Mit gewaltigem Tamtam stellte die sächsische Staatsregierung am Dienstag, 8. Juli, die Rahmendaten für den neuen Doppelhaushalt 2015/2016 vor. Den Haushalt wird zwar ein völlig anderer Landtag und eine möglicherweise andere Regierung beschließen müssen. Aber auf die Pauke hauen kann man ja schon einmal. Und die Opposition tobt. Weil sie so wenig tun kann gegen die potemkinschen Verlautbarungen. So ganz nebenbei werden die falschen Verheißungen von 2009/2010 entlarvt.
Wer sich erinnert: Damals verbreitete vor allem Finanzminister Georg Unland (CDU) Panik, indem er das Menetekel der drastisch abschmelzenden Zuweisungen aus dem Solidarpakt und der EU-Förderung an die Wand malte, dazu mit Prognosen einbrechender Steuereinnahmen um sich warf, die den sächsischen Haushalt von 16 auf 14 Milliarden Euro gestaucht hätten. Mit dieser Argumentation wurden die nächsten Doppelhaushalte auf knapp 15 Milliarden Euro zusammengestutzt. Die Sachsen bekamen es allerenden zu spüren. Sie spüren es heute noch. Und werden es weiter spüren. Denn auch wenn die Staatsregierung jetzt mit stolzgeschwellter Brust 17-Milliarden-Euro-Haushalte vorlegen kann, will sie ihren drastischen Personalabbau in Hochschulen, Schulen und Polizei weitertreiben.
Sachsen geht’s prima
Sie formuliert es anders. Ganz so, als wäre Graf Potemkin der wichtigste Regierungsberater. Sie verkauft den Abbau als Gewinn. Und aus CDU und FDP hört sich das an, als sei man mit dieser Demontage des Dienstleisters Freistaat aufs Höchste zufrieden.
Zu den Ergebnissen der zweitägigen Kabinetts-Haushaltsklausur erklärt Steffen Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion: “Die Haushaltsklausur hat gezeigt, dass Sachsen dank seiner vorbildlichen und soliden Finanzpolitik hervorragend aufgestellt ist, um die wichtigsten Aufgaben in den kommenden zwei Jahren zu meistern. Die Staatsregierung hat heute einen sehr vernünftigen Vorschlag vorgelegt, der im Vergleich zum letzten Doppelhaushalt konstant geblieben ist. Allen Kritikern aus der Opposition, die damals von einem Wahlhaushalt gesprochen haben, sei damit endgültig widersprochen.
Beachtlich ist vor allem, dass die Investitionsquote trotz sinkender EU- und Solidarpaktzuschüsse für Sachsen bei weiterhin hohen 17 Prozent liegen soll. Davon können andere Länder nur träumen. Zudem hat die Staatsregierung einen sichtbaren Schwerpunkt auf Bildung und Forschung sowie die innere Sicherheit gelegt. So soll die Quote für Bildungsausgaben in beiden Haushaltsjahren nochmals auf rund 31 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens steigen. Insbesondere die Ausbildung und Neueinstellung von zusätzlichen Lehrern und jungen Polizeibeamten hat in den kommenden zwei Jahren Priorität. Insgesamt zeigt der Kabinettsbeschluss einmal mehr, dass die Staatsregierung ein starkes Bewusstsein für die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft hat und ihre Entscheidungen zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger im Freistaat trifft.”
“Sachsen hat unter Schwarz-Gelb während der zu Ende gehenden Legislaturperiode hervorragend gewirtschaftet und steht in nahezu allen Bereichen besser da als je zuvor. Damit haben wir die Spielräume geschaffen, bestehende Herausforderungen anzugehen. Der Haushaltsentwurf des Kabinetts setzt deshalb auch in den kommenden beiden Jahren vor allem Schwerpunkte im Bereich Bildung und Forschung. Und das selbstverständlich ohne neue Schulden zu machen”, erklärt Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag.
Einen Schwerpunkt setze der geplante Doppelhaushalt zudem bei der Unterstützung von Unternehmensinvestitionen und der Innovationsförderung vor allem der mittelständischen sächsischen Wirtschaft. Ein Drittel des Haushalts geht erneut als Zuweisung an die Kommunen im Freistaat. Auch der deutschlandweit höchsten Investitionsquote von rund 17,4 Prozent 2015 und 16,5 Prozent im Jahr 2016 bleibt Sachsen in den kommenden beiden Jahren treu.
“Damit sichern wir unter anderem den Erhalt, die Sanierung und den bedarfsgerechten Ausbau der sächsischen Verkehrsinfrastruktur und einen attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr in ganz Sachsen gleichermaßen. So bleibt Sachsen im Vergleich zu den angrenzenden Bundesländern und den europäischen Nachbarn wettbewerbsfähig”, sagte Holger Zastrow.
Erwähnenswert findet er, dass im Verkehrsressort jetzt die Zuweisungen für die Zweckverbände wieder erhöht werden: Das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr plant unter anderem für seinen Etat, die ÖPNV-Mittel für die Zweckverbände im Jahr 2015 von 312 Millionen Euro auf 419 Millionen Euro und 2016 noch einmal auf 426 Millionen Euro zu erhöhen. Auch für den Ausbildungsverkehr wird jährlich eine Million Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, so dass die Ausgaben hier auf 59 Millionen Euro im Jahr 2016 steigen.Sachsen baut weiter ab
“Mit Wahlkampfgetöse wie auf der heutigen Pressekonferenz zum Verhandlungsstand des Regierungsentwurfs für den Doppelhaushalt 2015/2016 bringt man Sachsen nicht voran”, entgegnet hingegen Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Landtag. “Beispiele: Die Erhöhung der Kitapauschale deckt nicht mal die Hälfte der zwischenzeitlich erfolgten Kostensteigerung, von der nötigen Verbesserung des Kita-Personalschlüssels ganz zu schweigen; die Aufstockung der Zahl der Polizeianwärter bleibt hinter den altersbedingten Abgängen zurück. So wird weder der Polizei-Personalabbau gestoppt noch die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessert.”
Es reiche eben nicht, alle fünf Jahre kurz vor den Wahlen ein paar Reparaturen anzukündigen, sagt er: “So lassen sich die während der Wahlperiode aufgestauten Defizite insbesondere in den Bereichen Bildung und Sicherheit nicht beseitigen. Zu billig ist der Hinweis auf die Nicht-Neuverschuldung: Wir haben als Landtag ein Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung verankert, und man darf wohl als Minimum erwarten, dass sich die Staatsregierung verfassungskonform verhält. – Was fehlt: Wirkliche Impulse für verstärkten Technologietransfer aus den Hochschulen in die einheimische klein- und mittelständische Wirtschaft. Der Stolz über das schlichte ‘Weiter so’ ist unangebracht. Ohne eine Erhöhung der Schrittzahl und neue Ideen wird der chronische Rückstand bei Wirtschaftskraft, Einkommen und vielen Sozialstandards nicht aufzuholen sein. Wenn die Wählerinnen und Wähler das auch so sehen, wird bei den Haushaltsberatungen im Herbst eine andere Staatsregierung Gesprächspartner des Landtags sein und für ein ‘Update’ der Vorarbeit des Kabinetts Tillich sorgen.”
“Der vom Kabinett vorgelegte Entwurf für den Doppelhaushalt 2015/16 hat nur symbolischen Wert”, erklärt Martin Dulig, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. “Alle wissen, dass er weder von dieser Regierung noch von diesem Landtag beschlossen wird. Nach der Landtagswahl wird es im Herbst einen neuen Anlauf geben. Die finanzpolitischen Vorstellungen der schwarzgelben Regierung geben im übrigen keine Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen. Sie stehen weiter unter dem Motto ?Verwalten statt Gestalten?. Kein Wort findet die Regierung zum Personalabbau bei der Polizei, kein Wort zum Stellenabbau an den Hochschulen, kein Wort zu einer gestaltenden Arbeitsmarktpolitik – die Aufzählung könnte fortgesetzt werden. Zudem versucht die Regierung weiterhin, Mogelpackungen als Erfolge zu verkaufen. Jährlich 1.000 neue Lehrer reichen eben nicht aus, um unseren Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. In Wahrheit verbirgt sich hinter dieser Zahl ein weiterer Stellenabbau, weil mehr Pädagogen in den Ruhestand gehen als eingestellt werden sollen.”
“Der Versuch von CDU und FDP, alte Fehler vergessen zu machen, schlägt fehl. Die Mehrausgaben im Bildungsbereich reichen nicht aus. Da werden die Lücken der Vergangenheit aufgefüllt, Zukunft wird nicht gestaltet. Klima- und Energiepolitik bleiben weiterhin die Stiefkinder der Koalition”, stellt auch Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, fest. “Wir, Bündnis 90 / Die Grünen, wollen Sachsens Chancen für die Zukunft nutzen. Dies bedeutet deutlich mehr Geld für Kita, Schule und Hochschule. Das bedeutet, eine verantwortliche Klimaschutzpolitik und das Umsteuern hin zu mehr erneuerbaren Energien gehören endlich auf die Tagesordnung. Dieser Haushaltsentwurf wird nicht zum Gesetz werden. Und das ist auch gut so. Wir werden in den nächsten Monaten darüber streiten, welcher Weg der beste für Sachsen ist.”
Die Grünen-Kritik in Einzelpunkten
“Dass es offensichtlich bei der bereits vor Wochen verkündeten Erhöhung der Kitapauschale um 45 Millionen Euro ab 2015 bleibt, ist enttäuschend. Die überfällige Erhöhung der seit 2005 eingefrorenen Kita-Pauschale kompensiert noch nicht einmal die Erhöhung der Betriebskosten. Wenn wir eine bessere frühkindliche Bildung in Sachsen haben wollen, müssen wir endlich den Personalschlüssel verbessern. Ein Anheben des Betreuungsschlüssels auf 1:5 in den Krippen und 1:12 in den Kitas würde jährlich weitere knapp 90 Millionen Euro kosten”, erläutert Antje Hermenau. Angesichts der Sammelpetition mit rund 77.000 Unterschriften zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels muss die Staatsregierung endlich tätig werden.
Die Mittel für die Freien Schulen im Haushaltsentwurf 2015 müssen nach Einschätzung der Grünen um einen dreistelligen Millionenbetrag erhöht werden. “Die Freien Schulen haben ihre Zustimmung zur sogenannten ‘Übergangsregelung’ zur Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils davon abhängig gemacht, dass sie eine rückwirkende Erhöhung der verfassungswidrigen Kürzungen erhalten”, benennt Hermenau einen der wilden Sparversuche in der jetzigen Regierungsperiode. “Dies ist nur gerecht, da die Staatsregierung zu Lasten der Eltern und Träger über Jahre dreistellige Millionenbeträge eingespart hat”, fasst Antje Hermenau zusammen.
Energetische Gebäudesanierung: “Leider sind wieder einmal keine ausreichenden Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung angekündigt worden”, bedauert Antje Hermenau. “Das ist schlecht für alle sächsischen Bürger, denn ohne eine verbesserte Wärmedämmung und Anlagentechnik werden die Wohnungsbetriebskosten weiter steigen. Was Sachsen braucht, sind seriös finanzierte Förderprogramme zur Mobilisierung von privatwirtschaftlichem Investitionskapital. Davon würde auch das sächsische Handwerk profitieren”, ist sie überzeugt.
Der angekündigte Stellenaufbau ist ein Stellenabbau: “Nach den heutigen Ankündigungen gehen wir davon aus, dass die Regierung Tillich die Personalprobleme in der Landesverwaltung weiterhin ignoriert. Doch ohne ein solides Personalentwicklungskonzept ist die Staatsregierung von Doppelhaushalt zu Doppelhaushalt gewissermaßen im Blindflug unterwegs. Mit der Aufstockung der Polizeikräfte um 400 Stellen sind die Altersstrukturprobleme jedoch längst nicht gelöst. Auch der Personalmangel bei den Lehrern wird nicht dauerhaft entschärft, wenn der Ministerpräsident vor dem Schuljahresbeginn in schöner Regelmäßigkeit ein Machtwort spricht, um ein Kollabieren des Systems in letzter Minute zu verhindern”, kritisiert Antje Hermenau. “Wir brauchen ein Personalkonzept für die ganze Verwaltung, das aufzeigt, wo neue Einstellungskorridore geschaffen werden müssen, um Überalterung und drohender Arbeitsunfähigkeit zu begegnen.”
Falsche Prognosen von 2009 sind nicht eingetreten
29-Millionen-Zahlung aus dem Garantiefonds: Nächste Rate für das Sachsen-LB-Desaster
Wieder ist ein Quartal zu Ende …
“Professor Dagobert” bei der Arbeit: Sachsens Rücklagen und Sondervermögen vermehrten sich 2013 auf 7,7 Milliarden Euro
Wie reagiert eigentlich ein Finanzminister …
Kassensturz: Was kosten eigentlich Sachsens Pensionäre?
Natürlich könnte man solche Zahlen …
Stellenstreichungen gefährden jetzt schon die Funktionsfähigkeit des Freistaats: Grüne fordern Überprüfung der sächsischen Stellenabbaupläne
Der ganze Laden knirscht …
2009/2010 erschreckte Finanzminister Georg Unland (CDU) das Volk und die Abgeordneten mit wilden Spekulationen über einbrechende Steuereinnahmen. Um bis zu 2 Milliarden Euro sollte Sachsens Haushalt bis 2020 schrumpfen. Damit wurden im Doppelhaushalt 2011/2012 jeweils fast 1 Milliarde Euro im Jahr eingespart. Wohin sie verschwunden sind, benennt die Regierung nicht. Aber ein Großteil floss in diverse Fonds, in denen die Staatsregierung immer mehr Geld bunkert – das meiste im so genannten Generationenfonds. So ganz nebenbei wurden auch die Ausfallgelder für das Sachsen-LB-Desaster aus dem Haushalt abgezweigt und im Garantiefonds eingelagert, aus dem mittlerweile schon über eine Milliarde Euro ausbezahlt wurden.
Die Präsentation des Finanzminister zeigt in der Grafik “Ausgleich steigende Steuereinnahmen und Rückgang SoBEZ” sehr anschaulich, dass er damals mit völlig falschen Prognosewerten gearbeitet hat. Der Rückgang der Sonderzuweisungen ist durch den Anstieg der Steuereinnahmen vollkommen kompensiert worden. Doch indem Sachsen die frei geworden Gelder lieber in Fonds lagert als damit den Personalaufbau zu sichern, wird sich – sollte so weiter regiert wurden – in den nächsten fünf Jahren mit dramatischen Qualitätsverlusten in allen Bereichen rächen. Und der von Tillich und Unland gefeierte Zuwachs an Steuereinnahmen hat eben nicht nur damit zu tun, “dass die Wirtschaft brummt” (Tillich), sondern auch damit, dass die Bevölkerung kaum noch schrumpft, dafür Tausende neuer Arbeitsplätze entstanden sind und mehr Sachsen Einkommensteuer zahlen.
Die dürften sich ziemlich veräppelt vorkommen, wenn sie für ihre Steuern immer schlechtere Dienstleistungen vom Freistaat bekommen. Wäre der Freistaat ein privates Unternehmen, die Sachsen würden scharenweise den Anbieter wechseln.
Die Pressemitteilung der Staatsregierung: www.medienservice.sachsen.de/medien/news/193152
Eckwertebeschluss der Linksfraktion zum Doppelhaushalt Sachsen 2015/16: www.linksfraktionsachsen.de/media/archive3/Eckwertebeschluss_LINKE_Scheel.pdf
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