Der Umweltminister hielt sich in seiner Einschätzung aus gutem Grund noch zurück. "Sachsen bei FFH-Umsetzung im Trend" betitelte das Umweltministerium am Freitag, 17. Januar, die Meldung zum Artenschutz in Sachsen. Aber Dr. Stephan Meyer, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, griff zur Tröte: "Studie belegt positive Entwicklung bei Sachsens Natur- und Artenschutz". Eine Behauptung, die so nicht belegbar ist.
“Erstmals beruht der 2013 fällige Bericht auf den Ergebnissen eines standardisierten Monitorings”, erklärte Sachsens Umweltminister Frank Kupfer (CDU) am Freitag. “Seine Ergebnisse sind deshalb nicht mit früheren Erhebungen vergleichbar, die im Wesentlichen auf Schätzungen beruhten. Die konkrete Erfassung und Bewertung der Arten und Lebensräume wird es erlauben, die künftige Entwicklung der Natur in Sachsen nach wissenschaftlichen Kriterien zu bestimmen und den Erfolg unseres Handlungsprogramms ?Biologische Vielfalt 2020? zu beurteilen.”
Meyer pickte sich dann einige Einzelaussagen heraus, in diesem Fall einige Bestandsvergleiche im Vorkommen bestimmter Tier- und Pflanzenarten zwischen den Jahren 1990 und 2013. “Hier sind die Erfolge unserer Naturschutzpolitik deutlich zu erkennen. Diese sind in der Weißen Liste des Artenschutzes im Freistaat Sachsen dargestellt”, jubilierte Stephan Meyer. “Diese Erfolge bedeuten für uns aber auch die Anstrengungen im Artenschutz kontinuierlich fortzusetzen. Noch immer gibt es zahlreiche ?Baustellen? an denen wir weiter arbeiten müssen. Ich denke besonders an die Bodenbrüter oder Fischarten, wie die Äsche, die in Folge des besonderen Schutzes und der sich daraus ergebenden positiven Bestandsentwicklung des Kormorans kaum noch existent ist.”
So schnell kann man die Grundaussagen einer Studie in ihr Gegenteil verkehren und mit herausgepickten kleinen Verbesserungen belegen, dass doch alles bestens sei. Das hat nicht einmal Umweltminister Frank Kupfer getan, der den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft am 17. Januar über den aktuellen Stand der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der EU informierte. Danach sind zwar bei einer Reihe der in Sachsen vorkommenden Arten und Lebensräume günstige Erhaltungszustände zu verzeichnen, so bei Biber, der Grünen Keiljungfer oder den Buchenwäldern. Bei den Anteilen der einzelnen Wertstufen (günstig, unzureichend, schlecht, unbekannt) aller FFH-Arten läge Sachsen auch im Bundesdurchschnitt. Bei den FFH-Lebensraumtypen seien die Werte sogar etwas besser.
Doch wie gesagt: Da es noch keine standardisierende Vergleichserhebung gibt, sagen die Vergleiche mit den Bundeswerten nichts aus. Dass Sachsen vielfältige Lebensräume aufweist, hat mit seiner naturgeschichtlichen Entwicklung zu tun. Die Räume sind einfach da. Sachsen ist eines der waldreichsten Länder Deutschlands. Aber ob die Zustände in den Schutzgebieten sich verbessert haben oder verschlechtert, sagt die Studie nicht. Dass es selbst in regionalen Räumen wie Leipzig kein echtes Verständnis für den Umgang mit diesen Schutzgebieten gibt, zeigen aktuell die Diskussionen um Straßenbahntrassen durch das Landschaftsschutzgebiet im Südosten und der rücksichtslose Umgang mit dem Auenwald.
Und wenn ein Bundesland mit so vielen Landschaftsschutzgebieten nur für 25 Prozent der Arten einen günstigen Erhaltungszustand hat, dann ist das geradezu beschämend. Und es ist eindeutig schlechter als im Bundesdurchschnitt, wo immerhin 28 Prozent zu Buche stehen.Ein Grund für die Verschlechterung der Artenvielfalt ist die weiter fortschreitende Flächeninanspruchnahme, die das SMUL auch im Maßnahmeplan “Biologische Vielfalt 2020” deutlich als Problem benennt. Und die Grundaussage, auf der der Maßnahmeplan aufsetzt, spricht eine deutliche Sprache. Hier wird auch auf die Erhebungen der Vorjahre verwiesen: “Von den 131 in Sachsen bewerteten FFH-Arten der Anhänge II, IV und V wurde nur bei 36 (27 %) der Erhaltungszustand als günstig eingeschätzt (z. B. Fischotter). 65 Arten und somit 50 % befinden sich in einem unzureichenden (z. B. Kammmolch, Laubfrosch) und neun Arten (7 %) in einem schlechten Erhaltungszustand (z. B. Hirschkäfer, Feldhamster, Luchs). Bei 21 Arten (16 %) fehlen wichtige Informationen, so dass deren Erhaltungszustand nicht eingeschätzt werden konnte (z. B. Mückenfledermaus). Diese Befunde belegen den anhaltend hohen Handlungsbedarf aller gesellschaftlichen Akteure zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt.”
Und zwar auch und gerade beim Erhalt der FFH-Gebiete oder sogar der Verbesserung ihres Erhaltungszustandes. Denn ein gut Teil ist arg in Leidenschaft gezogen: “Aus den Berichtergebnissen von 2001 bis 2006 geht hervor, dass zwar 58 % der Lebensraumtypen einen günstigen Erhaltungszustand aufweisen (z. B. Hainsimsen-Buchenwälder). Diesen stehen jedoch 23 % mit einem unzureichenden (z. B. Trockene und Feuchte Heiden) und 13 % mit einem schlechten Zustand (z. B. Moorwälder) gegenüber. Zu drei Lebensraumtypen ließ sich der Erhaltungszustand nicht ermitteln, da noch keine ausreichenden Informationen vorliegen (z. B. Flechten-Kiefernwald).” Und was die sächsische Landwirtschaft betrifft, steht auch eindeutig zu lesen: “Der Indikator ‘FFH-Erhaltungszustände’ ist für die Agrarlandschaft nur begrenzt aussagefähig.” Man hat schlicht keine aussagekräftigen Informationen dazu.
Sachsen ergreife eine Reihe von Maßnahmen, die sowohl zu Verbesserungen bei den 95 in Sachsen vorkommenden FFH-Tier- und -Pflanzenarten als auch bei den 47 vorhandenen Lebensraumtypen führen sollen, so das Umweltministerium. Diese sind Bestandteile des Programms und Maßnahmenplans “Biologische Vielfalt 2020” vom Januar 2013.
Der FFH-Bericht offenbare jedoch auch, dass der günstige Zustand bei einigen Schutzgütern bestenfalls langfristig zu erreichen ist. Schon ihre Stabilisierung wäre ein Erfolg, betont das Ministerium. Dies betrifft vor allem Lebensräume der offenen Kulturlandschaft wie “Binnendünen mit offenen Grasflächen”, “Artenreiche Borstgrasrasen” oder die Laichgewässer der Kreuz- und der Wechselkröte. Diese Lebensräume sind in früheren Zeiten durch Mahd, Beweidung und mechanische Bodenbeeinträchtigungen, wie Bodenabbau, Bergbau oder militärischen Übungsbetrieb entstanden. Solange diese Nutzung beibehalten wurde, blieb ihr Zustand erhalten. Die natürliche Vegetationsentwicklung wurde so durch menschlichen Einfluss unterbunden. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die in der Vergangenheit als unbeabsichtigte Nebenerscheinung entstandenen Lebensräume können deshalb heute vielfach nur durch gezielte Pflege erhalten werden, quasi als Ersatz für die nicht mehr stattfindende Nutzung.
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“Der erreichte Stand ist Ermutigung, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Dort, wo Arten oder Lebensräume noch nicht in einem guten Zustand sind, ist das für uns Ansporn, noch besser zu werden”, meinte Minister Kupfer. Den deutschen FFH-Bericht wird der Bund voraussichtlich im 1. Quartal 2014 veröffentlichen.
Nachdenkliche Töne, die das Jubilo von Stephan Meyer nicht ansatzweise begründen. Er hat noch eins drauf gesetzt: “Seit der Wiederbegründung des Freistaates Sachsen hat es in unserem Bundesland gewaltige Anstrengungen gegeben, um den Zustand der Umwelt wieder zu verbessern. Sachsen hat sich durch eine kontinuierliche CDU-geführte Umweltpolitik seit der Friedlichen Revolution vom ehemals ?schwarzen Dreieck? zu einem lebenswerten Bundesland entwickelt, wo Nachhaltigkeit nicht nur eine Floskel ist, sondern in allen Facetten umgesetzt wird.”
Doch genau das belegt der Bericht des Umweltministeriums nicht. Nachhaltigkeit ist im Freistaat weiterhin nichts als eine Floskel. Es wird weiter Massentierhaltung gefördert, der Bergbau darf weiter wichtige ökologische Flächen verschlingen, technischer Hochwasserschutz hat Vorrang vor Auenschutz, ein Umsteuern in der industrialisierten Landwirtschaft ist nicht in Sicht, Millionen Tonnen guter Erde werden nach wie vor in die Flüsse gespült, vielerorts belasten Nitrateinträge das Grundwasser usw. Es steht überhaupt nicht gut um Sachsens Artenvielfalt.
Maßnahmenplan “Biologische Vielfalt 2020”: www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/BioVielfalt2020.pdf
Statistiken zur Umsetzung der FFH-Richtlinie in Sachsen:
www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/Anlagen_Grafiken_Art_17FFHBericht_Arten_LRT_140116.pdf
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