Dass Bund, Land und Kommunen in der NSA-Affäre so kläglich dastehen, hat natürlich auch damit zu tun, dass in deutschen Behörden die Daten der Bürger nicht wirklich besser geschützt sind. Das simpelste Beispiel ist der Handel mit Meldedaten, der partout kein Handel sein soll. Aber trotzdem einer ist, auch wenn es das Leipziger Ordnungsdezernat ganz anders sieht.

Geradezu unwirsch reagierte das Dezernat auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion zum Umgang mit den Meldedaten der Leipziger: “Dieser Erteilung liegt eine gesetzlich festgelegte Gebühr nach § 6 Sächsisches Verwaltungskostengesetz i. V. m. dem jeweils gültigen Sächsischen Kostenverzeichnis zugrunde. Dies entspricht in keinster Weise den Gepflogenheiten eines Verkaufes, bei dem anhand von Angebot und Nachfrage ein marktangemessener Preis erzielt wird. Gebühren unterliegen dem Kostendeckungsgebot.”

Nennt man so etwas eine faule Ausrede? Oder sind Behörden für das, was sie da tun, mittlerweile betriebsblind? Denn wenn die Daten der Bürger von Unternehmen abgefragt werden, ist das der Erwerb einer Ware, mit der dann anschließend fleißig Geschäfte gemacht werden. Ein Erwerb, den der Freistaat sogar noch verbilligt hat. 2013 hat die Landesregierung eine geringere Gebühr von 3,50 Euro für das automatisierte Abrufverfahren beim Landesmelderegister des Freistaates Sachsen gegenüber der Gebühr, die die Meldebehörden für elektronische Auskünfte nehmen müssen, eingeführt. Das kostet, wenn man denn schon von Kostendeckung spricht, die Stadt Leipzig richtig Geld. Die Gebühreneinnahmen der Stadt sind von 455.893 auf 267.882 Euro zurückgegangen.

Und ein Formular “Antrag auf Einrichtung einer Übermittlungs-/Auskunftssperre” muss man auf der Website der Stadt Leipzig suchen. Man findet es. Aber so wirklich wichtig nimmt auch Leipzig den Schutz der Daten seiner Einwohner nicht.

Auf Landesebene herrscht ein noch fahrlässigerer Geist. Da ist man nicht wirklich gewillt, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der den Datensammlern Grenzen setzt.

“Freistaat und Kommunen dürfen sich nicht durch den Verkauf der Daten seiner Bürgerinnen und Bürger zum Diener von Adresshändlern machen”, fordert Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, anlässlich der aktuell bekannt gewordenen Einnahmen der Kommunen aus den Meldedatenhandel. “Wir Grünen fordern seit Jahren eine Gesetzesänderung, die eine Weitergabe für private Zwecke nur bei Vorliegen einer vorherigen, schriftlichen Einwilligung der Betroffenen erlaubt. Dies hat die sächsische CDU/FDP-Koalition zuletzt im Oktober 2012 abgelehnt.”

Denn wo mittlerweile Daten eine heiße Ware nicht nur im Internet geworden sind, sind Verwaltungen eigentlich in der Pflicht, die ihnen anvertrauten Daten auch zu schützen. Und zwar so maximal wie möglich.

“Die Erhebung von Meldedaten darf nur durchgesetzt werden, wenn es zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig ist”, findet Jähnigen. “Mit diesen Daten Unternehmen die Werbung zu erleichtern oder ihre Datenbestände aktuell zu halten, gehört sicher nicht zur Aufgabe von Verwaltungen.”Nun habe der Sächsische Landtag im Frühjahr die Chance, die Meldedaten der Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen. Ende März findet auf Antrag der Grünen-Fraktion eine Anhörung zum Gesetzentwurf “Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes” (Drs. 5/13394) statt.

“Ich fordere die demokratischen Fraktionen des Landtags auf, diesen Gesetzentwurf zu nutzen, um mehr Datenschutz und Datensparsamkeit durchzusetzen. Bis das bundeseinheitliche Meldegesetz am 30. April 2015 in Kraft tritt, muss der Datenschutz für sächsische Bürgerinnen und Bürger verbessert werden. Der Sächsische Landtag sollte sich zudem dafür einsetzen, dass die große Koalition im Bund das Bundesmeldegesetz im Sinne eines umfassenderen Datenschutzes reformiert”, erklärt die Abgeordnete.

Nicht nur Leipzig gibt Jahr für Jahr tausende Adressen aus seinen Melderegistern an Privatleute, Organisationen und Behörden weiter.

In Dresden sind im Jahr 2013 nach einer Meldung von dpa 132.082 sogenannte Melderegisterauskünfte erteilt worden, in Leipzig 48.914 (bei Einnahmen von 267.882 Euro für die Stadt). In Chemnitz seien es 37.000 Melderegisterauskünfte gewesen (Einnahmen: 80.000 Euro). Plauen meldete 3.575 Anfragen (Einnahmen: 19.782 Euro). Andere Städte führen erst gar keine Statistik.

Mit Inkrafttreten des Bundesmeldegesetzes (BMG) am 1. Mai 2015 endet grundsätzlich die Landeskompetenz für das Melderecht.

Die Länder werden im Paragraf 55 BMG zu Regelungen berechtigt, etwa weitere Datenübermittlungen vorzusehen.

Nach einem Kompromiss zwischen Bundesrat und Bundestag im Vermittlungsausschuss wird die Datenübermittlung zu Zwecken der Direktwerbung ab 1. Mai 2015 von der Einwilligung der Betroffenen abhängig gemacht, die entweder gegenüber der Meldebehörde erklärt werden kann oder gegenüber dem Unternehmen, was die Meldebehörde stichprobenhaft überprüfen kann (Paragraf 44 BMG). Für die Weitergabe an Parteien, Adressbuchverlage sowie für Ehe- und Altersjubiläen bleibt es bei der Widerspruchslösung. Heißt: Wenn der Bürger bei der Meldebehörde keine Unterlassungserklärung hinterlegt hat, werden die Daten weitergegeben. Verkauft, würde Eva Jähnigen sagen.

Und so sehen wir es eigentlich auch: Daten sind im Internet-Zeitalter die begehrteste Ware. Wer sie – und sei es auch gegen eine Gebühr – an Unternehmen herausgibt, verkauft sie. Alles andere ist Augenwischerei.

Die Antwort der Stadt als PDF zum Download.

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