Es ist ein Kritikpunkt, den die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag vorbringt, seit die sächsische Landesregierung die Doppelhaushalte 2011/2012 und 2013/2014 drastisch zusammengestrichen hat. Alles unter der Fiktion dramatisch sinkender Einnahmen. Doch genau das ist nicht passiert. Im Gegenteil: Die "Mehreinnahmen", die Sachsens Finanzminister Georg Unland verbuchte, liegen im dreistelligen Millionenbereich. Vor Weihnachten fragte der SPD-Landtagsabgeordnete Mario Pecher nach. Unland hat geantwortet.
Die Zahlen bestätigen, was zu erwarten war: Die Einnahmen sind nicht ansatzweise derart eingebrochen, wie es die legendäre Klausursitzung des sächsischen Kabinetts im März 2010 in Weinböhla prophezeit hatte. Von mehr als einer Prophezeiung kann man nicht wirklich reden. 2009 war die neue CDU/FDP-Regierung zustande gekommen. 2009 war das Jahr, das von den Steuereinnahmen her erst so richtig die Auswirkungen der Finanzkrise von 2007/2008 sichtbar machte. So eine Krise hinterlässt Spuren. 2008 waren die Steuereinnahmen um 624 Millionen Euro zurückgegangen. Sachsen befand sich kurzzeitig auf dem Einnahmeniveau von 2005.
Doch was dann in Weinböhla geschah, ähnelt in der Rückschau eher einer Runde in Panik versetzter Herrschaften, die nicht versuchten, die Folgen der Finanzkrise einzutakten, sondern gleich den ganzen Staatshaushalt auf Krisenmodus umzustellen. Und zwar dauerhaft. In der damaligen Mitteilung der Sächsischen Staatskanzlei las sich das so: “Nach der mittelfristigen Finanzplanung des Freistaats wird das geplante Einnahmevolumen des Sächsischen Landeshaushaltes zwischen 2009 und 2013 um rd. 1,8 Mrd. EUR von 16.585 Mio. EUR auf rd. 14.770 Mio. EUR pro Jahr sinken. Für den nächsten Doppelhaushalt 2011/12 bedeutet dies gegenüber dem Doppelhaushalt 2009/10 Mindereinnahmen in Höhe von 3,6 Mrd. EUR.”
Bekanntlich beschlossen CDU und FDP im Nachgang genau das: Sie rasierten die Ausgaben des Landes im Doppelhaushalt 2011/2012 von 16 auf 15 Milliarden Euro. Und machten im Doppelhaushalt 2013/2014 einfach so weiter.
Bekanntlich hat sich das Land ab 2010 wieder aus den direkten Krisenfolgen herausgewühlt. Geändert an dem, was die illustre Runde da in Weinböhla beschlossen hat, hat man aber nichts. Im Gegenteil. Jede Meldung aus dem Finanzministerium liest sich so, als stünden gleich die Insolvenzverwalter vor der Tür. Fast der komplette Landtag hat sich von der Panik anstecken lassen und die so genannte “Schuldenbremse” in der Sächsischen Verfassung beschlossen, obwohl Sachsen weit davon entfernt ist, irgendwelche Schulden zu machen.
Im Gegenteil. Das, was man da 2010 so forsch gekürzt hatte auf Kosten von Kultur-, Sozial- und Infrastrukturausgaben, auf Kosten von Polizei, Justiz und Prüfpersonal, ist alles wieder aufgetaucht. Mario Pecher hat es jetzt vom Finanzminister alles schön in Zahlen.
Nur die 246,5 Millionen Euro von 2010 tauchen als Minus auf. Nach der 624-Millionen-Euro-Delle bei den Steuereinnahmen war diese Mindereinnahme gegenüber der alten Prognose schon ein Aufwärtstrend. Die sächsische Wirtschaft berappelte sich wieder und es war absehbar, dass sie ab 2011 wieder die erwarteten Steuereinnahmen liefern würde. Jede einzelne Kammerumfrage von 2010 belegte den Aufwärtstrend in der Wirtschaft. Nur in Weinböhla bekam man davon augenscheinlich nichts mit – und holte die große Schere raus.Und dann verging etwas mehr als ein Jahr, und es stellte sich heraus, dass der Freistaat wieder auf dem alten Wachstumspfad war. Statt etwas über 15 Milliarden Euro nahm er 2011 schon wieder 16,8 Milliarden ein, 2012 waren es 16,67 Milliarden, 2013 werden es wohl über 16,6 Milliarden, 2014 werden es möglicherweise über 17 Milliarden.
Ein Grund dafür sind die stetig steigenden Steuereinnahmen, die 2011 wieder bei 10,5 Milliarden Euro lagen, 2012 bei 11,5 Milliarden. 2013 könnten es 11,6 Milliarden werden und 2014 wieder um die 11,5 Milliarden.
Aber was ist aus den gekürzten Milliarden geworden? Wo sind sie geblieben?
Natürlich verbuchte sie Sachsens Finanzminister als Mehreinnahmen. Und verteilte sie – nicht ganz ohne Absprache. Er verweist in seiner Antwort an Pecher darauf, dass es durchaus Informationen dazu – etwa im Finanzausschuss – gab. Manches wurde noch schnell als Investitionsbeihilfe ausgereicht. Ein richtig großer Batzen wurde von Unland in den Garantiefonds für die Sachsen LB gesteckt. Nicht nur die 343 Millionen Euro, über die er im Herbst 2013 berichtete, sondern auch schon die 311 Millionen Euro, die er zusätzlich nachreichen musste, weil etliche Ausfälle vom Freistaat anerkannt werden mussten, für die das Sächsische Finanzministerium noch keine Zahlungsverpflichtung gesehen hatte. Und eigentlich ist es auch überraschend, zwei Raten zu 100 Millionen Euro für den Garantiefonds hier zu finden – womit sich allein die Zuführungen an den Garantiefonds aus diesen Mehreinnahmen auf 854 Millionen Euro beziffern. Oder im Klartext: Die Sachsen haben für diesen Restbestand der gescheiterten Sachsen LB für 854 Millionen Euro den Gürtel enger schnallen müssen.
Tatsächlich erwies sich schon das erste Haushaltsjahr aus dem Doppelhaushalt 2011/2012 als völlige Fehleinschätzung. Am Jahresende hatte der Finanzminister 840 Millionen Euro mehr in der Kasse, als er prognostiziert hatte. Nach dieser Prognose fragte Pecher natürlich auch, denn sie wich ja bekanntlich um einige Hundert Millionen von der Steuerschätzung der Bundesregierung ab. Und zwar nach unten. Es war der Finanzminister selbst, der mit seinen “Korrekturbeträgen” die Einnahmesituation düsterer aussehen lässt, als sie wirklich ist. Aber wie sich dieses “Korrektur” dann im tatsächlichen Haushalt widerspiegelt, will oder kann der Minister nicht erklären. Das sei zu aufwändig herauszuarbeiten.
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2012 war dann die Abweichung von den Erwartungen des Finanzministers noch deutlicher. Am Ende konnte er “Mehreinnahmen” von 1,21 Milliarden Euro verbuchen, aus denen dann der größte Teil in den Sachsen-LB-Garantiefonds floss.
Zahlen für 2013 und 2014 hat er noch nicht vorgelegt. Aber für 2013 kann man jetzt schon einmal 375 Millionen Euro Mehreinnahmen hinschreiben. Wobei das nur die vorläufige Zahl aus der Novemberschätzung ist, für 2014 hat man aus dieser Steuerschätzung schon einmal Mehreinnahmen von 240 Millionen als ersten Ausblick.
Ein Teil der Mehreinnahmen – 177 Millionen Euro für 2011 und 334 Millionen Euro 2012 – wurden auch in den Finanzausgleichstopf für die Kommunen umgebucht, wo sie bei einem realistisch geplanten Haushalt sowieso gelandet wären. Mit ihnen werden die gesetzlich vereinbarten Ansprüche der Kommunen abgedeckt – zeitverschoben.
Die Anfrage von Mario Pecher und die Antworten von Finanzminister Georg Unland: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13329&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202
Das folgenreiche Treffen in Weinböhla: www.ministerpraesident.sachsen.de/15852.htm
Doppelhaushalt 2013/2014: www.finanzen.sachsen.de/download/Doppelhaushalt_2013_2014.pdf
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