"Sachsen hat auch 2013 seine unverantwortliche Investitionspolitik beim Straßenbau fortgesetzt", stellt Stephan Kühn, sächsischer Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion, fest. Er hat sich mal wieder mit Zahlen beschäftigt, die den Straßenbau in Sachsen betreffen. Und Sachsen baut weiter - wie kein anderes Bundesland - mehr neue Straßen. Auch mit zweckentfremdeten Geldern.

Stephan Kühn: “Weiterhin zweckentfremdet Herr Morlok die knappen Bundesmittel für den Erhalt des Straßennetzes, in dem er damit neue Straßen baut. Wie kein anderes Land hat der Freistaat im vergangenen Jahr Mittel, die der Bund für die Pflege und den Erhalt des Bestandsnetzes vorgesehen hatte, in Neubauprojekte gesteckt.”

Mit nachhaltiger Verkehrspolitik hat das nichts mehr zu tun. Denn die Politik des Sächsischen Verkehrsministers Sven Morlok (FDP) gehe zu Lasten des Straßenzustands, so Kühn.

“Um zweifelhafte Vorhaben um jeden Preis voranzutreiben, wird weiterhin der Substanzverzehr im bestehenden Netz billigend in Kauf genommen. 22 Prozent der für den Erhalt der sächsischen Bundesstraßen notwendigen Mittel wurden im letzten Jahr in den Neubau abgezweigt”, stellt er fest. “Doch jedem muss klar sein: Wenn wir nicht kontinuierlich in den Erhalt unserer Verkehrsinfrastruktur investieren, dann haben wir es bald mit Schlaglochpisten und bröckelnden Brücken zu tun.”

Bei den Bundesstraßen hätte Sachsen 2013 eigentlich 8,4 Millionen Euro für Neubau zur Verfügung gestanden. Die Straßenbauverwaltung steckte aber mit 31 Millionen Euro fast das Vierfache in den Neubau. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Bau von Autobahnen: 11,2 Millionen Euro gab der Verfügungsrahmen des Bundeshaushalts vor, doch Sachsen überzog auch hier und verbaute 16,9 Millionen Euro. Genau umgekehrt die Lage bei der Erhaltung: Statt wie vorgegeben 62,1 Millionen Euro flossen nur 48,3 Millionen Euro in den Substanzerhalt der Bundesstraßen in Sachsen.
“Sachsen finanziert damit Neubauprojekte zu Lasten des Erhalts. Morlok muss diese zukunftsvergessene Investitionspolitik umgehend beenden. Es droht eine Abwärtsspirale beim Erhalt des Straßennetzes, die jeder Autofahrer jetzt schon bemerkt”, stellt Stephan Kühn fest. “Wir werden uns im Bundestag auch bei den diesjährigen Haushaltsberatungen dafür stark machen, dass die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Haushaltstitel ‘Neubau’ und ‘Erhalt’ unverzüglich aufgehoben wird, damit der Verschiebebahnhof, den Länder wie Sachsen auf Kosten des Substanzerhalts und zur Inszenierung weiterer Spatenstiche hier betreiben, so schnell wie möglich geschlossen wird.”

Zudem seien einige Straßenbauprojekte in Sachsen in den letzten Jahren kostenmäßig aus dem Ruder gelaufen. Allein bei den zwischen 2009 und 2013 fertiggestellten und in Bau gegangenen Vorhaben kam es in fünf Fällen zu Kostensteigerungen über 15 Prozent. Insgesamt betragen die Kostensteigerungen bei den besagten Vorhaben rund 70 Millionen Euro.

Bei dem fertiggestellten Abschnitt der Autobahn 72 zwischen Frohburg und Borna-Süd ergaben sich Kostensteigerungen von 23,1 Millionen Euro, was einer Steigerung von 35 Prozent entspricht. Bei dem im Bau befindlichen Abschnitt zwischen Borna und Rötha belaufen sich die Baukostensteigerungen seit Einstellung in den Straßenbauplan auf mittlerweile 24,1 Millionen Euro (38 Prozent).

“Spitzenreiter” unter den Vorhaben war die Ortsumgehung Großenhain, bei der die Baukostensteigerung am Ende bei 48 Prozent lag.

“Einen Hinweis auf die Gründe der regelmäßigen Kostensteigerungen bei Straßenbauprojekten gibt der Mitte April veröffentlichte Bericht des Bundesrechnungshofs ‘über das Kostenmanagement im Bundesfernstraßenbau’. Die obersten Rechnungsprüfer des Bundes kritisieren, dass die Straßenbauverwaltungen Baukosten oft nur überschlägig nach pauschalen Kilometersätzen schätzen und dabei örtliche Gegebenheiten wie spezifische Baugrundverhältnisse außer Acht lassen würden”, benennt Kühn einen der Gründe für das Überschreiten der Planungsansätze. “Kostensteigerungen im Bundesfernstraßenbau resultieren strukturell aus dem Auseinanderfallen von Finanzierungsverantwortung durch den Bund sowie Planungs- und Ausführungsverantwortung durch die Länder. Dem Bund fehlen in der Regel wesentliche Informationen für ein wirksames Kostenmanagement. Außerdem nimmt er Durchgriffsrechte unzureichend wahr, so dass eine wirksame Kostenkontrolle unterbleibt. Die Länder hingegen haben strukturell weniger Interesse an zuverlässigen Kostenprognosen und setzen Kostenrahmen bei Projekten oft zu niedrig an. Hinzukommen unnötig überdimensionierte Planungen.”

Damit kann man in Sachsen zwar immer noch Lorbeeren ernten. Doch die neuen Straßen belasten langfristig die Etats des Freistaates, der sie instand halten muss. Das Geld fehlt dann für andere Verkehrsprojekte. Stephan Kühn: “Minister Morlok muss die sächsische Straßenbauverwaltung so aufstellen, dass Kostenermittlungen künftig mit der notwendigen fachlichen Tiefe und Qualität erfolgen können, so dass spätere Kostensteigerungen weitgehend ausgeschlossen sind.”

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