Kamen in Sachsen seit 1990 mehr Menschen durch rechte Gewaltdelikte ums Leben als bislang angenommen? Im Zuge der Überprüfung von ungeklärten Altfällen hat das Innenministerium zwei Tötungsdelikte an das Bundeskriminalamt gemeldet, die von Neonazis begangen worden sein könnten. Dies teilte Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Miro Jennerjahn hin mit.
Die fraglichen Taten ereigneten sich 1995 und 2004. “Dies bedeutet noch nicht, dass es sich dabei tatsächlich um rechtsextremistisch motivierte Straftaten handelt”, erklärt Ulbig. “Darüber hinaus hat das Bundeskriminalamt die nach Recherchen verschiedener Medien als Opfer rechter Gewalt eingestuften Opfer von Tötungsdelikten in den bundesweiten Datenabgleich aufgenommen.” Die Untersuchungen sollen im Laufe des Jahres abgeschlossen werden. “Erst dann kann eine abschließende Aussage getroffen werden”, so Ulbig.
“Wenn Innenminister Markus Ulbig auf Nachfrage zwei weitere Mordtaten aus den Jahren 1995 und 2004 einräumt, bei denen eine rechtsextreme Motivation vermutet wird, ist das ein Offenbarungseid”, wettert Jennerjahn. Es sei erschreckend, dass erst im Jahr 2013, also 18 bzw. 9 Jahre nach den Taten ein mögliches rechtsextremes Motiv erkannt wurde. “Dies ist ein deutliches Zeichen für die Betriebsblindheit staatlicher Stellen im Umgang mit rechtsextremen Straftaten”, erklärt der Rechtsextremismusexperte.
Bereits im Februar 2012 musste der Freistaat Sachsen zwei weitere Tode in die offizielle Statistik von Opfern rechter Gewalt in Sachsen aufnehmen. Unabhängige Stellen gehen seit Jahren von deutlich höheren Opferzahlen als die Staatsregierung aus.
“Ich fordere Staatsminister Ulbig dringend auf, größtmögliche Transparenz darüber herzustellen, nach welchen Kriterien die 190 überprüften Altfälle entweder als Taten mit möglichem rechtsextremen Hintergrund eingestuft bzw. von diesem Verdacht befreit wurden”, so Jennerjahn.
Der Wurzner Abgeordnete vermutet, dass bei den 190 überprüften Fällen in Sachsen in den Jahren 1990 bis 2011 die neuerlich bekannt gewordenen Fälle nach wie vor nur die Spitze des Eisberges sind.
“Es muss Schluss sein mit der Salami-Taktik der Staatsregierung”, fordert Jennerjahn. “Wir brauchen Klarheit über das tatsächliche Ausmaß rechtsextremer Straftaten im Freistaat Sachsen. Alle bekannten Todesopfer rechter Gewalt müssen in die offizielle Statistik aufgenommen werden.”
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