Der studierte Theologe Michael Weichert startete seine politische Karriere im Herbst 1989, als er Mitglied des Neuen Forums wurde. 1990 wurde er Gründungsmitglied von Bündnis 90, das später mit den Grünen zu B'90/Die Grünen fusionierte. Von 1994 bis 2009 war er Stadtrat in Leipzig und sechs Jahre lang auch Fraktionsvorsitzender der Grünen. Seit 2004 präsentiert er Leipzig im Sächsischen Landtag und ist dort Fraktionssprecher für Wirtschaft, Landwirtschaft, Verbraucher und Tourismus. Auch er bekam die sieben Fragen der L-IZ.

Welches war aus Ihrer Sicht der größte Erfolg in dieser Legislatur? Und aus welchen Gründen?

Die Verfassungsänderung, mit der wir für Sachsen eine “atmende” Schuldenbremse, eine Tilgungsverpflichtung und die Konnexität in das sächsische Grundgesetz geschrieben haben. Konnexität garantiert den Kommunen, dass, wenn sie staatliche Aufgaben übernehmen, die dafür nötigen Finanzmittel auch erhalten sollen.

Welches war für Sie die größte Enttäuschung? Und warum?

(Diese Frage wird mit der nächsten zusammen beantwortet)

Welches Projekt hätten Sie gern umgesetzt gesehen? Und woran scheiterte es?

Wir haben mit SPD, Linken und DGB ein modernes sächsisches Vergabegesetz geschrieben, mit dem es einen Paradigmenwechsel bei Einkauf, Beschaffung und Investition der öffentlichen Hände gegeben hätte. Dieses moderne Vergabegesetz hätte soziale und ökologische Vergabekriterien erlaubt und die Lebenszykluskosten bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit eingeführt. Diese Gesetzesinitiative scheiterte durch die Ablehnung der Koalitionsfraktionen CDU und FDP. 14 Bundesländer, der Bund und die EU haben bereits moderne, nachhaltige Vergaberegelungen.

Welches Projekt müsste in der nächsten Wahlperiode unbedingt angegangen werden? Und: Wäre es bezahlbar?

Wir müssen dringend unser Bildungssystem modernisieren. Mehr Vielfalt, mehr Flexibilität, länger gemeinsam lernen können, mehr und besser bezahlte Lehrer, kleinerer Klassenschlüssel, mehr Mittel für die Grundausstattung der Hochschulen wären dazu einige Stichpunkte. Natürlich brauchen wir dafür mehr Geld. Ich finde, Geld ist besser in der Bildung aufgehoben als in einer allgemeinen Rücklage! Wenn man Bildung endlich nicht mehr als Kostenfaktor, sondern als Investition begreifen würde, wäre die Finanzierung überhaupt kein Problem.Denken Sie, dass Leipzig im Landtag gut genug vertreten war? Oder ist Leipzig als wachsende Großstadt eher benachteiligt – auch dann, wenn es um die Mittelzuweisungen geht?

Im Großen und Ganzen haben die Leipziger Abgeordneten, zu denen ja auch zwei Minister gehören, Leipzig gut vertreten, sowohl innerhalb ihrer Fraktionen als auch, wenn es mal sein musste, fraktionsübergreifend. Bei der Förderung der Hochschulen, der Forschung und Entwicklung in Unternehmen und dem Technologie- und Innovationstransfer gibt es aber gegenüber Dresden und Chemnitz noch Aufholbedarf!

Welches sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Probleme für Sachsen?

1. Die Energiewende mutig und energisch mit dem Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung anpacken.
2. Regionale Wirtschaftskreisläufe und die Innovationskraft der sächsischen Unternehmen fördern und stärken.
3. Qualtierhaltung beenden, mehr bäuerliche Landwirtschaft organisieren.
4. Lebensqualität in den ländlichen Räumen verbessern.
5. Bildungssystem (s.o.)

Haben Sie Vorschläge, wie sie angepackt werden können?

1. Kein Tagebauaufschluss mehr genehmigen, Förder- und Feldesabgabe für Braunkohleabbau einführen, einen Runden Tisch “Braunkohleausstieg” einberufen und mit allen Akteuren und Betroffenen ein Ziel formulieren, mit dem das Ende der Braunkohleverstromung sozial verträglich und ohne Vernichtung schon aus Steuermitteln gezahlter Subventionen erreicht wird.

2. Verbundinitiativen fördern, weil dadurch Unternehmen gemeinsam F&E [Anm. d. Red.: Forschung und Entwicklung] betreiben können, Fond zur energetischen Gebäudesanierung auflegen, weil das einen riesigen Investitionsschub zugunsten des sächsischen Handwerks auslösen würde und regionale Marken bei ihrer Entstehung und Entwicklung fördern, beispielsweise “fein&sächsisch”.

3. Keine Fördermittel für industrielle Tierhaltungsanlagen. Bau- und Genehmigungsrecht zugunsten des Einflusses der Bürger vor Ort modifizieren. BVVG-Flächen als Freistaat erwerben und Neugründern zur Verfügung stellen. Eigenen Haushaltstitel für ökologischen Landbau im Doppelhaushalt einführen. Professionelle Beratung für Ökolandbau einrichten (wie in Niedersachsen). Lehrstuhl für ökologische Tierhaltung etablieren.

4. Ländliche Räume attraktiver machen durch Verbesserung der öffentlichen Mobilität, Stichpunkt: Sachsentakt21. Anreize für Ärzte, Lehrer und Händler schaffen, sich auch in ländlichen Räumen nieder zu lassen, Regionalbudgets einführen, Tourismus fördern und mit Natur- und Umweltschutz in Einklang bringen und wo möglich: Ver- und Entsorgung dezentralisieren.

5. siehe oben

Die Website von Michael Weichert: www.michael-weichert.de

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