Was kommt dabei heraus, wenn sich Innenminister der Ordnungsparteien CDU und CSU in Dresden treffen und so unter sich Lösungen suchen für den "Kampf" gegen die "Teufelsdroge Crystal", wie es die LVZ am Samstag, 5. Juli, betitelte? Die Wortwahl sagt schon alles. Die Herren mit den grimmigen Mienen haben zur Kriminalität ein fast heiliges Verhältnis. Alles, was sie "bekämpfen" wollen, ist des Teufels. Aber kämpfen müssen sie.
Erst am 6. Mai hatte das Sächsische Innenministerium erklärt, wo die sächsischen Schwerpunkte beim “Kampf gegen Crystal” liegen: “Das Innenministerium arbeitet in seinem Bereich vor allem mit repressiven Mitteln, um den Konsum der Droge Crystal in Sachsen deutlich zu verringern. Seit 2012 gibt es die Bekämpfungskonzeption Crystal, die mit verstärkten Kontrollen die Aufdeckung der Labore und Quellen erreichen will, die für die Herstellung von Crystal benötigt werden.”
Innenminister Markus Ulbig: “Bei Crystal geht es auch darum, den Verfolgungsdruck auf Produzenten und Dealer hoch zu halten. Nur gemeinsam und abgestimmt mit unseren tschechischen und polnischen Nachbarn können wir Erfolge gegen das Teufelszeug erreichen”.
Mit diesem Denken ist er nicht allein. Da helfen keine Erfahrungen aus nunmehr bald 100 Jahren Kampf gegen Drogen. Konservative Politiker glauben felsenfest daran, sie könnten Dealer-Netze zerstören, mit drakonischen Strafen die Sucht bekämpfen und mit polizeilicher Repression der Sache ein Ende setzen. Als Leipzigs Polizeipräsident Horst Wawrzynski kurz mal in die Politik ging, argumentierte er ja genauso.
Im Mai legte Markus Ulbig mit großem medialen Täterätä seinen “10-Punkte-Plan gegen Crystal” vor, der ja wieder nichts ist als ein Sammelsurium ohne Biss. “Wichtig ist, dass Akteure und Träger vor Ort Prävention und Aufklärung als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen”, sagte Ulbig. Und sagte damit alles. Prävention, Beratung und Behandlung bleiben weiterhin kommunale Aufgaben, Repression bleibt Aufgabe der Polizei. Wie bei allen anderen “Teufelsdrogen” auch. Denn zumindest eins hat die Leipziger Diskussion von 2012 gezeigt: Repression allein bewirkt gar nichts – außer noch mehr Druck auf Dealer und Süchtige und steigende Marktpreise, wenn wieder mal mehrere Kilogramm außer Verkehr gezogen wurden.
Verständlich, dass konservative Politiker, die allein in Repression das Allheilmittel sehen, jetzt ratlos sind und quasi den Bund um Hilfe anrufen.
“Nach dem Drogen-Skandal des mittlerweile seine Ämter ruhen lassenden SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann schlagen die Bundesländer Alarm”, schreibt die LVZ. “Der Grund: Sie fühlen sich im Kampf gegen die Teufelsdroge Crystal vom Bund nicht ausreichend unterstützt. Sachsens Gesundheitsministerin Christine Clauß (CDU) kündigte deshalb gegenüber der Leipziger Volkszeitung für kommenden Freitag im Bundesrat einen entsprechenden Entschließungsantrag der Länder an.”Um große Worte ist sie längst nicht mehr verlegen, die LVZ. Der Vorwurf des Crystal-Besitzes gegen den SPD-Politiker ist bis jetzt noch immer kein Skandal, sondern bestenfalls eine Affäre.
Ein Skandal aber ist die Ratlosigkeit der konservativen Innenminister, die mit ihrem alten Denken einfach nicht weiterkommen. Alle Repression gegen die Crystal-Verteiler hat nichts gebracht. Im Gegenteil: Die Szene ist einfach ausgewichen, hat über Nacht neue Verteilerwege aufgemacht. Das Zeug selbst ist ja schweinebillig. Da macht der Verlust eines Kuriers nicht viel aus. Noch viel weniger als bei teureren Drogen wie Heroin oder Kokain.
Aber so ganz kommen die Innenminister mit dem C nicht aus ihrer alten Kämpfer-Denkweise heraus: “Gefordert wird eine bundesweite Aufklärungskampagne, aber in erster Linie auch ein deutlich erhöhter Fahndungsdruck auf die Beschaffungs- und Dealerszene. Zudem wird die bisher fehlende, verlässliche nationale und internationale Datenbasis beklagt”, schreibt die LVZ. Und bekam noch am Samstag postwendend Unterstützung von “Spiegel Online”, wo man das Thema genauso blauäugig betrachtet.
Dabei hatte just eine CDU-Politikerin aus Leipzig darauf aufmerksam gemacht, dass das Problem nicht in den tschechischen Crystal-Küchen und bei der überforderten Polizei liegt. Die LVZ hat Sachsens Sozialministerin Christine Clauß direkt zitiert: Die aktuellen Fälle zeigten, “dass Crystal eine Droge sei, die sich durch die gesamte Gesellschaft ziehe. ‘Das macht auch deutlich, dass diese Droge eben keine Randerscheinung in Grenzregionen ist, sondern bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist’, begründete die Ministerin ihren Hilfsappell an die Adresse des Bundes. ‘Es geht um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir nur gesamtgesellschaftlich bekämpfen und lösen können.’ Der Großteil der Crystal-Produktion wird über die deutsch-tschechische Grenze eingeführt. Es sei zu erwarten, dass die Entwicklung nicht an den Grenzregionen zu den osteuropäischen Nachbarstaaten haltmachen werde, warnen die Ländergesundheitsminister.”
Natürlich nicht. Warum sollte sie? Christine Clauß hat das Problem doch sehr genau benannt: Es ist das Suchtproblem der Mitte der Gesellschaft. Crystal taucht gerade da verstärkt auf, wo sich die Leistungsträger der Gesellschaft früher einfach mit diversen Pillen aufgeputscht haben. Durfte ruhig auch Amphetamin drin sein. Hauptsache, es putschte auf. Crystal wirkt noch stärker und noch schneller. Und verspricht deswegen natürlich eine noch schnellere Höchstleistung in einer auf Hochleistung getrimmten Gesellschaft.
Aber statt an der Wurzel des Problems anzupacken, fällt auch Christine Clauß nur ein, den Bund zu einem entschlossenen Handeln aufzufordern, “im repressiven Bereich durch polizeiliche und justizielle Maßnahmen, um die illegalen Herstellungs- und Vertriebsstrukturen zu zerschlagen”.
Da ist er wieder, der Traum vom “Zerschlagen”, obwohl das Problem des Bedarfs noch nicht einmal beleuchtet wurde.
Es soll ja Bürger geben, die beeindruckt das, wenn immerzu nach entschlossenem Handeln gerufen wird, auch wenn die polizeilichen Mittel dazu nicht da sind. Und Sachsen hat durch seine gnadenlose “Polizeireform 2020” ja auch geschafft, den Mangel an verfügbaren Polizeikräften weiter zu verschärfen. Und statt selbst aufzustocken, stimmt es in den Chor der CDU-Innenminister mit ein, die jetzt nach Hilfe rufen. Die haben nun in ihrem Antrag “die Bundesregierung konkret aufgefordert, ‘die polizeilichen Kräfte mit den Ländern zu bündeln und die Kontrolltätigkeit der Bundespolizei und des Zolls zur Verstärkung der Bekämpfung der mit dem Crystalhandel und -konsum einhergehenden Betäubungsmittelkriminalität über ihr bisheriges Engagement hinaus zu intensivieren.'” So zitiert es die LVZ.
Crystal-Prävention in Sachsen: Dem 10-Punkte-Plan des Innenministers fehlen die Zähne
Je länger man das Plakat …
Grüne kritisieren Sachsens Crystal-Präventionsstrategie: Mehr als ein Jahr Zeit verloren
Politik mahlt zuweilen unendlich langsam …
Die Polizeibeamten arbeiten am Anschlag …
Auch eine “solide Datenbasis” zur Ausbreitung des Crystal-Konsums in der Gesellschaft solle erstellt werden. Die wird zwar die Frage nicht klären, warum immer mehr Menschen glauben, mit dieser zerstörerischen Droge loslegen zu müssen – das bräuchte ganz andere Erhebungen. Aber es könnte sich, wenn die Datenbasis ehrlich erstellt wird, auch als große Luftnummer erweisen. Denn es reden zwar viele Leute von der “Teufelsdroge” – aber belastbare Daten zum Missbrauch in der Bevölkerung gibt es nicht. Auch nicht dazu, welche anderen “Teufelsdrogen” Crystal tatsächlich ersetzt hat und ob überhaupt neue Bevölkerungsschichten davon erfasst werden. Denn zum Drogenmissbrauch gehört immer auch der, der zugreift – aus Hilflosigkeit, aus Blödheit, aus Gewohnheit, aus Gier nach einem Ersatz, den er sonst im Leben nicht findet … Motive gibt es viele. Der Mensch ist ein verführbares Tier.
Oft wirken solche Kraftmeiereien von Innenministern wie eine Leugnung der Wirklichkeit. Durchexerziert nach dem immer gleichen Muster bei Ectasy (“Teufelsdroge”), LSD (“Teufelsdroge”) … Und damit die Wirklichkeit wieder in Ordnung kommt, brauche es Repression. Das hat noch nie funktioniert und am Ende immer nur mafiöse Organisationen schweinereich gemacht. Das Problem muss anders angepackt werden.
Und eines geht gar nicht: Nach mehr Repression rufen und gleichzeitig die Polizei schrumpfen. Das ist, um es einmal sanft zu formulieren, sehr unverständig.
“Spiegel Online” singt das gleiche Lied wie die LVZ: www.spiegel.de/politik/deutschland/crystal-meth-bundeslaender-bitten-bund-um-hilfe-im-kampf-gegen-droge-a-979390.html
Der 10-Punkte-Plan als PDF zum Download.
Keine Kommentare bisher