Da staunte selbst Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU). "Von der tatsächlichen finanziellen Dimension der mit der Beantwortung der Anfrage durch die Staatsregierung vorgelegten Zahlen sind wir ein Stück weit überrascht", zitierte ihn die LVZ am Freitag, 15. November. Der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Panter hatte bei der sächsischen Staatsregierung die Zahlen zur Unterstützung der Kommunen bei den "Kosten der Unterkunft" (KdU) abgefragt.

Die Kosten werden von Bund und Kommune anteilig gezahlt. Der Bund freilich hat seine Anteile an diesen Kosten in den letzten Jahren immer weiter gesenkt. Der Effekt macht nicht nur Leipzigs Stadtverwaltung nervös: Obwohl man alles tut, um die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in Leipzig zu senken, steigen die Kosten.

Ein bisschen abgefedert werden sollte das eigentlich durch Zuweisungen des Landes. Diese speisen sich aus den so genannten “Hartz-IV-SoBEZ”, Sonderzahlungen, die der Bund an die Länder ausreicht, damit sie diese an die Kommunen nach Bedarf weiterreichen. Was die anderen ostdeutschen Länder auch so machen. Sie verteilen diese Gelder nach der Zahl der Bedarfsgemeinschaften. Nur in Sachsen ist das anders. Da hat man 2005 eine Zahl ermittelt, die bis heute unverändert gilt. Und Finanzminister Georg Unland (CDU) sieht nicht einmal ein Problem darin, dass ein Hilfebedürftiger in Dresden durch diesen Verteiler rund doppelt so hoch bezuschusst wird wie einer in Leipzig. Unland in seiner Antwort vom August: “Der Sonderlastenausgleich Hartz IV verfolgt das primäre Ziel, die Unterschiede in der Nettobe- und -entlastung durch die Hartz-IV-Reform 2005 zwischen den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende auszugleichen. Die Bestimmung der Finanzausstattung des Sonderlastenausgleichs (…) erfolgt analog unter Berücksichtigung von Be- und Entlastungseffekten aus der Hartz-IV-Reform. Insofern besteht eine konsistente Symmetrie zwischen Aufbringung und Verteilung der Mittel des Sonderlastenausgleichs im Freistaat Sachsen.”

Die Zahlen, die er Dirk Panter zuarbeitete, belegen aber das Gegenteil. Die Symmetrie ist seit Jahren aus dem Lot. Und selbst diese Sondermittel zur “KdU”-Finanzierung erweisen sich als Stellschraube, mit der die sächsische Landesregierung tief und rücksichtslos in den Leipziger Haushalt eingreift. Ein Fakt, der in der aktuellen Leipziger Haushaltsdebatte 2014 an Brisanz gewinnt. Denn Leipzig würde nicht über ein Haushaltsdefizit von 40 Millionen Euro diskutieren, wenn sich der Freistaat Sachsen paritätisch an der Finanzierung der so dringend benötigten Kindertagesstätten (Diskussionssumme: mindestens 30 Millionen Euro) beteiligen würde und ebenso “symmetrisch” an den Kosten der Unterkunft. Hier fehlen satte 31 Millionen Euro.

Oder anders formuliert: Das Geld bekäme Leipzig, wenn es genauso mit Ausgleichsgeldern bedacht würde wie das finanziell wesentlich besser aufgestellte Dresden. Es sind diese ganzen finanziellen Stellschrauben, mit denen Kommunen in Deutschland das Wasser abgedreht wird. Leipzig ist dabei nur ein besonders krasser Fall.

Die Bruttoausgaben Leipzigs für die “Kosten der Unterkunft” haben sich von 2005 bis 2012 von 141 Millionen Euro auf 148 Millionen Euro entwickelt – mit einigen heftigen Höhepunkten etwa 2006 und 2007, als die Kosten auf 168 und 167 Millionen hochschnellten. Dresden war bei 97 Millionen Euro gestartet und stand 2012 bei 108 Millionen.

Die Bundesbeteiligung an den KdU hat sich in Leipzig von 41 auf 53 Millionen Euro entwickelt, in Dresden von 28 auf 39 Millionen Euro. Was dann noch fehlte, sollte durch den Sonderlastenausgleich ausgeglichen werden. Dieser Sonderausgleich entwickelte sich in Dresden von 27 auf 37 Millionen Euro, in Leipzig von 11 auf 20 Millionen Euro. Schon das hätte eigentlich im zuständigen Ministerium für ein bisschen Verwunderung sorgen sollen: Wieso bekommt die Landeshauptstadt mit deutlich weniger Bedarfsgemeinschaften fast doppelt soviel Sonderausgleich?Panter hat noch weiter gefragt. Er wollte von Unland wissen, wie hoch dieser Sonderausgleich eigentlich wäre, wenn er wirklich nach der Zahl der Bedarfsgemeinschaften ausgereicht werden würde. Für Dresden ergab das 2012 statt der tatsächlich ausgereichten 37 Millionen Euro einen Wert von 36 Millionen Euro – die Landeshauptstadt bekam ungefähr das, was ihr aus diesem Sonderausgleich auch zustand.

Aber für Leipzig hätten statt 20 Millionen Euro 51 Millionen Euro ausbezahlt werden müssen. Leipzig wurde also auch nach Rechnung des Finanzministeriums um 31 Millionen Euro schlechter gestellt. Oder im Klartext: Soviel Geld musste Leipzig aus seinem eigenen Haushalt für die KdU extra drauflegen. Das Geld fehlt anderswo bis zum Zähneknirschen – bei der Jugendarbeit etwa, bei Kitas und Schulinvestitionen, bei Straßen, Brücken usw.

Über die ganze Zeit seit 2005 rechnet sich diese Differenz auf 281 Millionen Euro hoch. Ein Betrag, der erst recht deutlich macht, warum jetzt in Leipzig trotz aller Sparhaushalte der letzten Jahre über ein kaum noch zu schließendes Haushaltsdefizit von 40 Millionen Euro debattiert wird.

Der Landtagsabgeordnete der Linken, Volker Külow, nutzte den LVZ-Beitrag zwar gleich, um sowohl CDU als auch SPD verbal zu verprügeln, denn für den Verteilerschlüssel war 2004 die Regierung aus CDU und SPD in Sachsen zuständig. Aber genauso richtig ist wohl, dass man von jedem Finanzminister seither eine Korrektur des Fehlers hätte erwarten können.

Külow sprach aber auch noch ein weiteres Feld an, auf dem die Staatsregierung die Stadt Leipzig seit Jahren finanziell schröpft: das der Fördermittel.

“Seit vielen Jahren waren nämlich Leipziger Abgeordnete unserer Landtagsfraktion die Einzigen, die nicht nur auf die eklatante Benachteiligung Leipzigs, insbesondere gegenüber Dresden, hingewiesen haben”, meint Külow. “Genannt sei beispielsweise die ausführliche Analyse in der Broschüre ‘Die ungleichen sächsischen Schwestern’, in der nachgewiesen wird, dass Leipzig bei der Zuweisung von Fördermitteln des Freistaates ausgerechnet in den Jahren, in denen es an der Elbe eine Regierungskoalition aus CDU und SPD gab, massiv benachteiligt wurde. So stiegen die Fördermittel pro Einwohner in Dresden von 679 Euro im Jahr 2006 auf 819 Euro im Jahr 2009. In Leipzig waren es hingegen lediglich 518 Euro im Jahr 2006 und 529 Euro im Jahr 2009.”

Auch das ergibt weitere zweistellige Millionenbeträge, die in Leipzigs Haushaltsführung fehlen.

Die Broschüre “Die ungleichen sächsischen Schwestern”: www.linksfraktionsachsen.de/images/content/publikationen/Broschueren/GrossStadtStudie.pdf

Die Anfrage von Dirk Panter als PDF zum download.

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