Ob das noch "solide, vorausschauende und nachhaltige Haushaltspolitik" ist, wie die Sächsische Staatskanzlei am Dienstag, 18. Februar, verkündete, darf bezweifelt werden. Die Staatsregierung hatte am Montag auf ihrer Klausur in Annaberg-Buchholz die Eckwerte für den Doppelhaushalt 2015/2016 beschlossen. Und das Ergebnis lautet: Es wird weiter gespart. Auch wenn man das mit allerlei Wortgirlanden umrankte.

Die erste: “Der Freistaat Sachsen sieht sich auch weiterhin in besonderer Weise einer generationengerechten Finanzpolitik verpflichtet.” Die zweite: “Die Sächsische Staatsregierung nimmt deshalb auch in den Jahren 2015/2016 keine neuen Schulden auf.”. Die dritte: “Damit setzt die Staatsregierung auch die seit Beginn des Jahres geltende verfassungsrechtliche Schuldenbremse um.”

Dabei hat man eigentlich beschlossen, dass man 2010 Murks gebaut hat und mit den falschen Zahlen gearbeitet hat. Da ging man nämlich davon aus, das Haushaltsvolumen würde auf etwas über 14 Milliarden Euro sinken. Und auf dieser Grundlage wurden alle Kürzungen durchgezogen, die dann im Doppelhaushalt 2011/2012 ihren Niederschlag fanden. Und auch die Kürzungspläne fürs Personal basieren darauf: Von 85.000 sollte der Stamm der sächsischen Staatsbediensteten auf 70.000 eingedampft werden. Lehrer weg, Professoren Weg, Justizbedienstete weg, Polizisten weg …

Aber obwohl der Staatshaushalt seit Jahren stabil ist und deutlich über den Horrorszenarien von 2010 liegt, ändert die sächsische CDU ihre Politik nicht und will noch vor der Landtagswahl am 31. August die Finanzen für 2015/2016 festzurren. Damit ein möglicher neuer Koalitionspartner gar nicht erst auf die Idee kommt, er hätte in den beiden ersten Regierungsjahren irgendwelche Gestaltungsspielräume.

Das Gesamtvolumen des Haushalts beläuft sich für die Jahre 2015 und 2016 auf jeweils über 16 Milliarden Euro. Einer freut sich natürlich: der jetzige Koalitionspartner FDP, der damit schon einmal die nächsten zwei Jahre mitregiert, auch wenn es am 31. August nicht zum Wiedereinzug in den Landtag reichen sollte. Der stellvertretende Ministerpräsident, Staatsminister Sven Morlok, erklärt deshalb freudestrahlend: “Das Kabinett hat sich auf zukunftsweisende Richtungsentscheidungen verständigt. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Investitionen in die Infrastruktur der Zukunft. So wird der Staatsstraßenbau auf hohem Niveau fortgeführt.”

ÖPNV nennt er noch und Breitbandnetze. Überhaupt fällt das Wort Investition recht häufig, mit dem sich Politiker gern als Macher positionieren, auch wenn die Investitionen nicht wirklich da stattfinden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Mit einer angestrebten Investitionsquote in Höhe von 18 Prozent werde es möglich sein, hohe Investitionen in der Wirtschaft und Infrastruktur zu tätigen. Sachsen belegt damit auch bei der Investitionsquote im Ländervergleich weiter einen Spitzenplatz, behauptete die Staatskanzlei denn gleich mal forsch.

Ministerpräsident Tillich: “Mit dem Eckwertebeschluss werden wir weiterhin so viele Finanzmittel wie möglich und nötig für nachhaltige Investitionen in einem modernen Freistaat Sachsen zur Verfügung stellen. Damit werden wir auch zukünftig unseren Beitrag zu einer stärkeren Wertschöpfung, noch besseren Bildungschancen, einer stabilen inneren Sicherheit und einer generationengerechten Familienpolitik leisten.”

Ein Satz, der logischerweise die Opposition sofort auf den Plan rief. Denn Bildung wird ja unter Tillich im Freistaat gerade kaputtgespart. Und das soll so weitergehen, verkündete Tillich am Dienstag: Um die Leistungsfähigkeit der Öffentlichen Verwaltung im Lichte der demografischen Entwicklung zu erhalten, würden dazu geeignete Maßnahmen eingeleitet bzw. weitere geprüft. Die 2012 vereinbarte Stellenplanentwicklung werde aber beibehalten. An dem Ziel, den Personalbestand bis 2020 und in den Folgejahren an den Bestand der Flächenländer West anzupassen, werde festgehalten.

Welche Flächenländer er da meint, sagt er wieder nicht. Aktuell kommen auf 4,05 Millionen Sachsen rund 85.000 Staatsbedienstete. Ein Staatsbediensteter also auf 47,6 Sachsen so im Schnitt. Das liegt leicht unter dem Wert von Hessen, wo auf einen Staatsbediensteten 51,5 Einwohner kommen. Aber es liegt schon lange deutlich über dem Wert in Bayern, wo auf einen Staatsbedienstete 40,8 Bayern kommen. Mit dem Plan, den sächsischen Personalbestand auf 70.000 zu reduzieren, käme die “Betreuungsquote” in Sachsen nur noch auf 1:57. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass etwa Lehrer und Polizisten in Sachsen deutlich schlechter entlohnt werden als ihre Kollegen in Hessen und Bayern.

Aber Finanzminister Georg Unland (CDU) kommt ja aus Hessen. Der muss es ja wissen: “Erfreulich ist, dass die erwarteten steigenden Steuereinnahmen den Rückgang der EU- und Bundesmittel ausgleichen. Das bedeutet jedoch auch, dass der Haushalt stärker von konjunkturellen Schwankungen abhängig wird. Bei etwa gleichbleibenden Einnahmen ist Maßhalten das Gebot der Stunde für die anstehenden Haushaltsverhandlungen.”

Am Ende der nun beginnenden Haushaltsverhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den Fachressorts soll nun Ende Juni/Anfang Juli auf einer weiteren Kabinettsklausur über den Entwurf des Haushaltes 2015/2016 befunden werden.

Und da sie ein Herz und eine Seele sind, haben CDU und FDP ihre Statements zum Kabinettsbeschluss gleich wieder zusammen verschickt. Hier wie gewohnt, das Pro und Kontra in schöner Herzlichkeit.
Steffen Flath, Vorsitzender der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages:

“Die in den vergangenen zwei Tagen diskutierten Schwerpunkte für den nächsten Sächsischen Doppelhaushalt der Staatsregierung sind ein sehr guter Auftakt in die bevorstehenden Verhandlungen. Die Ergebnisse stehen für eine klare Fortsetzung der soliden Finanzpolitik im Freistaat. Der Regierung gebührt insbesondere große Anerkennung für das ehrgeizige Ziel, weiterhin eine hohe Investitionsquote anzustreben. Mit einer Quote von über 18 Prozent steht Sachsen bei den Investitionen seit Jahren an der Spitze in ganz Deutschland und hat mit 2.829 Euro die bundesweit zweitniedrigste Pro-Kopf-Verschuldung. Eine Weiterführung dieser Finanzpolitik ist aller Lob wert, zumal Sachsen seit acht Jahren keine neuen Schulden mehr aufnimmt und bisher das einzige Bundesland ist, das seit Beginn dieses Jahres ein wirksames Neuverschuldungsverbot in der Verfassung verankert hat.

Die Regierung beweist einmal mehr, dass sie nicht nur mit dem Geld sorgsam umgehen kann, sondern auch den Willen und die Möglichkeit hat, die großen Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern, Beschäftigung und Wertschöpfung zu schaffen, um damit unser Land für die Zukunft gut zu rüsten.”

Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag:

“Schuldentilgung statt Neuverschuldung, eine Rekord-Investitionsquote sowie ein niedriger Schuldenstand, um den uns andere Bundesländer beneiden – das sind die Eckdaten der soliden Haushaltspolitik des Freistaates. Diesen Dreiklang hat Schwarz-Gelb durch mutige Entscheidungen auch in Zeiten der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sowie wegbrechender Transferleistungen von Bund und EU verteidigen können.

Mit der Eckwerteklausur wurden die Pflöcke dafür eingerammt, auch mit dem Doppelhaushalt 2015/2016 die Spitzenstellung Sachsens fortzuführen und auszubauen. Wir werden Sachsen weiter fit machen für die Zeit nach 2019, wenn wir ohne die Mittel aus dem Solidarpakt II auf eigenen Beinen stehen müssen. Und unser langfristiges Ziel bleibt es, Sachsen vom Nehmer- zum Geberland zu machen.”

“Es gibt ein Leben nach den Landtagswahlen. Doch beim Thema Zukunft liegt der ‘blinde Fleck’ der CDU/FDP-Staatsregierung. Wie die Staatsregierung ‘noch bessere Bildungschancen’ und ‘stabile innere Sicherheit’ garantieren will, ohne ihr Stellenabbauziel mit einem Konzept zu unterlegen, wird ihr Geheimnis bleiben. In Sachsen fehlen nicht nur Lehrerinnen und Lehrer sowie Polizeibedienstete. In Kürze schlagen auch die Personalprobleme in anderen Bereichen zu Buche.

Die Investitionsquote sagt nichts über die Qualität der Investitionen. Was nützt es, wenn es keine Investitionen sind, die den Kommunen zu mehr eigenen Einnahmen verhelfen? Es fehlt weiterhin ein Förderprogramm, das die Kommunen dabei unterstützt, mit Energie-Investitionen eigene Einnahmen zu erwirtschaften. Im Jahr 2019 enden die Aufbau-Ost Förderungen. Dann sind die Kommunen auf eigene Einnahmen angewiesen.”

Finanzminister Prof. Georg Unland hat völlig Recht, wenn er betont, dass die Finanzierung des Haushalts bei schwächer werdender Konjunktur in Frage steht. Die Staatsregierung vernachlässigt den Strukturumbau und liefert sich der Konjunktur aus. Die Strukturentscheidungen für Sachsens weitere Zukunft werden in den nächsten fünf Jahren fallen müssen. Ein ‘Weiter so’ wird nicht funktionieren. Für die ländlichen Räume und deren Lebensqualität müssen wir vieles anders anpacken als in der Vergangenheit. Die ländlichen Räume brauchen Antworten auf die demografische Entwicklung, z.B. bei Mobilität und Bildung.

Zur Verbesserung der Grundfinanzierung der Hochschulen verliert diese Regierung kein Wort. Forschung und Lehre sind jedoch Grundlagen für die Innovationsfähigkeit unseres Landes und bringen junge Leute nach Sachsen. Deshalb sind Haushaltseckpunkte nicht zukunftsfähig, wenn sie der Stellenkürzung an den Hochschulen kein Ende setzen.
Was die Aussagen zu den Freien Schulen und dem ÖPNV wert sind, wird sich erst durch die konkreten Regelungen beweisen. Wir werden nach dem klaren, vor Sächsischen Verfassungsgerichtshofs erstrittenem Urteil für die Freien Schulen genau darauf achten, dass die Staatsregierung dabei nicht trickst.

Der ÖPNV braucht nach der jahrelangen Unterfinanzierung mehr Geld als allein für die Elektrifizierung der S-Bahnen. Die Landräte und Bürgermeister wissen das.

Die solide Haushaltspolitik ohne Neuverschuldung ist in der Verfassung festgeschrieben und seit dem 1.1.2014 auch in Kraft. Dafür braucht Sachsen keine schwarz-gelbe Koalition. Das ist jetzt im Freistaat Standard.”

Martin Dulig, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag:

“Die heute von der sächsischen Staatsregierung vorgestellten Eckpunkte zum Doppelhaushalt 2015/16 bringen kaum Überraschungen. Die Staatsregierung handelt nach der Devise: betonieren statt investieren.

Was fehlt ist der Mut, wirklich in die Zukunft und in die Köpfe der Menschen im Freistaat zu investieren. Dafür brauchen wir mehr Lehrer und einen besseren Personalschlüssel in den Kitas. Ich möchte, dass wir in Sachsen für unsere Kinder so viel Geld zusätzlich ausgeben wie die CDU für die Rettung der Landesbank. Wir wollen hier bis 2024 insgesamt 2,75 Milliarden Euro mehr investieren. Für 2015 und 2016 sind das 550 Millionen Euro.

Das Geld dafür ist vorhanden, auch wenn der Finanzminister uns wieder etwas anderes vormachen will. Aber er hat seinen üblichen Taschenspielertrick angewendet. Anstatt die regionalisierte Steuerschätzung zur Grundlage des neuen Haushaltes zu machen, werden die Einnahmen künstlich runtergerechnet. Das hat schon in den vergangenen Jahren zu enormen Haushaltsüberschüssen geführt. Allein 2013 waren das 464 Millionen Euro.

Enttäuschend ist, dass trotz der angekündigten Veränderungen im Bereich der Polizei, keine personellen Verbesserungen zu erwarten sind. Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass die Kürzungspläne der Staatsregierung in diesem Bereich unrealistisch sind und die Sicherheit im Freistaat gefährden.”

Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke:

“Das Scheitern der Regierung am selbst gesetzten Ziel eines Personalabbaus auf 70.000 Landesbeschäftigte ließ sich bereits im Stellenentwicklungsbericht zum Haushaltsplan 2013/2014 (Drs 5/10347) vom Oktober 2012 ablesen. Die Stellenzahl verharrt bei konstant 85.000. Ministerpräsident Tillich fehlt jedoch bis heute die Größe, seinen politischen Irrtum einzugestehen und umzusteuern. Das Resultat dieser personalpolitischen Irrfahrt der Staatsregierung ist eine verunsicherte und demotivierte Verwaltung, die sich nach den Zumutungen der vergangenen Jahre – permanente Veränderungen im Behördenaufbau, Streichen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, fehlendes Angebot zur außergerichtlichen Klärung der Fragen einer amtsangemessenen und diskriminierungsfreien Besoldung – mehr und mehr auf dem Weg zum ‘Dienst nach Vorschrift’ befindet.

Keinen Schritt weiter ist Sachsen auch beim Kernprojekt dieser Legislatur – dem Standortegesetz. Weder zu den schon heute sichtbaren Problemen (Raumsituation des ehemaligen Amtsgerichtes Annaberg) noch zu den Zeitplänen oder Kosten des beschlossenen Behördenumzugszirkus verliert die Staatsregierung ein Wort. Vielleicht setzt sie auch hier auf das Verfassungsgericht, das in genau einer Woche über den Zwangsumzug des Rechnungshofes nach Döbeln entscheiden wird.

Die Schatullen des Finanzministers sind zum Bersten gefüllt. Angebote für eine Neuausrichtung der Fördermittelpolitik auf demographiefeste Kommunen oder eine Unterstützung des Ausgleichs zwischen den sich unterschiedlich entwickelnden Regionen in Sachsen werden jedoch nicht vorgelegt. Obwohl die Kommunen die Lebensgrundlagen für die sächsischen Einwohner sicherstellen, spielen sie bei den Überlegungen der Staatsregierung kaum eine Rolle. Die angespannte Haushaltslage – insbesondere in den Landkreisen – lässt nichts Gutes hoffen. Ohne eine größere Unterstützung durch den Freistaat steht zu befürchten, dass sich die Kreisumlagehebesätze in Sachsen verstärkt auf die 35 %-Marke zubewegen müssen.

Die heute wiederholte Beteuerung, künftige Haushalte ohne neue Schulden auszugleichen, ist seit der 2014 in Kraft getretenen geänderten Verfassung eine Selbstverständlichkeit – nicht nur die Fraktion Die Linke setzt voraus, dass sich die Staatsregierung verfassungstreu verhält!”

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