Am 27. Mai entschied der Bund, dass er ab 1. Januar die Finanzierung des BAföG in Deutschland komplett übernimmt und die Länder dabei finanziell entlastet. Die 35 Prozent, die die Länder bisher beisteuerten, hätte also auch in Sachsen 1:1 einfach in die Hochschulfinanzierung gesteckt werden können. Aber so tickt Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) nicht. Stattdessen legt er einen weiteren Fonds auf, damit ja niemand das schöne Geld verplempert.
Zur Finanzierung der 1.042 Dozentenstellen etwa, die die Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer angewiesen hat zu streichen. Gar nicht mal, um die Hochschulen finanziell zu entlasten. Denn während die Betroffenen noch streiken und protestieren, wird die Grundfinanzierung der Hochschulen schon in aller Stille abgesenkt. Das nennt man Freiheit in Sachsen. Hochschulfreiheit.
Und der angekündigte “Zukunftsfonds” für die Hochschulen ist auch eher ein neuer Schattenhaushalt als eine Sicherung des Hochschulbetriebes.
“Der von Wissenschaftsministerin von Schorlemer angekündigte sogenannte Zukunftsfonds löst das Problem unserer Hochschulen und Universitäten nicht”, erklärt Holger Mann, Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag für Hochschule und Wissenschaft, zu den Plänen der Staatsregierung. “Statt sich um eine verlässliche Finanzierung und eine vernünftige Stellenausstattung zu kümmern, wird mit diesem Fonds das nächste Drittmittelprogramm aus der Tasche geholt. Damit wird die Chance verpasst, die finanziellen Spielräume für den längst überfälligen Stopp des Stellenabbaus an den Hochschulen zu nutzen.”
Die freiwerdenden Bafög-Gelder würden ausreichen, um die bis 2020 geplanten Kürzungen von 1.042 Stellen rückgängig zu machen, so Mann. “Das wäre dann in der Tat ein Zeichen für die Zukunft.”
Aber nicht mal die komplette Summe aus der BAföG-Einsparung wandert in den Fonds. Mann äußerte den Verdacht, dass der Fonds schon gekürzt worden sei, bevor er überhaupt eingerichtet wurde. “Nach unseren Berechnungen, die auf den Haushaltszahlen von 2014 beruhen, dürfte der Hochschulbereich um mindestens 63 Millionen Euro entlastet werden. Die Regierung hingegen agiert mit der Zahl 56,6 Millionen Euro. Wo ist der Rest abgeblieben?”
Mann kritisierte zugleich, dass der Fonds offenkundig am Parlament vorbei verwaltet werden soll und sieht deshalb Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens. “Schön, dass sich die Regierung jetzt selbst einen Haushalt bastelt.”
So ein bisschen weiß man schon bei der CDU-Fraktion, wo der Rest hinwandert. Man hat ja noch ganz andere Löcher, die man stopfen muss, stellen Geert Mackenroth, hochschulpolitischer Sprecher, und Lothar Bienst, schulpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion fest. Die Entlastung für Sachsen beträgt nach ihrer Rechnung sogar rund 85 Millionen Euro.
Zwei Drittel der Mittel sollen nach Angaben des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in den erwähnten “Zusatzfonds für Hochschulen” gesteckt werden. Aber das Geld steht nicht für Personalstellen zur Verfügung, dafür wird die Staatsregierung schon sorgen: Die rund 56,6 Millionen Euro sind vor allem für die Nachwuchsförderungen, die Erstausstattung, Großgeräte und den Hochschulbau gedacht, also alles Bereiche, die mit dem eigentlichen Hochschulbetrieb möglichst nichts zu tun haben.
“Damit ist sichergestellt, dass die zusätzlichen Gelder auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden”, meint Mackenroth, der auch mal Justizminister in Sachsen war. Und er äußert genau das Misstrauen, das auch Finanzminister und Wissenschaftsministerin umtreibt: Die Hochschulen könnten gar selbst bestimmen wollen, was sie mit dem Geld tun. “Das Verfahren vermeidet ein Versickern der Mittel im allgemeinen Haushalt, erleichtert den Nachweis der Mittelverwendung gegenüber dem Bund und gibt die nötigen Spielräume, flexibel auf Finanzbedarf zu reagieren und damit unsere Hochschulen zukunftsfähig zu halten”, sagt Mackenroth.
Und das restliche Drittel will man dann zur Haushaltsentlastung in der Bildung benutzen. Lothar Bienst: “Vor allem im Bereich der frühkindlichen, aber auch der Erwachsenenbildung könnten die zusätzlichen Mittel wertvolle Impulse geben.”
Und was sagen nun die Studierenden dazu? Freuen sie sich wenigstens über die angekündigten Weihnachtsgeschenke?
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“Die Einrichtung eines sogenannten ‘Zusatzfond Hochschulen’ für die eigenverantwortliche Mittelverwendung seitens des SMWK sieht die KSS nur als ersten Schritt, die freigewordenen Mittel direkt den Hochschulstandorten zukommen zu lassen”, sagt Adelheid Noack, Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS), dazu. “Jedoch ist die Zusage, dass die 56,6 Millionen Euro hauptsächlich in die Infrastruktur der Hochschulstandorte fließen werden, für die KSS nicht befriedigend. Wie sich anhand der aktuellen Hochschulfinanzstatistik zeigt, ist zwar die staatliche Hochschulfinanzierung in Sachsen gestiegen, allerdings nur durch die erhöhte Einwerbung von Drittmitteln und Verwaltungskosten, die Grundmittel dagegen sind rückläufig. Hier wäre es nach Meinung der KSS klüger gewesen, mit den freigewordenen BAföG-Mitteln den Bereich der Grundfinanzierung aufzustocken und den Stellenrückbau zu stoppen, die zugesicherten 15 Millionen Euro für die Nachwuchsförderung sind unzureichend.”
“Diese Ankündigung darf nur ein erster Schritt sein. Allein, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen nicht aufgestockt wird, macht überdeutlich, wie groß die Lücken in der Hochschulfinanzierung bleiben”, merkt auch Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, an. “Dass die 57 Millionen Euro – ohne Zugriffsmöglichkeiten des Finanzministers – an die Hochschulen gehen, ist auch den Protesten der Studierendenschaft und des Mittelbaus zu danken.”
Natürlich muss der Finanzminister nicht mehr zugreifen, wenn die Mittel zweckgebunden sind. Er hat quasi schon stellvertretend für den Landtag entschieden.
Kritik übt Gerstenberg daran, dass die Studentenwerke offenbar nicht von der Mittelanhebung profitieren werden. “Die sächsischen Studentenwerke sind chronisch unterfinanziert. Sie brauchen eine spürbare Mittelanhebung, um die wichtigen sozialen Rahmenbedingungen für ein Studium schaffen zu können. Die Kostenübernahme darf nicht das Ende der Diskussion um das BAföG sein. Vier Jahre nach der letzten BaföG-Erhöhung muss die Ausbildungsförderung gründlich novelliert werden, um die sozialen Ungerechtigkeiten beim Hochschulzugang abzubauen. Neben einer deutlichen Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge muss das BAföG selbst an die Erfordernisse der Zeit angepasst werden. Dies schließt beispielsweise eine Aufhebung der Altersgrenze und eine Fördermöglichkeit für Studierende, die ihr Studium in Teilzeit absolvieren, ein. Auf diese Änderungen weiter warten zu müssen, ist eine Zumutung für all jene, die heute auf die BAföG-Unterstützung angewiesen sind. Insgesamt bleiben bei der gemeinsamen Finanzierung von Bildung durch Bund und Länder viele Fragen offen.”
Und während die Wissenschaftsministerin in Dresden verkündete, für was sie den Geldsegen einzusetzen gedenkt (oder einsetzen darf), gab’s aus dem Statistischen Bundesamt die Zahlen zur Hochschulfinanzierung der Länder. In Sachsen ist zwar die Summe für die Hochschulen gestiegen. Aber das liegt nur an einem Faktor, der nichts mit der Finanzierung des Lehrbetriebs zu tun hat. Die Grundfinanzierung der Hochschulen hat sich seit 2007 nicht erhöht. Sie schwankt um die 1,05 Milliarden Euro. Dafür haben sich die von den Hochschulen eingeworbenen Drittmittel von 246 auf 479 Millionen Euro fast verdoppelt. Mit Drittmitteln werden in der Regel zeitlich begrenzte Forschungsprojekte und Förderprogramme finanziert.
“Die heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen erneut, dass Sachsen seine Hochschulen nicht solide finanziert”, sagt Holger Mann dazu. “Die Ausgaben sind zwar insgesamt gestiegen, aber nur durch gewachsene Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen. Bei den Grundmitteln, also der originären staatlichen Finanzierung, ist ein Rückgang zu verzeichnen. Damit ist Sachsen das einzige deutsche Bundesland, in dem die Grundfinanzierung seit 2009 gesunken ist. – An diesem Punkt müssen wir ansetzen: Sachsens Hochschulen werden nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn die Grundmittelausgaben steigen. Lehre und Forschung werden sonst noch stärker von Projektfinanzierungen abhängen – das ist ein ungesunder Trend. So gestaltet man nicht die Zukunft unseres Landes!”
Er appelliert an die beiden Verantwortlichen: “Die den Hochschulen zugewiesenen dauerhaften Aufgaben müssen auch mit haushaltsfinanzierten Stellen erledigt werden können. Wie Finanzminister Unland und Wissenschaftsministerin von Schorlemer aufzeigen, ist Geld im Freistaat für die Wissenschaft vorhanden – es muss jetzt aber gezielt zur Verbesserung der Grundfinanzierung sowie zur Rücknahme des Stellenabbaus eingesetzt werden.”
Ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion wird in der kommenden Woche im Landtagsplenum behandelt.
Hochschulfinanzierung in Deutschland:
www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/BildungKulturFinanzen/FinanzenHochschulen2110450127004.pdf?__blob=publicationFile
Antrag der SPD-Fraktion:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14600&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=201
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