Am Samstag, 30. November, veranstaltete die Landtagsfraktion der Grünen in Dresden ihren 7. Sächsischen Klimakongress "Ökologische Marktwirtschaft - nur ein Traum?". Aber es hätte auch Leipzig oder Chemnitz sein können. Sachsens Großstädte schwindeln sich ihre Umweltzahlen alle drei so zurecht, dass sie schön aussehen. Das nimmt auch den Druck aus der städtischen Umweltpolitik.

Und es nimmt ihnen die Verantwortung für alles, was jenseits der Stadtgrenzen liegt. Dumm nur, dass der außerhalb erzeugte Dreck auch auf die Großstädter niederrieselt. Sei es der von den Autobahnen, von den Flughäfen oder aus den Kohlekraftwerken. Ein Thema für den Leipziger Nachhaltigkeitsforscher Prof. Felix Ekardt, der für die Grünen im Januar den OBM-Stuhl in Leipzig erlangen wollte. Doch geballtes Wissen hat in der Regel keine Chance gegen geballtes Charisma. Die Wahl gewann am Ende SPD-Amtsinhaber Burkhard Jung. Die Leipziger werden sich also auch weiterhin ihre Zahlen zur Luftbelastung schönrechnen und irgendwann die Erreichung der Zielmarke bei den Kohlendioxidemissionen feiern, ohne sie wirklich erreicht zu haben.

Aber wo soll Umweltschutz anfangen, wenn sich die Regierungen der Welt auf keinem einzigen Klimagipfel wirklich für eine echte Umweltschutzpolitik einigen können, die Bundesregierung die Schultern zuckt und die deutschen Kohleländer sich immer wieder durchsetzen? Da bleibt dann nur noch die kommunale Ebene als Aktionsraum.

Felix Ekardt bezeichnete den Klimaschutz in den Kommunen angesichts des Scheiterns von weltweiten Vereinbarungen als “zweitbeste Lösung”.

“Übergreifende globale Probleme können aus der Kommune nicht beantwortet werden. Allerdings kommen von unten Anstöße für politische Veränderungen auf der staatlichen Ebene. Städte haben eine Vorbildfunktion gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und sind Experimentierfeld für die besten Lösungen. Es ist nicht egal, was in den Kommunen passiert.”

Doch kritisch äußerte Ekardt sich zur Zielstellung der drei sächsischen Großstädte, die Pro-Kopf-CO2-Emissionen auf 2,5 Tonnen je Einwohner abzusenken. “Das reicht nicht. Ein bis 1,5 Tonnen CO2 je Einwohner müssten bis zum Jahr 2050 die Zielmarke sein. Das Zieljahr 2050 ist dazu in den kommunalen Konzepten nur unverbindlich formuliert, ebenso fehlen abrechenbare Zwischenziele.”

Vollmundige Teilschritte hat Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal freilich 2011 schon angekündigt: Die Senkung des Leipziger CO2-Ausstoßes aller fünf Jahre um 10 Prozent, so dass 2050 die 2,5 Tonnen pro Kopf erreicht werden.

Ein bisschen Kohle ist da heute sogar mit drin – eingerechnet durch dem Strommix der Leipziger Stadtwerke, die eben auch einen Teil Strom aus Kohlekraftwerken einkaufen müssen. Schwieriger wird es mit der Fernwärme, die zu einem großen Teil aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf stammt. Den Vertrag zur Fernwärmelieferung mit Vattenfall haben die Stadtwerke Leipzig gerade bis 2023 verlängert. Und auch der Energieverbrauch des Verkehrs (und damit die Emissionen) ist nur aufs Leipziger Stadtgebiet gerechnet – der Verkehr auf dem Autobahnring oder auf dem Flughafen Leipzig/Halle bleibt außen vor. Rechnerisch landen die Emissionen also in den beiden Landkreisen – faktisch haben alle was davon.
Der Widerspruch wird deutlicher, wenn man den so schön autark gerechneten Emissionswert von 5,75 Tonnen CO2 pro Einwohner von Leipzig (2008) mit dem sächsischen Wert vergleicht, der im Emissionsbericht des sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft von 2010 nachzulesen ist. Danach erzeugte Sachsen im Jahr 2010 satte 47.727 Gg (Gigagramm) CO2. Gigagramm klingt ja nicht ganz so gewaltig wie Tonne. Aber wir haben es in diesem Fall wirklich mit 47,7 Millionen Tonnen CO2 zu tun. Der größte Teil davon stammt aus Großfeuerungsanlagen, ins Deutsche übersetzt: Kohlekraftwerken. Die allein produzierten 2010 satte 30,1 Millionen Tonnen CO2.

Das heißt: Pro Einwohner produzierten allein die Kraftwerksbetreiber im Jahr 2010 in Sachsen 7,4 Tonnen CO2. Den gesamten CO2-Ausstoß gerechnet, waren es 11,6 Tonnen. Der Verkehr war übrigens mit 8,8 Millionen Tonnen die zweitgrößte Emissionsquelle. Auf jeden Sachsen gerechnet vom Baby bis zum Greis, vom Autofahrer bis zum ÖPNV-Nutzer also noch einmal 2,1 Tonnen. Drittgrößte Emissionsquelle waren die Kleinfeuerungsanlagen, also auch die Haushalte, die noch oder wieder mit Holz oder Kohle heizten: 5,6 Millionen Tonnen CO2, also knapp 1,4 Tonnen pro Einwohner.

Johannes Lichdi, klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, wies ebenfalls auf darauf hin, dass die “Städte ihre CO2-Emissionen schön rechnen” würden. “Leipzig bezieht die Wärmeversorgung der Bevölkerung durch das Kraftwerk Lippendorf nicht in seine CO2-Bilanz ein.”

Aber nicht nur Leipzig rechnet sich die eigene Bilanz schön, Dresden und Chemnitz tun es auch. Dresden vermeldete 2005 ungefähr 7,1 Tonnen, Chemnitz im Jahr 2007 dann 7 Tonnen. Dabei hatte Chemnitz schon 2002 einen Tiefstand von gut 6 Tonnen pro Kopf und Jahr erreicht. Seitdem ist wieder ein Aufwärtstrend zu beobachten. Was übrigens auch auf Leipzig und Dresden zutrifft, die sich seither alle beide sehr zurückhalten, neue Zahlen zu veröffentlichen. Natürlich wird mit dem sachsenweit leichten wirtschaftlichen Aufschwung auch mehr Energie verbraucht – nicht nur in Fabriken, sondern auch im Verkehr, in der Logistik, in Büros. Nur wurde die Grundlage der Energieerzeugung nur marginal verändert – bei Wind, Solar und Wasser bremst die Sächsische Regierung ja mittlerweile mit aller Macht. Die zusätzlichen Strommengen stammen vor allem aus den Kohlekraftwerken.

Was aber können Städter da überhaupt tun, wenn das große Ganze sich nicht ändert?

Ekardt plädiert dafür, sich nicht nur auf technische Regelungen zu konzentrieren, sondern auch Verhaltensänderungen nicht aus dem Blick zu verlieren.

“Dem kommunalen Klimaschutz in Sachsen fehlt es an den richtigen Zielstellungen und abrechenbaren Zwischenzielen. Die Emissionen des Flugverkehrs werden von den Großstädten ebenso wenig betrachtet wie die aus der stofflichen Nutzung”, kritisiert Prof. Felix Ekardt. “Dresden, Leipzig und Chemnitz sind Mitglieder der Klimaallianz. Sie gehen über die ungenügenden Zielstellungen dieses Bündnissen nicht hinaus. Die Kommunen müssen ihre Zielstellungen auf Grund der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf ein bis 1,5 Tonnen CO2-Emission je Einwohner bis zum Jahr 2050 schärfen. Ebenso braucht der Freistaat Sachsen endlich ein Klimaschutzgesetz, in dem abrechenbare Ziele und Zwischenschritte beim Klimaschutz in Sachsen festgelegt werden.”

2,5 Tonnen für 2050 hält Ekardt für Leipzig für keine wirklich zielführende Marke. Denn wenn der klimaschädliche Gasausstoß 2050 klimaneutral sein soll, sind 1 bis maximal 1,5 Tonnen pro Einwohner die wirklich notwendige Zielmarke. In der Studie der Grünen findet sich übrigens auch eine gründliche Analyse der von den Städten vorgelegten Zahlen. Zu Leipzig gibt es nach Prüfung des Emissionsberichts für 2008 die ziemlich trockene Feststellung: “Vor diesem Hintergrund erscheint die im Synopsebericht als Bild 3-4 dargestellte Grafik zur Emissionsentwicklung schlicht verfälscht und irreführend.”

Grund für die Aussage:Die Stadt hat zwischen 2005 und 2008 ihre Berechnungsgrundlage geändert – dadurch erscheint ein weiterer Rückgang der CO2-Emissionen, der so nicht stattgefunden hat. Besonders kritisiert wird dabei die weit gehende Vernachlässigung aller Emissionen, die außerhalb der Stadtgrenzen oder bei Transit und Überflug erzeugt werden.

Die Studie “Chancen und Grenzen kommunaler Klimaschutzkonzepte – Grundprobleme und sächsische Beispiele” der Grünen: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/KommKlima6.pdf

7. Sächsischer Klimakongress: www.wir-sind-klima.de/klimakongress/klimakongress-2013/programm.html

Prof. Dr. Felix Ekardts Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik: www.nachhaltigkeit-gerechtigkeit-klima.de

Die Emissionsberichte des Freistaats Sachsen bis zum Jahr 2010:
www.umwelt.sachsen.de/umwelt/luft/3609.htm

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar