Sachsen ist auf dem besten Weg sich in eine Instandhaltungskrise seines Verkehrsnetzes zu manövrieren, heißt es aus Kreisen der Opposition, die die schwarz-gelbe Verkehrspolitik für gescheitert erklären. Zwar gehe man mit in der Annahme, dass der Schwerpunkt auf Erhalt und nicht auf Neubau liege, aber die enormen Instandhaltungskosten können nicht gestemmt werden und die Bundesmittel werden falsch investiert. Zu diesen und zu weiteren Vorwürfen haben wir mit Jürgen Kasek, Vorstandssprecher Bündnis 90/Die Grünen Leipzig, gesprochen.
Wie stellt sich Ihrer Ansicht nach die Bilanz der Verkehrspolitik der Staatsregierung in der vergangen Legislaturperiode dar? Was lief gut, was ist zu kritisieren?
Mittelpunkt der sächsischen Verkehrspolitik ist der konzeptlose Straßenaus- und Neubau. Die Landesregierung arbeitet mit völlig veralteten Prognosen um immer weitere Straßen zu bauen. Dabei sind 62 % aller Staatsstraßen in einem defizitären Zustand ohne dass sich daran etwas ändert. Fahrradverkehr wird in Sachsen kaum gefördert. Durch die Änderung der ÖPNV- Finanzierungsverordnung haben die sächsischen Verkehrsverbände in den Jahren 2011-2014 insgesamt 132 Mio Euro weniger bekommen. Die vom Bund ausgereichten Regionalisierungsmittel fließen fast komplett in den Straßenbau. In der Folge werden vor allen Dingen Menschen im ländlichen Raum, die sich kein Auto leisten können, abgehängt. Kurz und knapp: die Bilanz der Verkehrspolitik ist mit einem Wort desaströs, der zuständige Minister schlicht unfähig.
Der Schwerpunkt im Hinblick auf Sachsens Autobahnen liegt nach Informationen des Staatsministeriums auf Erhalt statt auf Neubau. Wie beurteilen Sie diesen Schwerpunkt?
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Der Schwerpunkt ist theoretisch richtig gesetzt, allerdings wird er nicht umgesetzt, denn weiterhin werden in Sachsen primär Straßen gebaut. Mit etwa 13.600 km überörtlicher Straße besitzt Sachsen bereits jetzt das dichteste Straßennetz aller Bundesländer. Die Pro- Kopf Netzdichte liegt 20 % über dem Bundesdurchschnitt. Daraus resultieren bereits heute enorme Instandhaltungskosten. CDU und FDP haben ca. 600 Mio Euro europäischer EFRE Mittel zwischen 2007 und 2013 allein in den Straßenneubau gesteckt. Auch aus den Mitteln für den Hochwasserschutz sind einige Straßenbauprojekte enthalten. Dazu kommt, dass sagenhafte 85 % der Bundesentflechtungsgelder für die kommunale Infrastruktur in den Neubau fließen. 22 % der Mittel etwa die der Bund für den Unterhalt der Bundesstraßen zur Verfügung stellt, sind in neue Straßenbauprojekte geflossen und so weiter und so weiter. Fakt ist: die Landesregierung rechnet falsch und lässt die bestehende Infrastruktur verfallen. Die Aussage des Staatsministeriums vor dem Hintergrund ist eine glatte Lüge und der Minister ein Betrüger.
Nach Informationen des ADAC werden die Bundesmittel zum Erhalt/Neubau des Bundesfernstraßennetztes in Höhe der eingenommen Maut gekürzt. Das BMVI dementiert diese Annahme. Wie stehen Sie zu diesem Sachverhalt?
Grundsätzlich sollen die Mittel aus der Mauteinnahme in den Erhalt der Straßen gehen. Wobei trotzdem klar ist, dass die Mittel nicht reichen, um das Defizit im Bereich Straßenverkehr auszugleichen. Es wäre zumindest denkbar, dass die Gelder zweckentfremdet verwendet werden. Wobei klar sein muss, der Autoverkehr wird nach wie vor übersubventioniert.
Droht Sachsen eine Instandhaltungskrise? Was muss getan werden, um einer solchen Krise zuvorzukommen?
De facto haben wir schon eine Instandhaltungskrise. Zu den erwähnten 62 % der Staatsstraßen, die in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand sind, kommen 37 % der Bundesstraßen hinzu. Um das zu ändern muss der Schwerpunkt tatsächlich auf Investitionen in das Bestandsnetz verschoben werden. Aus- und Neubau von Straßen müssen die absolute Ausnahme bleiben. Hinzu treten muss ein Straßen- und Brückensanierungsprogramm, bei dem die sächsischen Haushaltsmittel in transparenter Weise anhand des tatsächlichen Bauzustandes verteilt werden. Außerdem müssen wir umlenken: Weg von der einseitigen Förderung des Autoverkehrs, hin zur Förderung der Verkehrsarten des Umweltverbundes. Heißt, dass frei werdende Mittel gezielt in die Stärkung des Rad-, Fuß-, und öffentlichen Verkehrs eingesetzt werden müssen. Um diese Krise abzuwenden bzw. zu lösen braucht es eine andere Landesregierung, die jetzige ist dazu nicht willens und in der Lage.
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