Für Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) ist die Sache ganz einfach: "Die meisten Fahrzeuge sind heute schadstoffarm. Warum also die vielen kennzeichnen, die die Norm erfüllen? Viel besser und gerechter wäre es doch, die wenigen zu kennzeichnen, die die Schadstoffnorm nicht erfüllen!"

“Mit dieser Regelung würden allein die Fahrzeughalter in Sachsen jährlich um rund eine halbe Million Euro entlastet – außerdem würden sie Aufwand und Zeit sparen, und es wäre ein weiteres Stück Bürokratieabbau”, sagt er und will auf der Verkehrsministerkonferenz (VMK) in Leipzig am 2. und 3. April für eine Reform der Kennzeichnung von schadstoffarmen Fahrzeugen in diesem Sinne werben. Künftig soll es aus seiner Sicht nur noch eine Plaketten-Pflicht für Fahrzeuge geben, die die Schadstoffnormen nicht erfüllen. Für alle Fahrzeuge, die bisher eine grüne Plakette bekommen, würde die Kennzeichnungspflicht entfallen. Außerdem sollen die Plaketten künftig nicht mehr an der Windschutzscheibe geklebt werden, sondern am KFZ-Kennzeichen angebracht werden, wo früher die ASU-Plakette angebracht war.

Ein Vorschlag, der am Donnerstag schon einige Medien in fiebrige Aufregung versetzte. Aber bei den Verkehrsministern der anderen Bundesländer wir auch dieser Vorschlag aus Sachsen wohl eher auf ein müdes Lächeln stoßen. Aber weniger Bürokratie würde es dadurch sowieso nicht geben, stellt Eva Jähnigen, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, fest: “Der Vorschlag von Wirtschaftsminister Morlok, die Umweltplaketten abzuschaffen, um den Besitzern abgasarmer Autos, die Kosten für den Erwerb grüner Plaketten zu ersparen, klingt zunächst verlockend. Doch Sven Morlok verschweigt, wie er dafür sorgen will, dass die Besitzer schadstoffrelevanter Autos, die von ihm vorgeschlagene neue ‘Schädlichkeitsplakette’ befestigen. – “Der selbst ernannte Entbürokratisierer Morlok wird dies irgendwie kontrollieren müssen. Sein Vorschlag ist rein populistisch motiviert. Kein Wunder, dass die übrigen 15 Verkehrsminister seinen Vorschlag einstimmig abgelehnten.”

Momentan muss jeder Autobesitzer, der ohne grüne Plakette in Umweltzonen erwischt wird, zahlen. Das trifft leider auch die Besitzer schadstoffärmerer Autos, die versäumt haben, sich eine grüne Plakette zu besorgen, bedauert Jähnigen. Aber die aktuelle Regelung übt eben auch Druck auf Besitzer alter und umweltschädlicherer Autos aus, Umweltzonen zu meiden oder ihre Autos umzurüsten.

Oft wird kritisiert, die Umweltzonen hätten auch gar keinen Effekt, die Feinstaubbelastung würde dadurch nicht gesenkt. Doch auch die Leipziger Umweltzone zeigt, das gerade die gesundheitlich schädlichen Partikel dadurch rückläufig sind.

Wie das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und das Sächsische Landesamt für Umwelt mitteilten, ist die Rußbelastung in der Leipziger Innenstadt seit Einführung der grünen Zone um etwa ein Drittel zurückgegangen. Auch in anderen Stadtteilen ließe sich ein abnehmender Trend bei der Belastung mit Rußpartikeln erkennen. Das Institut in aller Deutlichkeit: “In Leipzig konnte seit 2011 eine signifikante Abnahme der Rußmassenkonzentration festgestellt werden, z. B. um ein Drittel an der Messstelle Leipzig-Mitte.”

Es geht um diese Verbrennungsrückstände, die nur ein Teil der Feinstaubbelastung sind – aber eben der Teil, der ursächlich für die meisten Erkrankungen dabei ist.

Seit 1996, dem Jahr des Inkrafttretens der EU-Richtlinie zur Luftqualität, ist klar, dass die betroffenen Kommunen handeln müssen, um den Gesundheitsschutz der Bewohner – insbesondere auch der Kinder – zu verbessern. Feinstaub und Stickoxide sind in Deutschland Ursache für rund 70.000 Todesfälle und eine zunehmende Anzahl von Atemwegserkrankungen. Gerade die feinen und ultrafeinen Luftschadstoffe wie Staubpartikel unter 2,5 Mikrometer sind besonders gesundheitsschädlich. In den Städten München, Leipzig, Dortmund, Cottbus, Bremen, Berlin und vielen anderen sind in den letzten Jahren Überschreitungen der Feinstaubrichtlinien gemessen worden. Zur Eindämmung der Feinstaubbelastung hat man sich aufgrund dessen zu der Einführung einer Umweltzone geeinigt. Nicht nur Feinstaub ist für gesundheitliche Schäden verantwortlich, sondern auch Belastungen durch Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Benzol, Ozon usw.

“Echte Entbürokratisierung wäre, Umweltzonen – und damit Plaketten – überflüssig zu machen”, meint Jähnigen. “Dazu ist eine konsequente Politik für weniger Feinstaub und Stickoxide und für mehr Stadtgrün und das Umsteigen auf den ÖPNV und Rad erforderlich. Wer wie CDU und FDP den kommunalen Baumschutz ausgehebelt und die Zuschüsse für den ÖPNV kürzt, macht die Ausweisung von Umweltzonen leider alternativlos.”

Forschungsbericht zur Wirksamkeit der Leipziger Umweltzone:
www.tropos.de/forschung/atmosphaerische-aerosole/langzeit-prozess-und-trendanalysen/langzeitstudien-regionaler-bedeutung-und-luftqualitaet/umweltzone-leipzig/

Die Pressemiteilung des Wirtschaftsministeriums:
www.medienservice.sachsen.de/medien/news/191069

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