Justizminister Dr. Jürgen Martens (FDP) hat am Montag, 21. Juli, die Bilanz der Arbeit der sächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften des vergangenen Jahres vorgestellt. Dabei hat er auch das Thema Personal angesprochen, das im Justizdienst jetzt genauso akut wird wie schon bei Polizei, Schulen und Hochschulen. Aber was bedeuten 30 neue Richter und Staatsanwälte eigentlich?

An den sächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften waren zum Stichtag 1. Januar 2014 insgesamt 8.251 Bedienstete tätig, teilte Martens mit. Davon waren 1.001 Richter, 354 Staatsanwälte und 218 sonstige Mitarbeiter des höheren Dienstes. Im Bereich des gehobenen Dienstes waren 1.377 Rechtspfleger und andere Bedienstete sowie 219 Sozialarbeiter tätig. Die Anzahl der Mitarbeiter der Geschäftsstellen, Schreibkräfte und sonstigen Bediensteten im mittleren Dienst belief sich zum Stichtag auf 3.966. In den sächsischen Justizvollzugsanstalten waren zu Beginn des Jahres 1.670 Personen (ohne Sozialarbeiter) tätig. Die Anzahl der Wachtmeister und sonstigen Bediensteten des einfachen Dienstes betrug 428. Hinzu kommen 210 Gerichtsvollzieher und 476 Rechtsreferendare.

“Wir konnten bei den Verhandlungen erreichen, dass im Regierungsentwurf insgesamt 30 neue Richter und Staatsanwälte in den Haushaltsjahren 2015/2016 vorgesehen sind”, erklärte Martens. “Ich freue mich, dass es trotz der Begrenzung der Ausgaben gelungen ist, hiermit einen wichtigen Beitrag zum Abbau der unausgewogenen Altersstruktur in der Justiz zu leisten.”

Die Altersstruktur im höheren Justizdienst weist aufgrund der hohen Einstellungszahlen in der ersten Hälfte der 1990er Jahre ein erhebliches Ungleichgewicht auf. Allein zwischen 2026 und 2030 werden rund 1/3 aller Richter und Staatsanwälte des Freistaates Sachsen in den Ruhestand eintreten.

Auch zehn neue Wachtmeister sollen in den Jahren 2015 und 2016 den Wachtmeisterdienst verstärken. Martens: “Die neuen Wachtmeister sind notwendig, um den Sicherheitsstandard bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften, der seit 2009 erheblich gesteigert worden ist, mindestens auf dem erreichten Niveau zu halten.” Die Fachdienste des Justizvollzugs werden um fünf Psychologen, vier Sozialarbeiter und einen Ergotherapeuten aufgestockt.

Jürgen Martens: “So können wir sicherstellen, dass die in den sächsischen Justizvollzugsanstalten untergebrachten Sicherungsverwahrten, deren Zahl in den kommenden Monaten ansteigen wird, und die Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dauerhaft in einer Weise betreut werden können, welche den vom Bundesverfassungsgericht gestellten hohen Anforderungen genügt.”

Dabei hat sich der Arbeitsaufwand der sächsischen Justiz nicht verringert.

“Seit 2010 schwankt die Anzahl der in Sachsen verurteilten Personen nur geringfügig”, sagte Martens. “Gleichzeitig beobachten wir seit 2003 eine rückläufige Tendenz bei den Verurteilten nach Jugendstrafrecht. Die Anzahl ist in den letzten zehn Jahren um mehr als die Hälfte auf 2.449 Personen gesunken. Allein der Rückgang zum Vorjahr beträgt 21,5 Prozent.”

Die Anzahl der verurteilten Personen im Freistaat Sachsen belief sich im Jahr 2013 auf insgesamt 42.679. Das ist ein leichter Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In der langfristigen Entwicklung zeigt sich vor allem im Zeitraum von 2003 bis 2010 ein deutlicher Rückgang. Seither schwankt die Zahl geringfügig. Der Anteil von Frauen unter den Verurteilten lag im Jahr 2013 bei 20,8 Prozent. Mit 8.891 verurteilten Frauen bleibt die Gesamtzahl bei leichten Schwankungen nahezu konstant.

Aber dass ein gut Teil der Sachsen am Existenzminimum kratzt, zeigt sich auch in den Verurteiltenzahlen.

Die größte Anzahl an Personen wurde auch im Jahr 2013 wegen Vermögens- und Eigentumsdelikten verurteilt (insgesamt 22.301). Damit ist ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 % (2012: 21.783) zu verzeichnen. In dieser Deliktgruppe finden sich besonders viele Frauen. Ihr Anteil beträgt hier 26,5 %. 8.840 Personen wurden wegen Diebstahls und Unterschlagung und 501 wegen Raub und Erpressung verurteilt. Weitere 12.960 Verurteilungen entfallen auf andere Vermögens- und Eigentumsdelikte, dazu zählen bspw. Betrug, Untreue und Urkundenfälschung.

Aber was Martens als Neuanstellungen für die Jahre 2015 und 2016 anpreist, sei nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, findet Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag: “Auch im Bereich Justiz gilt: Die Staatsregierung versucht sich lediglich in kurzfristigen Reparaturen, ohne den langfristigen Problemstau abzuarbeiten. Beispiel Richter und Staatsanwälte: Mit 30 zusätzlichen Stellen im Doppelhaushalt 2015/2016 schafft man keinen ausreichenden Beitrag, um die auf dem Kopf stehende Alterspyramide wieder auf die Füße zu bekommen. Selbst der Staatsminister ging unlängst noch von der Notwendigkeit von 20 neuen Stellen jährlich aus.”

30 Stellen in zwei Haushaltsjahren aber sind eben nur 15 Stellen in einem. Tatsächlich verliert der Justizminister damit jedes Jahr fünf Richter bzw. Staatsanwälte.

“Beispiel Wachtmeister”, sagt Bartl: “Es ist zwar erfreulich, dass der Minister der Verantwortung für die Sicherheit in Gerichtsgebäuden mit der Einstellung von zehn zusätzlichen Wachtmeistern entsprechen will – Abhilfe für den Personalnotstand in den Justizvollzugsanstalten wurde nicht in Aussicht gestellt. Selbst eine aktuelle Statistik der Gefangenen-Personal-Relation fehlt. Beispiel Sicherheitsverwahrung: Die positive Nachricht von zehn neuen Fachkräften wird durch den Umstand relativiert, dass zusätzlich zu den derzeit 25 Sicherheitsverwahrten in Sachsen in den nächsten Jahren 20 hinzukommen werden.”

Und selbst die Bearbeitungszahlen machen sichtbar, dass die Arbeit an Sachsens Gerichten nicht geschafft wird.

“Seit 2012 fallen bei den Staatsanwaltschaften mehr neue Fälle an als abgearbeitet werden (2013: 218.540 / 216.831) – dies ist ein beredter Beleg für die ungenügende personelle Ausstattung bei den Ermittlungsbehörden. So signalisiert auch die Strafverfolgungsstatistik politischen Handlungsbedarf”, sagt Bartl. “Gerade angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen gebührt Richtern, Staatsanwälten, Justizwachtmeistern, Justizvollzugsbediensteten, Sozialarbeitern, Rechtspflegern, Justizsekretären, Geschäftsstellenmitarbeitern und Schreibkräften Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit – im Interesse der Allgemeinheit, aber auch der Resozialisierung straffällig gewordener Menschen.”

Und auch die Grünen haben sich mit den Zahlen ein bisschen eingehender beschäftigt.

Als “Beruhigungspillen ohne Wirkung” bezeichnet Eva Jähnigen, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, die Stellenzuwachs-Versprechen von Justizminister Dr. Jürgen Martens.

“Der bisherige Musterknabe in Sachen Stellenabbau verspricht am Ende der Wahlperiode, 30 zusätzliche Richter und Staatsanwälte in den Haushaltsjahren 2015/2016 einzustellen, zudem zehn neue Wachtmeister und zehn neue Fachkräfte im Bereich der Sicherungsverwahrung. Der Justizminister bestätigt heute damit seine bisherigen Versäumnisse in Sachen Personalentwicklungskonzept für die Justiz”, stellt Eva Jähnigen fest. “Der Stellenzuwachs wäre überfällig, um dem drohenden Altersabgang von gleichzeitig rund ein Drittel der Richter und Staatsanwälte im Freistaat endlich entgegenzuwirken. Doch über die Einbringung des Haushaltsplans in den Landtag entscheidet erst die neue Staatsregierung. Über den neuen Haushaltsplan entscheidet Ende des Jahres der am 30. August 2014 neu gewählte Landtag.”

Und sie erwähnt noch etwas, was Martens vorsichtshalber wegließ: “Noch im Regierungsentwurf für den Doppelhaushalt 2011/2012 verantwortete Minister Martens das Stellenabbauziel von 1.102 zusätzlichen Stellen in der Justiz. Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen auf Berücksichtigung der Altersstruktur wurde damals abgelehnt.”

Womit sich denn auch das Justizministerium still und heimlich von den von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) 2009 verkündeten Zielen eines Stellenabbaus von 86.000 Landesbediensteten auf 70.000 verabschiedet hat. In keinem einzigen Ressort ist diese Vorgabe auch nur ernsthaft angepackt worden. Selbst im Hochschulbereich, wo Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer die Streichung von 1.042 Stellen einfach per Dekret verordnet hat, warten die betroffenen Hochschulen sehnsüchtig auf die Wahl im August und eine dann hoffentlich realistischere Regierung in Sachsen.

Denn schon das derzeit praktizierte restriktive Personalsystem in Sachsen führt dazu, dass viele Einrichtungen kaum noch arbeitsfähig sind – von der Polizei über die Schulen bis hin zur Justiz, wo dann wichtige Verfahren einfach liegen bleiben oder aufgeschoben werden.

Das von Jürgen Martens zusätzlich ausgereichte Zahlenpapier zu 2013 als PDF zum download.

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