist nichts für Karrieristen und statt Elite auf einmal Sitzenbleiber nichts für windkanalgetestete Streber.

Unter den ganz Schlüpfrigen ist es gänzlich egal, mit wem man sich mal wieder irgendwie vorn an der Spitze der Veränderung wähnt. Auch wenn es direkt ins Gestern geht.

Die neuen Hoffnungsträger versprechen gerade das große Aufräumen, wie es mit ähnlichen Holzschnittmesserchen am Wirtschaftsstammtisch anno domini 2009 die Ex-Liberalen taten. Bis der Besen beim großen Kehraus am still ruhenden Regierungswesen bricht. Das Jahr 2009 ist fern auch bei Sachsens FDP, der Höhenflug irgendwo zwischen bundespolitisch vermurksten “Anschlussverwendungen” für “Schleckerfrauen” (kann ich auch nicht mehr hören), einem Hotelierrabatt und dem “neuen, gerechteren Steuersystem” verröchelt. Das Letztgenannte habe ich so oft gehört, dass ich damals mit einem Bierdeckel zum Steuerberater gerannt bin.
Der letzte bekannte Liberale versucht nur noch verzweifelt, in Sachsen die ständig inkontinente Zahl beim Citytunnel zu halten, bevor der “Wähler” seinen Abschiedsbrief ankreuzt und die Spülung betätigt. Sowas geht schnell in Postwachstumsgesellschaften mit rotierenden Heilsverspreche(r)n. Ok, der war schwach, aber wie man hört, schreiben die ersten Noch-Abgeordneten der FDP bereits Bewerbungen. Es sei von “qualifizierten Tätigkeitsfeldern in Führungspositionen” die Rede. Na vielleicht reicht’s ja zum Filialleiter bei Karstadt, bei Schlecker einst fehlte ja noch die notwendige Tagesfreizeit.

Das hier kann ich übrigens auch ausdrücklich nicht mehr hören: “Sachsen freut sich über steigende Geburtenzahlen”. Wenn ich schweißnass mitten in der Nacht erwache, sehe ich lauter CDU-Mitglieder … aber lassen wir das. Zumindest haben wir es diesmal ohne Mutterkreuze geschafft und auch weitgehend ohne Akademikerinnen. Die suchen noch einen Kitaplatz, bevor sie loslegen mit der Beseitigung des Fachkräftemangels.

Apropos Akademiker, das ist vielleicht neben dem anstehenden Koalitionswechsel von FDP zu SPD die eigentliche Neuigkeit in Sachsen: Auch die Rassisten haben offenbar ein neues, reinlicheres Zuhause als in den immer gleichen NPD-Gesichtern gefunden. Bei denen wurde es ja erst letztlich sogar solchen abgestumpften Einwanderern wie Holger A. zu eklig. Nun bräunt er noch ein wenig auf Malle nach und die Kameraden zu Haus müssen allein mit der irgendwie gefühlt seit 20 Jahren bevorstehenden Islamisierung Sachsens und der eigenen Bildungsarmut fertig werden. Und das alles auch noch unter verschärfter Konkurrenz.

Denn hier, bei der AfD, wird endlich etwas feiner formuliert, was bei den Göbbelsschnauzen immer so brutal klang. Vielleicht reicht das sogar für eine neue Mini-CSU in Sachsen, hier wie dort sind die Wälder tief und die Dörfer anständig bis zur Züchtigung des rebellischen Nachwuchses. Alles, bloß nicht schwul oder Punker der Bub, sonst gibt’s keine Mitgliedschaft im Schützenverein und er muss in die anonyme Großstadt ziehen. Und wird gezwungen, Drogen zu nehmen, das machen die da alle! Der Weg jedenfalls von den dörflich selbst getretenen Hühnern bis hin zu “Deutschland den Deutschen” oder “Das Boot ist voll” ist ähnlich weit, wie bis zu “Unser Land geht vor”. Wer den Unterschied findet, kann ihn behalten. Erika Steinbach jedenfalls freut sich schon auf anregende Gespräche über einen Austritt Sachsens und Bayerns aus dem Euro und “Stanislaus dem Ersten” ist egal, wer ihm gerade die Stange hält. Solange nur die Sorben anständig behandelt werden, während man das nächste Dorf in der Braunkohle versenkt.

Dafür sei der AfD jetzt schon Dank, als neues Sammelbecken für Quartalsirre, gescheiterte Unternehmer und Hühnerhofverteidiger im “Law and Order”-Modus der 60er Jahre wird sie wohl der NPD das verpassen, was die CDU samt angliederten Gerichten und rechtsäugig früherblindeten Strafverfolgungsbehörden in all den letzten Jahrzehnten in Sachsen nicht auf den Zettel bekam. Saturiert genug, um erst mit den Anwaltskollegen in irgendeinem Gourmet-Restaurant hoch über der Stadt Haihaché zu löffeln und anschließend volksnah als Absacker noch ein Bier in der Gastwirtschaft “Zum gehenkten Ausländer” zu nehmen. Eine alternative Beschwerdestelle für alle apolitischen Sachsen. Also die, welche sich immer noch wundern, wenn auch am 31. August auf ihrem Wahlzettel wieder Angela Merkel nicht ankreuzbar ist.

Soll ja auch schon welche von diesem Wählertypus gegeben haben, die bei den 9,2 Prozent der NPD 2004 nachher leise gemurmelt haben “Mist, in der Zeile verrutscht”. – Kann ich auch nicht mehr hören.

Wenn angesichts flotter Waffengänge auf der Kugel auch der Spruch “In Krisenzeiten keine Experimente” – den ich auch nicht mehr hören kann – stimmt, reicht es diesmal vielleicht sogar endlich zur urgemütlichen christlichen Alleinherrschaft unter dem zweitfreiesten blauen Himmel nach Bayern. Von wegen “Zahltag” – das kann ich vor allem anderen nicht mehr hören!!!! (ups). Angesichts solcher hoffnungsfroher Zukunft lehne ich mich einfach mal in dieser Geisterbahn eine Woche vorm Wahlgang entspannt zurück. Denn weil der Mensch nur durch Schmerzen lernt, dürft ihr diesmal schön alleine wählen.

Wer Wahlprognosen glaubt, ist doof. Hier sind ein paar.

www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/sachsen.htm

Hier hüpfen noch ein paar Steine übern See
Wahlkampfspot der CDU

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